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16. Dezember 2019
So vermeiden Vermittler Haftungsrisiken bei Vermögensanlagen

So vermeiden Vermittler Haftungsrisiken bei Vermögensanlagen

Anlageskandale führen nicht selten dazu, dass Kapitalanlagevermittler wegen angeblicher Fehlaufklärung von ihren Kunden in Anspruch genommen werden. Durch eine detaillierte Produktaufklärung im Vorfeld der Zeichnung können Vermittler ihr Haftungsrisiko vermeiden, sagt Jan Barufke, Rechtsanwalt der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Gündel & Katzorke Rechtsanwalts GmbH.

Die aktuellen Anlageskandale der Firmen PIM Gold und P&R machen Kapitalanlagevermittlern und Beratern zu schaffen. Wie bei anderen Fondsinsolvenzen werden auch in diesen Fällen die Vermittler wieder mit vermeintlichen Schadensersatzansprüchen ihrer Kunden konfrontiert werden – obwohl ein wirtschaftlicher Schaden primär aufgrund unredlichen Handelns Dritter, nämlich der Fondsverantwortlichen, entstanden sein dürfte. Für die Abwehr gerichtlicher Inanspruchnahme sind die Vermittler gut gerüstet, die ihre Kunden insbesondere auch über den rechtlichen Rahmen ihrer Beteiligungen aufgeklärt haben.

Haftungsrisiko der Vermittler

Scheitern Kapitalanlagen aufgrund einer (drohenden) Insolvenz des Emittenten und ist zu befürchten, dass die Initiatoren Gelder von Anlegern rechtswidrig beiseite geschafft haben, entspringt das abstrakte Haftungsrisiko der Vermittler zunächst einmal rein faktischen Gegebenheiten. Erstens dauern Insolvenzverfahren meist mehrere Jahre. Zweitens ist meist nur ein Bruchteil des Kapitals im Insolvenzverfahren herauszuholen. Drittens kann davon ausgegangen werden, dass die Anleger selbst bei juristisch erfolgreicher Beschreitung des Rechtsweges selten finanzielle Befriedigung erhalten. Somit bleibt den Anlegern der generell denkbare Weg, ihre Vermittler oder Berater wegen (angeblich) fehlerhafter Aufklärung in Anspruch zu nehmen, insbesondere in Bezug auf eine ausreichende Risikoaufklärung.

Aufklärungspflichten

Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung sind Anlageberater und -vermittler verpflichtet, dem Anlageinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein vollständiges und zutreffendes Bild einschließlich aller mit der speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zu vermitteln. Dabei muss sich die Aufklärung auf die Eigenschaften des Anlageobjekts beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGH III ZR 83/06, Urt. v. 12.07.2007). Der Vermittler hat somit auch über die rechtlichen Besonderheiten der Vermögensanlage zu informieren. Über das Verlustrisiko bis hin zum Totalverlust informiert der Anbieter der Kapitalanlage regelmäßig schon im Zeichnungsschein. Derartige schriftliche Risikohinweise dürfen von Vermittlern nicht konterkariert oder abgeschwächt werden.

Abgesehen vom Hinweis auf das Totalverlustrisiko kann sich die Aufklärung im Einzelnen aber komplizierter gestalten. Insoweit kommt es auf die konkrete Anlageform an. Im Fall von P&R werden Vermittler etwa mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätten erkennen müssen, dass der einzelne Anleger gar kein Eigentum an den Containern erwerbe. Ein Landgericht gelangte bisher jedoch zu der Rechtsauffassung, dass ein Vermittler eine derartige Aufklärung nicht leisten musste, weil dies eine komplizierte sachenrechtliche Prüfung erfordert hätte, die von ihm aber nicht geschuldet gewesen sei.

Aufklärung über rechtliche Einzelheiten der Kapitalanlage

Nicht immer aber ist die Rechtslage derart kompliziert. Im Regelfall kann vom Vermittler daher verlangt werden, die rechtlichen Besonderheiten der Kapitalanlage seinen Kunden zu erläutern. Helfen kann nicht nur ein Blick in Produktinformationsblätter des Anbieters. Auch die einzelnen Vertragsbedingungen sollte der Vermittler unbedingt unter die Lupe nehmen. Insbesondere die folgenden rechtlichen Besonderheiten sollten Vermittler von Vermögensanlagen kennen und ihre Kunden darüber vor Zeichnung informieren:

