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12. Mai 2020
Stornohaftung von Vermittlern in Zeiten der Corona-Krise

Stornohaftung von Vermittlern in Zeiten der Corona-Krise

In der Corona-Krise sind Versicherungsnehmer teilweise gezwungen, ihre Versicherungsverträge zu kündigen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Die daraus resultierenden Courtage- und Provisionsrückforderungen können für Vermittler eine große finanzielle Herausforderung darstellen. Jens Reichow, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow, erklärt, welche Maßnahmen Makler und Vertreter ergreifen können, um den Schaden zu begrenzen.

Einige Versicherungsvermittler trifft die Corona-Krise doppelt schwer. Aufgrund des Aufrufs zur allgemeinen Kontaktvermeidung sind persönliche Beratungsgespräche kaum noch möglich bzw. von Kunden gewünscht. Dies und die sich ergebenden Unsicherheiten über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und deren Dauer führen bei vielen Vermittlern zu einem erheblichen Einbruch des Neugeschäftes. Hierunter leiden vor allem im Lebens- und Krankenversicherungsbereich aktive Vermittler, die oftmals auf Neugeschäft angewiesen sind.

Versicherte wollen Versicherungsprämien sparen

Hinzu kommt, dass viele Unternehmen in der Corona-Krise erheblichen finanziellen Schaden nehmen. Einige von ihnen werden diese Krise nicht überstehen oder aber nur mit harten finanziellen Sparmaßnahmen überleben können. Außerdem sind viele Arbeitnehmer aktuell von Kurzarbeit betroffen, weswegen auch hier der Gürtel enger geschnallt werden muss. Der Wunsch, Versicherungsprämien einzusparen, um die eigene Liquidität aufrechtzuerhalten, ist daher bei vielen Versicherungsnehmern verbreitet. Versicherungsvermittler fürchten daher Kündigungen der von ihnen vermittelten Versicherungsverträge und daraus resultierende Provisions- und Courtagerückforderungen der Versicherer. Die Chancen, sich gegen solche Rückforderungen unverdienter Vergütungsvorschüsse zu wehren, sind je nach Vermittlerstatus – Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler – unterschiedlich.

Versicherungsvertreter sind im Vorteil

Vergleichsweise gute Chancen, sich gegen Provisionsrückforderungen zu wehren, haben Versicherungsvertreter. Diese sind regelmäßig als Handelsvertreter für den bzw. die Versicherer tätig, sodass neben den Regelungen des individuellen Handelsvertretervertrages auch die gesetzlichen Regelungen der­ §§ 84 ff. HGB anzuwenden sind. Gerade § 87a Abs. 3 HGB schützt viele Versicherungsvertreter, da dieser dem Versicherer im Stornofall Nachbearbeitungsverpflichtungen auferlegt.

Stornogefahrmitteilung muss zeitnah erfolgen

Die Nachbearbeitungsverpflichtungen kann der Versicherer entweder durch eigene Maßnahmen oder aber durch die Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter erfüllen (BGH, Urteil vom 25.05.2005, Az.: VIII ZR 237/04). Wichtig ist dabei allerdings, dass diese Maßnahmen nach der Kündigung durch den Versicherungsnehmer oder dessen Einstellung der Prämienzahlung so zeitnah erfolgen, dass tatsächlich ergriffene Stornobekämpfungsmaßnahmen noch Aussicht auf Erfolg haben.

Auch Versicherer selbst sind von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen. Es bleibt abzuwarten, ob interne Abläufe wie beispielsweise die Stornobekämpfung auch in diesen angespannten Zeiten funktionieren, wenn auch bei Versicherungsgesellschaften viele Mitarbeiter im Home-Office oder überhaupt nicht arbeiten. Versicherungsvertreter sollten daher im Stornofall genau prüfen, ob und welche Maßnahmen der Versicherer zur Stornoabwehr ergriffen hat.

