Die Segelsaison neigt sich dem Ende zu, und viele Schiffsbesitzer bringen ihre Yacht ins Winterlager – in der festen Erwartung, dass ihr Schiff dort sicher verwahrt wird. Zu Recht, wie das Landgericht (LG) Hamburg bestätigt. Denn eine pauschale Überwälzung sämtlicher Risiken auf den Eigner in den AGBs ist vor Gericht nicht wirksam. Vielmehr trifft den Lagerhalter die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns.
Sturm hebt Yacht vom Lagerbock
In dem Fall machte ein Yachtkaskoversicherer die Betreiberin eines Winterlagers für Yachten schadensersatzpflichtig, nachdem eine Segelyacht bei einem Sturm beschädigt wurde. Der Eigner hatte einen Mietvertrag über einen Außenlagerplatz auf dem Gelände der Beklagten abgeschlossen. In den AGBs war geregelt, dass die Betreiberin nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit hafte; das Einlagerungsrisiko trage der Mieter selbst. Den Eignern wurde empfohlen, eine ausreichende Kaskoversicherung abzuschließen.
Die Yacht war auf einem Lagerbock auf dem asphaltierten Hof abgestellt. Ein dahinterliegendes Gebäude bot einen gewissen Windschutz. Bei einem Sturm mit schweren Orkanböen drehte sich die Yacht über ihr Heck aus dem Bock. Die dabei entstehenden Hebelkräfte führten dazu, dass der Lagerbock an einer Schweißnaht brach. Die Yacht kippte um und beschädigte beim Umstürzen drei weitere Boote, die daneben gelagert waren.
Zum Umfang der Schäden wurden entsprechende Gutachten erstellt. Der Eigner informierte seine Versicherungsmaklerin über seine Einschätzung der Schadensursache. Daraufhin erfolgte die Abrechnung des Schadens durch die Maklerin, die eine policenmäßige Entschädigung für die Gesamtreparaturkosten in Höhe von 50.426,35 Euro abzüglich einer Selbstbeteiligung von 500 Euro zahlte. Am Ende belief sich der Streitwert auf über 52.000 Euro.
Regressforderung des Yachtversicherers
Der Yachtversicherer forderte die Betreiberin des Winterlagers im Rahmen eines Regresses zur Zahlung auf. Er argumentierte, dass die Yacht eigenverantwortlich zum Lagerbock verbracht worden sei, der bereits Haarrisse, Materialbruch und Korrosionsspuren aufwies. Zudem sei der Bock mit nur vier Stützen unterdimensioniert, zusätzliche Sicherungen fehlten, und die Boote standen zu dicht, was den Domino-Effekt ausgelöst habe. Der Versicherer wertete das Vertragsverhältnis als Lagervertrag, bei dem die Beklagte aufgrund der Vorschädigung des Bocks und der Unterdimensionierung haftbar sei. Abweichende AGB-Klauseln seien unwirksam.
Gegenargumente der Betreiberin
Die Vermieterin des Lagerplatze hielt dagegen: Der Lagerbock sei ausreichend dimensioniert gewesen und die Abstände zwischen den Yachten hätten ausgereicht. Eine Vorschädigung des Bocks bestreitet sie mit Nichtwissen. Etwaige Schäden hätten bei der üblichen Sicht- und Klangprüfung nicht erkannt oder bei Vertragsschluss nicht bestanden, sondern seien allenfalls durch frühere Orkanereignisse zwischen dem 21.10.2021 und 17.02.2022 entstanden. Auch der Kontrollgang ihres Mitarbeiters während der Orkanwarnung habe keinerlei Hinweise auf eine Schwächung oder ein drohendes Auseinanderbrechen des Lagerbocks ergeben.
Ein Lagervertrag mit Obhutspflichten der Betreiberin
Das Gericht entschied, dass die Beklagte als Lagerhalterin für die Beschädigung der Segelyacht haftet. Der „Mietvertrag über einen Winterlagerplatz“ ist nach Gesamtwürdigung als Lagervertrag zu qualifizieren, sodass Mietrecht keine Anwendung findet. Als Lagerhalterin schuldet die Beklagte die ordnungsgemäße Aufbewahrung des eingelagerten Gutes und übernimmt damit Obhutspflichten über die bloße Bereitstellung der Fläche hinaus. Die Benennung als „Mietvertrag“ ändert nichts am rechtlichen Inhalt; wesentliche Abweichungen vom Haftungsregime des Lagervertrags in den AGB sind unwirksam.
Gemäß § 475 Abs. 1 HGB haftet der Lagerhalter für Schäden, die während der Lagerung entstehen, es sei denn, sie lassen sich trotz der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht vermeiden. Die Segelyacht wurde unbeschädigt übergeben und während des vereinbarten Lagerzeitraums beschädigt. Die Beklagte trägt die volle Beweislast, dass die Schäden nicht von ihr zu verantworten sind – Nachweise über die Unmöglichkeit der Schadenvermeidung oder die Unschuld der Erfüllungsgehilfen wurden nicht erbracht.
Das Gericht erkannte eine schadensursächliche Pflichtverletzung der Beklagten an. Ob der Lagerbock bereits Vorschäden oder eine unzureichende Dimensionierung aufwies, spielte keine Rolle; die Zeugenaussagen bestätigten keine erkennbaren Mängel. Die Beklagte wurde daher zur Zahlung von 52.853,14 Euro zuzüglich Zinsen verurteilt. (bh)
LG Hamburg, Urteil vom 08.08.2025 – Az: 417 HKO 47/23
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können