Nachrangklauseln

Auch wenn vonseiten mancher Anlegerschützer immer wieder verbreitet wird, dass Nachrangabreden bei Nachrangdarlehen AGB-rechtlich unwirksam seien, hat der BGH grundsätzlich Gegenteiliges bestätigt, soweit die Vertragsbedingungen bestimmte Voraussetzungen der Transparenz erfüllen (BGH IX ZR 143/17, Urt. v. 06.12.2018). Ist die vereinbarte Nachrangabrede wirksam, kann dies für den Anleger weitreichende Konsequenzen haben. Nachrangdarlehensbedingungen sehen regelmäßig die Rückzahlung des Darlehens nach Vertragsende vor. Die Rückzahlung ist aber ausgeschlossen „solange und soweit“ Zahlungen an die Kunden einen Insolvenzeröffnungsgrund aufseiten des Emittenten hervorrufen würden. Das bedeutet rein praktisch, dass der Kunde nach Vertragsende unter Umständen auf die Rückzahlung seines Kapitals warten muss. Ein solcher Zeitraum kann sich auch über Jahre erstrecken. Das sollte dem Kunden bewusst gemacht werden. Ähnliche Risiken ergeben sich regelmäßig bei Namensschuldverschreibungen und Genussrechten.

Zins- und Dividendenvorbehalte

Lobt ein Anbieter seinen Anlegern in Werbeunterlagen plakativ einen jährlichen Zins in bestimmter Höhe aus, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine Zinszahlung auch vorbehaltlos geschuldet ist. Zinsvorbehalte, insbesondere Zahlungsvorbehalte, sind bei Nachrangdarlehen, stillen Beteiligungen, Genussrechten, Namensschuldverschreibungen und Kommanditbeteiligungen absolut üblich. Die Praxis zeigt, dass Kapitalanlegern derartige Vorbehalte häufig bei Zeichnung nicht bewusst sind, weil sie im Vorfeld lediglich Hinweise auf einen Zinssatz als solchen bekommen haben. Der Vermittler muss aber sicherstellen, dass seinen Kunden nicht nur der vorgegebene Zinssatz zur Kenntnis gelangt, sondern auch die Bedingungen, unter denen der Zins zur Auszahlung gelangt.

Beispiel Fälligkeitsregelungen

Wirtschaftlich bedeutsame Vertragsmodalitäten stellen auch Fälligkeitsregelungen dar, insbesondere soweit sie die Rückzahlung des investierten Kapitals betreffen. Der Vermittler sollte hier im Vorfeld einer Vermittlung anhand der einzelnen Vertragsbedingungen verdeutlichen, wann sein Kunde über angelegtes Kapital wieder verfügen kann. Die Kapitalbindung ist natur­gemäß für jeden Anleger, unabhängig von seiner Risikobereitschaft, von essenzieller Bedeutung. Plakativ stellen Initiatoren häufig auf eine Rückzahlung nach Vertragsende ab. Die Vertragsbedingungen offenbaren dann aber, dass „nach Vertragsende“ einen weiten Zeitraum umfassen kann. Teilweise können nach Vertragsende viele Monate, bisweilen sogar weit mehr als ein Jahr, vergehen, bis dem Anleger die Höhe seines Rückzahlungsanspruchs mitgeteilt und die Auszahlung veranlasst werden. Der Vermittler, der seinen Kunden über diese „besondere Kapitalbindung“ über die Vertragslaufzeit hinaus nicht aufgeklärt hat, läuft Gefahr, vom ungeduldigen Kunden direkt in Anspruch genommen zu werden.

Beispiel Verlustteilnahmeklauseln

Die Möglichkeit der Verlustteilnahme hat für den Anleger natürlich typischerweise eigenständigen Charakter und ist nicht vorrangig an der erwähnten Fälligkeit der Rückzahlung zu messen. Der Vermittler sollte also im Vorfeld einer Zeichnung den Kunden genauestens informieren, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine Rückzahlung von weniger als 100% der Investition zu befürchten sein könnte. Bei stillen Beteiligungen und Genussrechten nimmt das Anlegerkapital bedingungsgemäß meist direkt an etwaigen Verlusten des Emittenten teil. Für den Vermittler heißt dies, dass er dem Kunden zumindest klarmachen sollte, dass der Kunde Verluste macht, wenn der Emittent Verluste macht.

Fazit

Für Vermittler ist es unerlässlich, ihre Kunden im Rahmen der Vermittlung einer Vermögensanlage insbesondere über deren rechtliche Ausgestaltung im Einzelnen zu informieren. Vermittler sollten daher sorgfältig prüfen, zu welchen Vertragsbedingungen sich ihre Kunden im Einzelfall beteiligen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Vermittler nicht wegen unredlicher Geschäfte von Fondsverantwortlichen am Ende selbst unter juristischen Druck geraten. Die gerichtliche Praxis zeigt nachdrücklich, dass Vermittler nach entsprechenden Anlageskandalen häufig mit Vorwürfen konfrontiert werden, über diese oder jene Besonderheiten von Beteiligungsbedingungen nicht informiert zu haben.

Bild: © Wilm Ihlenfeld – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2019, Seite 142 f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Jan Barufke