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9. November 2017
Run-off-Diskussion – alles halb so schlimm oder doppelt folgenschwer?

Run-off-Diskussion – alles halb so schlimm oder doppelt folgenschwer?

Die Run-off-Diskussionen der vergangenen Wochen haben der Reputation der Lebensversicherer geschadet. Selbst wenn sich nur wenige Lebensversicherer von ihren Beständen trennen wollen, hat dies Wirkung auf die ganze Branche. Doch Run-off und der Verkauf von Verträgen sind nicht die einzigen Problematiken in der Lebensversicherung.

Seit die Öffentlichkeit erfahren hat, dass Lebensversicherer Verträge verkaufen wollen, herrscht Unruhe am Markt – insbesondere, weil mit Generali und ERGO zwei große Unternehmen Möglichkeiten eines Verkaufs sondieren. Das bringt auch Versicherer in Erklärungsnot, die an ihren Verträgen festhalten. Da hilft es auch wenig, dass bisher nur sehr wenige Run-offs oder Verkäufe bei der BaFin umgesetzt oder beantragt wurden.

Starke Wirkung auf Politik

Auf einer Podiumsdiskussion der DKM 2017 betonte Rainer M. Jacobus, Vorstandsvorsitzender der IDEAL Versicherungen, vor Kurzem die starke Wirkung solcher Ankündigungen bei der Politik. Der Verkauf von Verträgen insbesondere an ausländische Finanzinvestoren – wenn auch unter strenger deutscher Aufsicht – werde unter dem Gesichtspunkt wahrgenommen, dass irgendwann das Interesse der Investoren- mit dem Kundeninteresse kollidiert. Sich in diesem Gemengelage mit der Politik über die Bedeutung der privaten Altersvorsorge zu unterhalten, gestalte sich mehr als schwierig. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen und den Plänen der Grünen zur sogenannten Deutschland-Rente werde es für die Lebensversicherer immer schwieriger, bei der Politik durchzudringen.

Das Problem für die Lebensversicherer sei, dass in der Politik nicht ankomme, dass es sich nur um wenige Gesellschaften handle, die einen Verkauf in Erwägung ziehen und der Großteil der Lebensversicherer an ihren Versprechen bis zum Vertragsende festhalten würden. Und nicht nur das, wie Dr. Armin Zitzmann, Vorstandsvorsitzender der NÜRNBERGER Versicherung, ebenfalls in der Podiumsdiskussion klarstellte: Man wolle nicht nur an Verträgen festhalten, sondern vor allem auch weiter Neugeschäft machen, und man wolle, dass die Menschen ihre Altersvorsorge weiter in die eigene Hand nehmen. Es sei an den Vermittlern, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen. Das fand Zustimmung von Dietmar Bläsing, Vorstandssprecher des VOLKSWOHL BUND, der darauf verwies, dass dies ja auch erfolgreich gelinge. Die neuen Altersvorsorgeprodukte wie Indexpolicen wären sehr erfolgreich, was die Vermittlung angehe, und auch bei Fondspolicen gebe es einen positiven Markttrend.

Zu wenig Transparenz, zu wenig Verlässlichkeit

Dennoch müssen sich die Lebensversicherer vor dem Hintergrund der Diskussionen fragen lassen, wie es mit ihrem Geschäftsmodell weitergehen kann und ob ein Run-off oder ein Verkauf nicht sogar ein guter Schritt für einen Lebensversicherer sein könne. Es gibt eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, dass sich Lebensversicherer mit dem Thema beschäftigen, so Dr. Reiner Will von der Ratingagentur Assekurata in der besagten DKM-Runde. Der Ertragsdruck sei im Allgemeinen groß, nur seien die Antworten der Versicherer unterschiedlich. Der Großteil habe mit neuen Produkten mit verminderten Garantien reagiert.

