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27. Januar 2022
Unfall mit nicht verkehrssicherem Mietwagen: Schmerzensgeld

Unfall mit nicht verkehrssicherem Mietwagen: Schmerzensgeld

Ein Autovermieter, der einer Mieterin einen nicht verkehrssicheren Wagen zur Verfügung stellt, hat eine Kardinalpflicht verletzt und kann daher bei einem Unfall zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt werden. Eine entsprechende Entscheidung hat das OLG Frankfurt am Main jüngst gefällt.

Als gewerbliche Stammkundin hat eine Frau bei einer gewerblichen Autovermietung im Herbst 2010 für eine Woche ein Fahrzeug für eine Fahrt von Frankfurt nach Berlin und zurück gemietet. Gemäß Ziffer 8 der Mietvertragsbedingungen haftete die Autovermietung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Probleme während der Fahrt

Auf dem Hinweg nach Berlin informierte die Frau die Autovermietung, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug plötzlich ins Schleudern während die Frau versuchte, die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm. Ein Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Frau durch das Fenster und wurde abgetrennt. Eine Replantation des Armes war nicht möglich. Die Frau erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen.

Sie verlangte deshalb von der Autovermietung Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

OLG: Gemietetes Fahrzeug war mangelhaft

Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte beim OLG überwiegend Erfolg. Die Klägerin könne Schadensersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, stellte das OLG fest. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen.

Autovermietung hat Mangel nicht verschuldet, haftet aber trotzdem

Für diesen von der beklagten Autovermietung nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte sie aber trotzdem, führte das OLG weiter aus. Der Unfall sei durch den Mangel verursacht worden und die Autovermietung könne sich hier nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Kraft Gesetzes (§ 536 a Abs. 1 BGB) hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden.

Verletzung von Kardinalpflichten: Haftung kann nicht durch AGB ausgeschlossen werden

Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Dies gelte aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sogenannten Kardinalpflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu diesen Kardinalpflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Der Mieter würde unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters umfassen würde.

Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen. Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.

Laut OLG steht der Klägerin unter Berücksichtigung der hier vorliegenden prägenden Einzelfallumstände ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 160 Euro zu.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim BGH beantragen. (ad)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2021 – 2 U 28/21

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