Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Neulich auf der Hauptversammlung des BVK: Nach einem Impulsvortrag des Rechtswissenschaftlers Prof. Schwintowski zum Thema Finfluencer antwortete BVK-Präsident Heinz auf die Frage der Moderatorin, was er fühle, wenn er sehe, dass jemand mit drei Emojis und einem ETF-Video 400.000 Follower begeistere, mit beeindruckender intellektueller Brillanz: „Dann hab ich das Gefühl, dass irgendjemand darauf wartet, dass der BVK ihm eins auf die Mütze gibt!“ Was war denn da los?
Zuvor hatte Schwintowski in typischer Attitüde, leise, langsam, mit getragenen Worten und unterstützender Gestik, zugewandt dem Publikum, vor allem den anwesenden Berufsschülern, die an demselben Tag ihre Abschlussprüfung hatten, in seinem Impulsvortrag die wesentlichen Inhalte seines für den BVK erstellten Gutachtens zusammengefasst und auf die These zugespitzt, dass alle Finfluencer, „die da so einen Link setzen“, als Vermittler ohne gewerberechtliche Genehmigung unterwegs seien. Mit seinem Schlussappell an die IHK Bonn, diese müsse jetzt mal schauen, wo denn die Genehmigungen alle seien für die Finfluencer, und seinem Hinweis, die Finfluencer hätten sowieso keine Genehmigung und wüssten ohnehin nicht, was das sei, und deshalb könne die IHK Geld verdienen und Bußgelder bis zu 500.000 Euro ausgeben, holte sich Schwintowski den wohlwollenden Applaus der Zuhörerschaft ab.
Hintergrund
In zahlreichen Wirtschaftsbereichen wie z. B. Lifestyle, Beauty, Reisen und Sport hat der Einfluss sogenannter Influencer zunehmend an Bedeutung gewonnen. In letzter Zeit kommt es auch dazu, dass Influencer auf den Social-Media-Kanälen, insbesondere auf YouTube, als „Financial Influencer“ oder kurz Finfluencer Tipps zu Anlagemöglichkeiten geben und über Finanzprodukte informieren.
Rechtlicher Rahmen
Die öffentliche Empfehlung von Finanzprodukten unterfällt nach Ansicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) keinem aufsichtsrechtlichen Erlaubnisvorbehalt. Es handele sich weder um eine Anlagevermittlung, weil die Empfehlung für ein Finanzprodukt ohne einen direkten Kontakt zu den Followern erfolge, noch um eine Anlageberatung, weil Empfehlungen, die über öffentliche Informationsverbreitungskanäle bekannt gegeben werden und damit an einen unbestimmten Personenkreis adressiert sind, vom Anwendungsbereich der KWG-Vorschriften zur Anlageberatung ausgenommen sind.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat aber schon Ende 2021 darauf hingewiesen, dass Anlageempfehlungen in sozialen Medien der europäischen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) unterfallen und sich daraus Pflichten für Personen, die öffentliche Anlageempfehlungen abgeben, ergeben. Nach Art. 20 MAR müssen öffentliche Anlageempfehlungen objektiv dargestellt und etwaige Interessenkonflikte (z. B. Tippgeberprovisionen) offengelegt werden. Zudem müssen Finfluencer gemäß § 86 WpHG ihre Tätigkeit der BaFin anzeigen. Weitere konkretisierte Einzelheiten enthält eine Delegierte Verordnung zu Art. 20 MAR. Zusätzlich gelten für Finfluencer die allgemeinen medien- und wettbewerbsrechtlichen Pflichten, unter anderem die Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung, wenn Finfluencer von einem Unternehmen für die Empfehlung eines bestimmten Finanzproduktes eine Gegenleistung erhalten.
Sind Finfluencer Anlage- und/oder Versicherungsvermittler?
Nach Ansicht von Schwintowski ist ein Finfluencer, der öffentlich, z. B. in einem YouTube-Video, einen Versicherungsvertrag empfiehlt und (!) einen Link zum Anbieter bereitstellt, als Versicherungsvermittler tätig. Dies ergebe sich daraus, dass mit dem Link die Möglichkeit eröffnet werde, dass der Antrag (?) an jemanden weitergegeben werde, der einen Vertrag daraus mache. Der Finfluencer schließe konkludent einen Beratungs- und Vermittlungsvertrag. So sei es auch im Tchibo-Urteil des BGH gewesen.