Aber auch an diesen neuen Produkten reibt sich die Branche. Versicherungsmakler und VDVM-Vorstand Oliver Fellmann kritisiert, dass diese Produkte sehr komplex seien, keine Vergleichbarkeit mehr bestehe und es Maklern immer schwerer falle, diese den Kunden zu erklären. „Es gibt keine Transparenz“, so Diskussionsteilnehmer Fellmann. Unabhängig von den Run-off-Diskussionen verspiele die Branche das Vertrauen. Schon bei früheren Vorgängen und Fusionen mussten Versicherungsnehmer feststellen, dass Schlussüberschüsse weg waren oder Garantiezinsen angepasst wurden –ohne ausreichende Information für Makler und Kunden. Zudem werde er nicht müde, die Versicherer aufzufordern, bei den Verträgen nicht mehr mit möglichen Wertentwicklungen von 6% zu rechnen.

Politischer Deal bei der Zinszusatzreserve?

Mehr Transparenz täte der Branche gut, kommentierte auch Will, vor allem vor dem Hintergrund der geplanten Änderungen der Zinszusatzreserve im kommenden Jahr. Will spricht sich für Erleichterungen für die Branche aus, warnt aber davor, die Zinszusatzreserve mit einem Provisionsdeckel bei den Vergütungen zu vermischen. „Das eine mit dem anderen zu koppeln, sei eine unsägliche Diskussion“, so Will. IDEAL-Chef Jacobus entgegnet, dass man die Dinge sehen müsse wie sie nun mal seien. Die Politik werde diese Themen nicht trennen. Die Politik erwarte von dem geplanten LVRG 2 ganz allgemein, dass die Abschlusskosten neujustiert werden. Und diese Diskussion müsse man nun in der Gemengelage von Run-offs und Koalitionsverhandlungen führen. Auch Zitzmann glaubt nicht, dass die Politik hier trennen werde. Die Chance hätte die Politik zwei Jahre lang gehabt: „Von uns will keiner diese Verbindung herstellen, es wird uns nur nicht gelingen.“ Versicherer wie die IDEAL, NÜRNBERGER und VOLKSWOHL BUND würden Erleichterungen bei der Zinszusatzreserve auch nicht benötigen, die Branche allerdings schon. Bläsing spricht von einem Branchenproblem: Würde bei der Zinszusatzreserve keine Erleichterung für die Branche geschaffen und käme es hier zu ‚Schwächefällen‘, dann würde ein noch höherer Reputationsschaden entstehen.

Positive Signale für die private Altersvorsorge

Befragt nach den positiven Signalen in der Altersvorsorge nannten die Versicherer auf der DKM-Bühne weiterhin die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge. Die Niedrigzinsphase ändere nichts an dem demografischen Faktor. Zudem sei die Beratungsqualität in Deutschland gut und der Vertrieb leiste eine gute Arbeit. Es gelte, diesen weiter zu stärken. Garantien seien zudem das Alleinstellungsmerkmal der Lebensversicherer. Positiv bewerteten die Versicherer, dass man aktuell auch jüngere Leute zumindest wieder etwas besser erreiche.

Forderung an die Versicherer

Forderungen an die Versicherer gab es aber auch: Es gehe nicht nur um das Neugeschäft, stellte Will bei der Diskussion nochmals klar. Um das Vertrauen der Kunden wieder zu erlangen, müsste man auch auf die Altverträge schauen und sich um diese kümmern. Er appellierte in Richtung Versicherer: „Nehmen Sie Ihre Kunden ernst!“ Und Fellmann fordert faire Tarife, die den langen Vertragsverlauf überdauern und die der Verbraucher auch nachvollziehen kann: „Tarife, bei denen der Kunde eine Versicherer-Mitteilung auch am Frühstückstisch lesen kann.“ Will forderte zudem die Makler unter den Zuhörern auf, ihre Marktmacht zu nutzen. Sie sollten sich Finanzstärke, Umgang mit Beständen und die Transparenz der Unternehmen genau ansehen und dann entscheiden, zu welchem Versicherer sie künftig ihre Kunden bringen wollen. (bh)