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Steuern & Recht
13. März 2020
Staat haftet, obwohl er gar nicht zuständig war

Staat haftet, obwohl er gar nicht zuständig war

Ein Polizeiarzt hat einem Beamten, der im privaten Umfeld einen Unfall erlitten hatte, eine fehlerhafte Bescheinigung ausgestellt. Für diese Verfehlung muss nun der Dienstherr des Arztes, die Bundesrepublik, haften – unerheblich ob der Arzt verpflichtet war, die Bescheinigung auszustellen oder nicht.

Wenn ein Arzt einen Fehler macht, kann das Vertrauensverhältnis zu seinem Patienten anschließend zerrüttet sein. Wenn ein Polizeiarzt nicht die nötige Sorgfalt an den Tag legt, kann die Einsatzfähigkeit der Sicherheitsbehörden leiden. Aber was ist, wenn ein Polizeiarzt einem Beamten eine Bescheinigung für einen Unfall ausstellt, der der privaten Sphäre des Mannes zuzuordnen ist, und dabei einen schwerwiegenden Fehler begeht? Dann kann so ein Fall auch mal bis zur obersten Gerichtsbarkeit durchgefochten werden.

Polizist erleidet schwere Verletzungen an beiden Armen

Ein Beamter der Bundespolizei hatte bei einem Motorradunfall Knochenbrüche an beiden Unterarmen erlitten, die seine Einsatzfähigkeit infrage stellten. Im Zuge dessen übersandte seine private Unfallversicherung dem Mann ein Blankoformular, welches mit der Überschrift „Ärztliche Bescheinigung zur Begründung eines Invaliditätsanspruchs“ überschrieben war.

Polizeiarzt vergisst Verletzungen am rechten Arm

Dieses Formular leitete der Polizist an den Polizeiarzt auf seiner Dienststelle weiter. Dieser vermerkte die Verletzungen, die der Mann an seinem linken Arm zu beklagen hatte, aber ließ die Verletzungen am rechten Unterarm außen vor. Aus diesem Grund zahlte die private Unfallversicherung nicht für die Verletzungen am rechten Arm, sondern kam nur für die Beeinträchtigungen am linken Arm auf.

Klage gegen Bundesrepublik

Der Polizist klagte daraufhin gegen die Bundesrepublik Deutschland und forderte Schadensersatz für die ihm entgangenen Versicherungsleistungen in Höhe von circa 34.000 Euro ein.

Prozessverlauf

Sowohl vor dem Landgericht Göttingen als auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig bekam der Kläger recht. Laut Ansicht des OLG Braunschweig hat der Polizist einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Der Arzt habe das Formular für die private Unfallversicherung im Rahmen seines öffentlichen Amtes ausgefüllt.

Zuständigkeit grundsätzlich fraglich

Ob der Arzt jedoch überhaupt verpflichtet war, das Formular auszufüllen, bleibt fraglich. Da er die Aufgabe jedoch übernommen habe, sei er dazu verpflichtet, seine Einträge vollständig, sorgfältig und wahrheitsgemäß vorzunehmen, merkt das Gericht an. Auch sei dem Polizeiarzt bewusst gewesen, dass der rechte Arm des Polizisten dauerhaft geschädigt war. Aus diesem Grund sei die unterlassene Aufführung der Verletzungen des rechten Arms fahrlässig erfolgt.

Bundesgerichtshof muss den Fall abschließend klären

Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen den Beschluss Rechtsmittel eingelegt, weshalb nun der Bundesgerichtshof angehalten ist, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. (tku)

OLG Braunschweig, Beschluss vom 18.12.2019, Az.: 11 U 85/18

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