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30. Juli 2019
Serviceentgelte sind eine Chance für Vermittler

Serviceentgelte sind eine Chance für Vermittler

Depotbanken haben sich in den vergangenen zehn Jahren grundlegend gewandelt. Sie haben sich immer mehr zum Technologiedienstleister und lösungsorientierten Partner für Finanzanlagenvermittler entwickelt. Diese müssen sich im aktuellen Umfeld Gedanken um tragfähige Preismodelle und ihre Dienstleistungen für die Zukunft machen. Dabei werden sie von Depotbanken unterstützt, sagt Peter Nonner, Geschäftsführer der FIL Fondsbank (FFB).

Finanzanlagenvermittler haben viele Vorgaben zu beachten. Allein 20.000 Seiten umfasst das Regelwerk zur EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Die europäischen Aufsichtsbehörden haben die regulatorischen Vorgaben für Berater nach der Finanzkrise deutlich verschärft. Bei all den umfangreichen Änderungen der Regulierung gilt es aber, den Blick auf das Wesentliche zu richten, um Haftungsrisiken zu minimieren und die Beziehung zum Kunden auch in Zukunft vertrauensvoll zu gestalten.

Mit MiFID II rücken Kosten und Provisionen von Finanzprodukten stärker in den Blickpunkt. Produkte, die Vermittler empfehlen, müssen nachweislich den individuellen Zielen und Bedürfnissen des Anlegers entsprechen. Für Finanzanlagenvermittler ist das aufwendig und scheint auf den ersten Blick Geschäft zu verhindern. Mehr Anlegerschutz ist aber gut für die gesamte Branche und kann dazu beitragen, verloren gegangenes Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.

Berater müssen Provisionen, die sie für ihre Tätigkeit erhalten, gegenüber ihren Kunden ausweisen. Statt wie bisher Provisionen zu erhalten, können sie sich aber auch direkt über Serviceentgelte bezahlen lassen. Das sorgt für klare Verhältnisse: Anleger können damit auf einen Blick erkennen, für welche Dienstleistung ihr Vermittler welchen Betrag abrechnet. Mehr Transparenz ist die Folge.

Von Provisionen emanzipieren

Derzeit stehen wir in einer Übergangsphase von der Provision zum Serviceentgelt. An die Stelle der für den Endkunden häufig kaum nachvollziehbaren, produktabhängigen Provisionen treten verstärkt Serviceentgelte, denen konkrete Leistungen gegenüberstehen. Das bedeutet: Berater müssen umdenken, ihre Dienstleistungen und Preismodelle neu definieren und damit auch ihre bisherigen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen. Die Voraussetzung dafür ist, sich Gedanken zu machen, worin genau ihre Leistung besteht, welchen Mehrwert sie ihren Kunden bieten können und was sie dafür berechnen möchten. So können sich Vermittler stärker von Provisionen emanzipieren. Damit entfallen auch potenzielle Interessenkonflikte bei der Auswahl von Finanzprodukten.

Serviceentgelte bieten damit die Chance für Finanzanlagenvermittler, sich ihren Kunden mit einem differenzierten Dienstleistungsangebot zu präsentieren. Denkbar sind grundsätzlich unterschiedliche Leistungspakete, zum Beispiel mit einem Gespräch pro Jahr oder auch in jedem Quartal. Zusätzlich sind laufende Informationen, etwa mit Reportings über die Geldanlage oder einem regelmäßigen Newsletter, denkbar. Die Logik ist klar: Wer mehr Service haben möchte, muss auch mehr bezahlen. Mit maßgeschneiderten Dienstleistungen können Berater ihre Beziehung zum Kunden stärken. Der vermeintliche Nachteil besteht darin, dass sie ihren Kunden vermitteln müssen, dass es Anlageberatung nicht zum Nulltarif gibt. In der alten Provisionswelt ist dieser Eindruck leider oft entstanden.

