Die Besetzung von Ausbildungsstellen war in den vergangenen Jahren eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen der Versicherungsbranche. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erhöhte sich die Übernahmequote von Auszubildenden in Deutschland insgesamt seit 2010 aber um 18 Prozentpunkte und stand 2024 mit 79% auf einem neuen Höchstwert. Zugleich nahm die Zahl der Ausbildungsabschlüsse im selben Zeitraum um 14% ab. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen im Jahr 2024 zwar leicht zurück, und zwar auf 33%, dies sei aber weiterhin ein sehr hohes Niveau.
Auszubildende im Finanz- und Versicherungswesen haben die besten Übernahmechancen
Interessant für die Branche: Einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge hatten neben weiteren Branchen Auszubildende im Finanz- und Versicherungswesen die besten Übernahmechancen. In diesem Bereich wurden fast neun von zehn Ausbildungsabsolvierenden übernommen. Ähnlich gut lief es für Auszubildende in den Bereichen Bergbau/Energie- und Wasserversorgung, Verkehr und Lagerei sowie in der öffentlichen Verwaltung. Die niedrigste Übernahmequote hatte die Land- und Forstwirtschaft mit 60%. Insgesamt lag die Übernahmequote 2024 in allen Branchen noch höher als zuvor.
Viele Ausbildungsplätze schwer zu besetzen
Doch auch das gehört dazu: Betrieben in Deutschland gelingt es weiterhin nur schwer, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Somit sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2024 auf 471.000. Diese Zahl liegt deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Krise. Der Anteil der ausbildungsberechtigten Betriebe lag 2024 bei 51%. Dieser zeigt seit Beginn der Corona-Krise kaum Veränderung. Von den ausbildungsberechtigten Betrieben beteiligten sich 56% an der Ausbildung. Der häufigste Grund, warum Betriebe nicht ausbilden: fehlendes Personal. „Dass offene Stellen oft unbesetzt bleiben, schränkt Betriebe dabei ein, Fachkräfte selbst auszubilden. Somit verstärkt der Fachkräftemangel heute den Fachkräftemangel von morgen“, sagt IAB-Forscherin Barbara Schwengler.
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen: Wie viele Stellen sind unbesetzt?
Doch wie sieht es in der Branche nun konkret aus? Dazu hat das IAB folgende Zahlen: Der Anteil der unbesetzten an allen angebotenen Ausbildungsplätzen beträgt 23% in der Branche. Die Zahl der beendeten Ausbildungen ging zwischen 2015 und 2024 durchschnittlich zurück, während die Übernahmequote im Schnitt etwas anstieg.
Ohne Schulabschluss? – Nicht im Finanz- und Versicherungswesen
Auch fällt laut IAB bei der Betrachtung nach Branchen auf, dass der Anteil von Betrieben, die Jugendliche ohne Schulabschluss grundsätzlich nicht berücksichtigen, tendenziell in Branchen besonders hoch ist, in denen es weniger Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen gebe. Dazu zählt der Studie nach auch das Finanz- und Versicherungswesen. In dieser Branche sowie in der öffentlichen Verwaltung muss zudem beachtet werden, dass es vergleichsweise wenige einfache Tätigkeiten gibt. Das IAB geht davon aus, dass diese Tatsache noch darüber hinaus die Bereitschaft und die Möglichkeiten der Betriebe einschränkt, junge Menschen ohne Schulabschluss einzustellen.
Das meinen Branchenexperten
Wie schätzen Branchenvertreter diese Entwicklungen ein? AssCompact hat bei zwei Branchevertretern angefragt, wie sie die Situation bewerten.
Für Thomas Billerbeck, Präsident des BDVM, heißt es bei der Fachkräftesicherung im Finanz- und Versicherungswesen: Qualität vor Quantität. „Die hohen Anforderungen bei den Versicherungsmaklern – von fundiertem Fachwissen über mathematisches Verständnis und einwandfreie schriftliche Ausdrucksfähigkeit bis hin zu empathischer Kommunikation und zunehmend auch Englischkenntnissen – machen es allerdings schwierig, Ausbildungsplätze mit Jugendlichen zu besetzen, die keinen Schulabschluss vorweisen können“, sagt er AssCompact. In einem Umfeld, in dem Verantwortung und Fachkompetenz entscheidend sind, stehe die Sicherung der Ausbildungsqualität an oberster Stelle. Die Branche bleibe daher ein verlässlicher, aber anspruchsvoller Ausbildungsort für engagierte junge Menschen, so Billerbeck.
Be- und Entlastung für Makler
Und er ergänzt: „Der derzeit vorhandene Fachkräftemangel bei Versicherern belastet die deutschen Versicherungsmakler, die in Teilen gleichartige Probleme haben. Jedoch dürften mittelfristig KI-Systeme eine Entlastung bringen, auch wenn ein bedeutender Teil der derzeitigen Mitarbeitenden in der Branche in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht.“
Weiterhin „zentrale Herausforderung“
Simone Rehbronn, Volkswirtin, verantwortlich für den Bereich Aus- und Weiterbildung beim Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e. V. (AGV), hat auf Basis der Ausbildungsumfrage von AGV und BWV folgende Einschätzung: „Die gemeinsame Ausbildungsumfrage von AGV und BWV macht deutlich: Die Gewinnung geeigneter Kandidat:innen für eine Ausbildung oder ein duales Studium bleibt eine zentrale Herausforderung – auch wenn sich die Lage leicht entspannt hat. Der Anteil der Unternehmen, die alle Ausbildungsplätze besetzen konnten, ist gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozentpunkte gestiegen und liegt nun bei 48%. In den Betrieben, denen dies nicht gelungen ist, blieben 7% der Ausbildungsplätze und 13% der Plätze für dual Studierende unbesetzt.
Bestehensquote: 97%
Und weiter: „Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse: Wer das Bewerbungsverfahren erfolgreich meistert, hat sehr gute Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss – und auf eine Übernahme. Im Prüfungsturnus 2024 lag die Bestehensquote bei 97%. Nahezu drei Viertel der erfolgreichen Absolvent:innen wurden im Innen- bzw. angestellten Außendienst der Unternehmen übernommen, weitere 12% fanden eine Anstellung im angestellten Außendienst von Agenturen.“
Ausbildungsengagement macht einen Unterschied
Die Versicherungswirtschaft stehe angesichts ihrer Altersstruktur besonders unter Druck, dem demografisch bedingten Fachkräftemangel frühzeitig entgegenzuwirken, so Rehbronn. Ein zentrales Instrument bleibe dabei das eigene Ausbildungsengagement. So ist die Zahl der Auszubildenden im Jahr 2024 um 7,5% gestiegen – von 10.600 im Vorjahr auf rund 11.400 (Quelle: AGV – Erhebung zur Entwicklung der Zahl der Arbeitnehmer). (lg)
Über die IAB-Studie
Die Studie beruht auf dem IAB-Betriebspanel, einer repräsentativen jährlichen Wiederholungsbefragung von rund 15.000 Betrieben aller Betriebsgrößen und Branchen. Die IAB-Studie ist hier abrufbar.
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