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30. Oktober 2025
Treuwidriges Verhalten verhindert Anspruch auf BU-Leistung
Treuwidriges Verhalten verhindert Anspruch auf BU-Leistung

Treuwidriges Verhalten verhindert Anspruch auf BU-Leistung

Der BGH hat im Oktober 2024 die Beschwerde eines Versicherungsnehmers abgewiesen, der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung einklagen wollte. Welche Rolle dabei die Zehnjahresfrist für eine Anfechtung sowie das Vorliegen einer arglistigen Täuschung spielte, erläutert Rechtsexperte Dr. Frank Baumann.

Ein Beitrag von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Kanzlei Hoppenberg

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch Beschluss vom 23.10.2024 (IV ZR 229/23) eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, mit deren Hilfe ein Versicherungsnehmer ein die Berufung zurückweisendes Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11.10.2023 (Az: 11 U 316/21) angreifen wollte. Die Details im Einzelnen:

Der Kläger hatte bei dem Versicherer im August 2008 den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragt und trotz insoweit eindeutig gestellter Fragen verschwiegen, dass er im Jahr 2005 sowie im August 2008 unmittelbar vor Beantragung des Versicherungsschutzes wegen psychischer Erkrankungen (u. a. Depressionen) behandelt worden war. Der Versicherungsvertrag wurde entsprechend dem beantragten Versicherungsschutz abgeschlossen. Im September 2018 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und behauptete hierzu, aufgrund verschiedener psychischer Erkrankungen berufsunfähig geworden zu sein.

Versicherer lehnt Antrag ab

Der Versicherer lehnte den Leistungsantrag des Klägers ab. Er vertrat die Auffassung, ihm stehe gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Schadensersatzanspruch in Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung zu, da dieser seine vorvertragliche Anzeigepflicht in einem ganz ungewöhnlich schweren Maße verletzt habe. Dabei sei der Kläger auch zielgerichtet vorgegangen, um den Ablauf der Frist von zehn Jahren für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu umgehen. Er habe auf diese Art und Weise vorsätzlich und sittenwidrig versucht, den Versicherer zu täuschen, um ihn um seine gesetzlichen Rechte zu bringen. Darüber hinaus wendete der Versicherer im Hinblick auf diese Umstände ein treuwidriges Verhalten ein.

Behandlung entscheidend, nicht Selbsteinschätzung

Dieser rechtlichen Bewertung schloss sich das Landgericht Göttingen mit Urteil vom 12.10.2021 an und wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht Braunschweig schloss sich dieser Entscheidung im Ergebnis an und vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, eine Depression sei in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein offensichtlich gefahr- erheblicher Umstand. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherungsnehmer selbst glaubt, an einer Depression zu leiden, solange er sich im abgefragten Zeitraum mehrfach wegen psychischer Erkrankungen in ärztliche Behandlung begibt.

Treuwidriges Verhalten ist ausschlaggebend

Das Oberlandesgericht Braunschweig betont, dass der Kläger bei Beantragung des Versicherungsschutzes arglistig gehandelt habe. Er habe sich mehrfach wegen akuter von ihm auch als schwerwiegend empfundener psychischer Probleme in einer psychiatrischen Institutsambulanz, zuletzt sogar unmittelbar vor Beantragung des streitgegenständlichen Versicherungsantrags, vorgestellt. Der verklagte Versicherer habe wegen Ablaufs der zehnjährigen Anfechtungsfrist (§ 124 Abs. 3 BGB) nicht mehr wegen arglistiger Täuschung anfechten können, doch sei im vorliegenden Fall von einem treuwidrigen Verhalten des Klägers auszugehen. Denn dieser habe exakt zehn Jahre und drei Tage nach Beginn des Versicherungsvertrags den von ihm behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit angezeigt, obwohl diese nach eigenem Vortrag bereits viel früher eingetreten sei. Dies sei anders als durch ein treuwidriges Verhalten nicht zu erklären, zumal der Kläger aufgrund seiner beklagten Beschwerden bereits im Jahre 2017 in den Ruhestand versetzt worden sei. Er sei sich deshalb seiner Erkrankung bewusst gewesen.

Frage nach Sittenwidrigkeit bleibt offen

Anders als das Landgericht Göttingen hat das Oberlandesgericht Braunschweig die Frage offengelassen, ob das Verhalten des Klägers auch sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sei. Es lässt sich aber festhalten, dass der arglistig Täuschende den Versicherer nicht durch Umgehung der zehnjährigen Anfechtungsfrist zu einer Leistung aus dem Versicherungsvertrag zwingen kann, obwohl vor Ablauf der zehnjährigen Anfechtungsfrist eine Anfechtung möglich gewesen wäre. Allerdings wird sich der Versicherer in vergleichbaren Fällen nicht stets auf ein treuwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers stützen können, wenn die Zehnjahresfrist abgelaufen ist. Vielmehr ist, wie das Oberlandesgericht Braunschweig betont, eine umfassende Abwägung aller einzelnen Umstände vorzunehmen.

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Dr. Frank Baumann