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28. April 2020
Sturz mit Mountainbike: Wieviel Mitschuld trifft den Fahrer?

Sturz mit Mountainbike: Wieviel Mitschuld trifft den Fahrer?

Ein Mountainbiker, der zu spät vor einem über einen Feldweg gespannten Stacheldraht bremst, hat grundsätzlich keine Mitschuld an seinem dadurch verursachten Unfall. Dies hat der BGH nach Jahren zäher Verhandlungen eines jetzt Querschnittsgelähmten entschieden. Eine Teilmitschuld kann aber nicht ausgeschlossen werden.

Der Bundesgerichtshof hat in einem folgenschweren Fall höchstrichterlich entschieden. Demnach kann ein seit seinem Mountainbikeunfall querschnittsgelähmter ehemaliger Bundeswehroffizier auf Schadensersatz hoffen. Streitig bleibt jedoch weiterhin, ob eine prozentuale Mitschuld des Radfahrer bewiesen werden kann.

Dieser sowie die Bundesrepublik Deutschland als sein Dienstherr werfen der Gemeinde sowie zwei Jagdpächtern vor, ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben und verlangen Schadensersatz wegen eines Unfalls.

Jagdpächter und Gemeinde verletzten Verkehrssicherungspflicht

Der Geschädigte war bei einer Radtour über Stacheldrähte gestürzt, die über einen Feldweg gespannt waren und welche er zu spät erkannte. Es gelang ihm somit nicht, sein Mountainbike rechtzeitig vor der Absperrung zum Stehen zu bringen. Er stürzte kopfüber in das Hindernis. Dort blieb er mit seiner Kleidung hängen und konnte sich nicht mehr bewegen. Erst gute zwei Stunden später bemerkte ihn der zufällig vorbeikommende Jagdpächter, der Rettungsdienst und Polizei alarmierte.

Querschnittslähmung wegen Stacheldraht

Durch den Sturz erlitt der Kläger einen Bruch des Halswirbels und als Folge eine komplette Querschnittslähmung. Er ist seit dem Unfall dauerhaft hochgradig pflegebedürftig und bedarf lebenslang einer Weiterbehandlung mit kranken-, physio- und ergotherapeutischen Maßnahmen. Das Wehrdienstverhältnis endete einige Zeit nach seinem Unfall. Seitdem ist der Kläger Versorgungsempfänger. Er macht geltend, die Gemeinde als Eigentümerin des Feldweges und die Jagdpächter hätten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Die Absperrung sei erst aus einer Entfernung von höchstens acht Metern erkennbar gewesen.

BGH bezeichnet Hindernis als „tückisch“

Der BGH sieht eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung als gegeben an. Der Weg war für Radfahrer zugelassen. Somit sei ein quer darüber gespannter, nicht auffällig gekennzeichneter Stacheldraht auch im rechtlichen Sinne verkehrswidrig. Ein solches Hindernis sei angesichts seiner schweren Erkennbarkeit objektiv geradezu als tückisch anzusehen. Ein Radfahrer müsse damit nicht rechnen.

Die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast sowie die Jagdpächter sind somit haftbar zu machen. Der Kläger selbst habe laut BGH auch nicht gegen das Sichtfahrverbot verstoßen. Dieses Gebot verlangt, dass der Fahrer vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet, anhalten kann.

Klickpedale ausschlaggebend für Mitschuld?

Den einzigen Umstand, den der BGH als Grund für ein Mitverschulden sehen könnte, ist, dass der Radfahrer auf dem unbefestigten und unebenen Feldweg statt der „normalen“ Fahrradpedale sogenannte Klickpedale nutzte. Dies könnte allerdings einen Mitverschuldensvorwurf von allenfalls 25 % rechtfertigen. Dazu bedürfe es jedoch weiterer Feststellungen. Der BGH hat daher das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Entscheidung über Schmerzensgeld und Krankheitskosten steht noch aus

Der Kläger verlangt außerdem Schmerzensgeld von mindestens 500.000 Euro sowie den Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind. Die Bundesrepublik Deutschland verlangt Ersatz der Ausgleichszahlungen und der gezahlten Versorgungsbezüge gemäß Soldatenversorgungsgesetz sowie weitere Krankheitskosten in Höhe von guten 500.000 Euro. Außerdem verlangt sie Ersatz bezüglich aller zukünftigen materiellen Schäden, soweit die Ansprüche auf sie übergehen. (tos)

BGH, Urteile vom 23.04.2020, Az.: III ZR 250/17 und III ZR 251/17

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