Da es grundsätzlich keine Provisionsverbote in Deutschland gibt und es derzeit auch keine Signale gibt, dass es dazu kommen könnte, sind auch in Zukunft weiter Kombinationsmodelle aus Serviceentgelten und Provisionen denkbar. Ein Umdenken zeichnet sich langsam ab: So vereinbaren bei der FFB mittlerweile 26% der Finanzanlagenvermittler bei neuen Verträgen Serviceentgelte, 54% räumen ihren Kunden Rabatte ein. Ganz egal, für welche Lösung sich Berater entscheiden, sie müssen sich Gedanken um ihr Preismodell machen und auf Fragen der Kunden vorbereitet sein. Denn diese legen mehr Wert auf Transparenz. Depotbanken begleiten Berater in diesem Prozess, indem sie ihnen Aufträge über Serviceentgelte bereitstellen und auch die Abrechnung übernehmen.

Hohes Interesse an vermögensverwaltenden Konzepten

Doch Kunden verlangen nicht nur mehr Kostentransparenz, sie wünschen häufig auch eine umfassendere Beratung, als das etwa noch vor zehn Jahren der Fall war. Stand damals vielfach der Vertrieb von Einzelfonds im Fokus, geht es heute darum, das Portfolio stärker nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden zu gestalten. So ist ein klarer Trend zu strukturierten Portfoliolösungen zu beobachten, die den Charakter einer Vermögensverwaltung haben. Während Finanzanlagenvermittler also früher einzelne Fonds für Kunden ausgewählt haben, gilt es heute fast immer, ein Portfolio anhand der Ziele des Anlegers zu gestalten.

Mithilfe von Modellportfolio-Tools können Finanzanlagenvermittler ihren Kunden passende Lösungen anbieten. Dabei lassen sich Portfoliostrukturen mit einer entsprechenden Aufteilung von Fonds festlegen. Portfolios von Anlegern, deren Ziele und Risikobereitschaft ähnlich sind, lassen sich gemeinsam steuern. Das ermöglicht auch einzelnen Vermittlern eine effiziente Abwicklung. Ein weiterer Vorteil: Informationen zu Kosten sind per Sammelabruf für jedes einzelne Portfolio erhältlich.

Solche Modellportfolios sind einfach zu überwachen. Finanzanlagenvermittler müssen die Zusammensetzung des Portfolios regelmäßig überprüfen und anpassen. Sie können das für mehrere Kunden in einem Schritt abwickeln und sie mit einem regelmäßigen Reporting informieren. Mit dem Kunden vereinbarte automatische Rebalancings, um die Portfoliostruktur zu erhalten, ergänzen die Möglichkeiten. In einem Umfeld komplexer Märkte ist der Bedarf an übergreifenden Portfoliolösungen immens. Das Modellportfolio bietet damit ein zeitgemäßes Konzept, das auch die regulatorischen Auflagen von MiFID II erfüllt.

Die vergangenen zehn Jahren waren durch eine zunehmende Digitalisierung gekennzeichnet. Depotbanken haben diesen Wandel aktiv begleitet. Mittlerweile sind bei der FFB zwei Drittel aller Kunden Online-Kunden. Auch immer mehr Vermittler entdecken die Chancen der Digitalisierung. Online-Auftritte erweitern den Markt der früher vor allem regional tätigen Vermittler. Wenn das Angebot passt, können sie ohne großen Aufwand auch Kunden aus anderen Regionen gewinnen. Sie können online schnell und effizient kommunizieren. Die Depotbanken liefern die Voraussetzung dafür und stellen Ex-ante- oder Ex-post-Kostenausweise sowie Rechnungen und Belege zunehmend elektronisch zur Verfügung.

Von FinTechs lernen

Durch die Digitalisierung haben Depotbanken darüber hinaus ihr Spektrum erweitert. Sie wurden deutlich flexibler. Dazu hat auch die Zusammenarbeit mit FinTechs beigetragen, die etwa die technische Infrastruktur rund um Fondsdepots und die Depotadministration von Fondsbanken nutzen. FinTechs verändern radikal den Blickwinkel auf Prozesse. Ein Beispiel dafür sind viele der früher papierbasierten Abläufe, die Depotbanken inzwischen komplett digitalisiert haben. Kunden können die früher oft umständliche Depoteröffnung einfach und sicher online per Videolegimitation abwickeln. Und so haben Depotbanken ihr Leistungsangebot angepasst und ermöglichen es Finanzanlagenvermittlern, ihren Kunden Topleistungen anzubieten – und das in einem stärker regulierten und anspruchsvolleren Marktumfeld.

Bild: © Eigens – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2019, Seite 46 f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Peter Nonner