Stornobekämpfung ist gerade in der Corona-Krise nicht aussichtslos

Versicherungsvertreter sollten sich auch nicht damit vertrösten lassen, dass eine Stornobekämpfung von Anfang an aussichtslos und damit entbehrlich gewesen sei. Zwar sind in der Rechtsprechung durchaus Fälle anerkannt, in denen es keiner Nachbearbeitung bedarf, da diese ersichtlich nicht zum Erfolg hätte führen können, allerdings handelt es sich hierbei um absolute Ausnahmefälle. Diese zu verallgemeinern, verbietet sich gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise.

Stundung der Versicherungsprämie als Ausweg

Aufgrund der äußeren Umstände, die durch die Corona-Krise hervorgerufen werden, ist es für jeden Versicherer ersichtlich, dass Versicherungsnehmer ihre bestehenden Versicherungen kündigen, nicht weil sie generell damit unzufrieden wären, sondern weil sie in der gegenwärtigen finanziell angespannten Situation einen Liquiditätsengpass überbrücken müssen. Viele Stornierungen könnten daher abgewendet werden, wenn man dem Versicherungsnehmer Möglichkeiten eröffnet, die Versicherung fortzuführen – beispielsweise durch Stundung der Versicherungsprämie.

Bedeutung des lückenlosen Schutzes vermitteln

Für viele Versicherungsnehmer sind die finanziellen Engpässe infolge der Corona-Krise temporär. Die Nachteile, die durch den Wegfall des Versicherungsschutzes entstünden, wären indes oftmals dauerhaft. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund eines zeitlich lückenlosen Versicherungsschutzes, sondern auch weil ein in der Corona-Krise aufgegebener Versicherungsschutz danach nicht ohne Weiteres wiedererlangt werden kann (beispielsweise wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes). Versicherer sind daher gehalten, Lösungen für solche Versicherungsnehmer zu finden und diese als Kunden zu behalten. Damit würde dann auch die Stornierung des vom Versicherungsvertreter vermittelten Vertrages abgewendet werden.

Versicherungsmakler sind kaum geschützt

Anders sieht die rechtliche Situation bei Versicherungsmaklern aus. Diese sind regelmäßig weder durch vertragliche Vereinbarungen der Courtagezusage noch durch gesetzliche Regelungen geschützt. Die für Handelsvertreter geltende Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB ist für sie regelmäßig nicht anwendbar.

Nachbearbeitungsmaßnahmen des Versicherers prüfen

Aber auch Versicherungsmakler haben Möglichkeiten, sich gegen Courtagerückforderungen im Stornofall zu wehren. Nachbearbeitungsverpflichtungen des Versicherers können nämlich nicht nur schriftlich im Rahmen der Courtagezusage vereinbart werden, sondern eben auch mündlich oder konkludent, also durch schlüssiges Handeln. Ein Indiz dafür, dass eine solche Vereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden ist, ist das Versenden von Stornogefahrmitteilungen in der Vergangenheit, so urteilte jedenfalls das OLG Düsseldorf 2016 (Az.: I-16 U 187/14). Sollte es also aktuell zu Courtagerückforderungen der Versicherer kommen, so sind Versicherungsmakler gut beraten, einmal einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und zu prüfen, ob der Versicherer in der Vergangenheit Nachbearbeitungsmaßnahmen ergriffen hat. Ist dies der Fall, so bestehen durchaus Chancen, dass auch der Versicherungsmakler solche in aktuellen Stornofällen einfordern kann.

Fazit

In den letzten Jahren hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung herausgebildet, die es Versicherungsvermittlern, gleich ob Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler, durchaus ermöglicht, sich gegen Rückforderungen des Versicherers wegen unverdienter Vergütungen zur Wehr zu setzen. Es kann sich daher durchaus empfehlen, Forderungen einzelner Versicherer einer anwaltlichen Überprüfung zuzuführen.

Bild: © klavdiyav - stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2020, S. 106 f., und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Jens Reichow