Dasselbe habe der BGH auch schon 1993 im Bondurteil im Zusammenhang mit Wertpapieren gesagt. Dadurch, dass die Bank angefangen habe, mit dem Kunden über ein Produkt zu sprechen, das der Kunde am Ende kaufen könne, habe die Bank mit dem Kunden konkludent einen Beratungs- und Vermittlungsvertrag geschlossen.
Das sei nun des Rätsels Lösung: Finfluencer würden zwar alle nicht beraten, aber sie müssten es tun. Sie seien verpflichtet, weil sie durch einen Link, den sie setzen, die Möglichkeit eröffnen, einen wirksamen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags oder auf Kauf eines Wertpapiers zu stellen. Immer dann sei zivilrechtlich ein Vermittlungs- und Beratungsvertrag geschlossen.
Diese Überlegung begegnet Bedenken. Anders als im Wertpapierrecht ist dem Versicherungsvermittlerrecht der Gedanke eines Vermittlungs- und Beratungsvertrages in der dargestellten Form grundsätzlich fremd. Zwar schließen Versicherungsmakler (ggf. auch konkludent) mit ihren Kunden einen Maklervertrag, aber Versicherungsvertreter werden in der Regel als Erfüllungsgehilfen ihres Prinzipals tätig und schließen keine Verträge mit ihren Kunden. Außerdem dürfte es bei den bereitgestellten Links in der Regel an der für eine Vermittlung notwendigen Konkretisierung des Versicherungsvertrages fehlen. Der Link beinhaltet keinen konkreten Antrag, der weitergegeben werden könnte. Wäre das der Fall, läge schon eine Vermittlung vor, ohne dass es eines konkludenten Vermittlungs- und Beratungsvertrags bedürfte. Anders als im Tchibo-Urteil bleibt auch der durch einen Link ausgelöste Wechsel auf die Seite des Anbieters dem Follower nicht verborgen. Es ist deshalb naheliegender, den Finfluencer als Tippgeber anzusehen, wenn er Affiliate-Links zu den Anbietern setzt, deren Produkte er empfiehlt. Das gilt ebenso für Links, die Anbieter wie Finanztip auf ihre Website setzen.
Es ist auch zweifelhaft, ob das Bondurteil auf die hier besprochenen Fälle übertragen werden kann. Dort gab es einen unmittelbaren Kontakt zwischen Anleger und Bank. Die Empfehlung der Finfluencer ist – wie die BaFin zu Recht ausführt – an die Öffentlichkeit gerichtet. Hieraus kann – auch nicht konkludent – ein Rechtsbindungswille zum Abschluss von Vermittlungs- und Beratungsverträgen gegenüber allen, nicht bekannten Followern abgeleitet werden. Die Situation ist vergleichbar mit Auslagen im Schaufenster eines Kaufhauses, in dem die ausgelegten Sachen gekauft werden können. Die Auslagen im Schaufenster werden nicht als Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen bewertet, sondern als Invitatio ad offerendum, weil dem Kaufhaus nicht zugemutet werden kann, dass jeder beliebige Besucher mit einer Angebotsannahme Vertragsansprüche geltend machen kann. Das gilt übrigens auch für den Versicherungsbereich.
Etwas anderes kann möglicherweise gelten, wenn ein Kunde das Angebot eines Finfluencers zur „Individualberatung“ annimmt und Kontakt bspw. über die Website aufnimmt.
Fazit
Die markige Ansage, dass alle Finfluencer, „die da so einen Link setzen“, als Vermittler ohne gewerberechtliche Genehmigung unterwegs seien, ist einerseits sicher der Aufheiterung des Publikums geschuldet und schießt in ihrer Verallgemeinerung und Zuspitzung über das Ziel hinaus.
Andererseits ist es sinnvoll, die wachsende Zahl der Finfluencer aufmerksam zu beobachten und sich damit auseinanderzusetzen. Bevor der BVK einem Finfluencer „eins auf die Mütze gibt“, wird er sicher den Einzelfall individuell daraufhin prüfen müssen, ob eine (unzulässige) Vermittlung vorliegt. Auch gibt es größere Aufgaben für den selbst ernannten „größten“ Maklerverband. Zum Thema Unabhängigkeit des Maklers hat es noch keine Fachtagung gegeben. Der sinnvollste Beitrag zum Thema Finfluencer in der anschließenden Podiumsdiskussion kam übrigens vom Vertriebsvorstand der ALH Gruppe: Finfluencer nicht bekämpfen, sondern Vermittlern zeigen, wie sie damit umgehen.
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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2025 und in unserem ePaper.

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