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25. November 2019
Unterschätztes Risiko Naturgefahren

Unterschätztes Risiko Naturgefahren

Nach wie vor sind viele Wohngebäude hierzulande nicht ausreichend gegen Starkregen und Hochwasser versichert. Dabei bieten über 100 Gesellschaften eine Elementarschadenversicherung an. Doch warum verzichten so viele Eigenheimbesitzer auf eine solche Absicherung?

Gastbeitrag von Oliver Hauner, Leiter Sach- und technische Versicherung, Schadenverhütung und Statistik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)

Naturereignisse wie Starkregen oder Überschwemmungen haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Und immer häufiger sind Regionen betroffen, die bislang verschont geblieben sind. Insbesondere Orte abseits der historischen Überflutungsgebiete werden zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Fernab der Flussläufe unterspülen Sturzfluten ganze Straßenzüge und dringen in Häuser und Keller ein. Allein im Jahr 2018 haben Naturgefahren wie Sturm, Hagel, Blitz und Starkregen versicherte Schäden an Wohngebäuden, Hausrat, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft in Höhe von 2,6 Mrd. Euro verursacht. Zum Vergleich: Beim Juni-Hochwasser 2013 waren es 2 Mrd. Euro und beim August-Hochwasser 2002 sogar rund 4,3 Mrd. Euro.

Starkregen kann jeden Region treffen 

Vieles spricht dafür, dass wir uns leider an Bilder von überfluteten Ortschaften gewöhnen müssen. Meteorologen sagen für die Zukunft in Deutschland mehr Niederschläge voraus – verbunden mit häufigeren Starkregenereignissen, also extremen und lokal begrenzten Niederschlägen innerhalb weniger Stunden. Die Erklärung dafür ist relativ einfach: Infolge der Erderwärmung kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen. Zugleich verändert sich die Luftströmung in unseren Breiten, die Hochs und Tiefs bewegen sich langsamer. Das heißt: Gewitterzellen ziehen nicht mehr so schnell ab, sondern verharren länger über einer Region. Und während Hochwasser nur die flussnahen Gebiete betrifft, kann Starkreden jede Region treffen.

Selbst im flachen Gelände führen heftige Niederschläge mitunter zu hohen Schäden. Häufig ist die Kanalisation in den Städten den Regenmassen nicht gewachsen. Deshalb kommt es hier immer wieder zu Überflutungen und Stauwasser. Denn der Regen fließt üblicherweise oberirdisch ab. Kommen dann noch Hanglagen hinzu, strömt das Wasser immer schneller und die Zerstörungskraft wächst. Das macht Starkregen besonders für Gemeinden an kleinen Bächen, in engen Tälern oder Senken so gefährlich.

Verkannte Gefahren

Die unmittelbare mediale Aufmerksamkeit für Hochwasser- und Überschwemmungskatastrophen ist in der Regel groß, dennoch wird das Risiko von Naturgefahren noch immer unterschätzt. Oft bleibt den Menschen kaum Zeit, ihr Hab und Gut vor den Fluten zu schützen. Denn wo und wann ein Starkregen niedergeht, lässt sich nicht vorhersagen. Und oft stellen nach solchen Katastrophen viele Betroffene fest, dass ihre Schäden nicht versichert sind.

Denn die meisten Hausbesitzer haben nur eine Wohngebäudeversicherung, die neben Feuer und Leitungswasser nur vor Sturm, Hagel oder Blitzschlag schützt. Wer sein Haus auch gegen Hochwasser, Starkregen oder Erdrutsch absichern will, braucht zusätzlich den erweiterten Naturgefahrenschutz. Mit Versicherungsabschluss erhält der Kunde die Garantie, dass sein Haus auch nach Schäden durch Naturgefahren vom Versicherer zu den aktuellen Standards wieder aufgebaut wird.

Jeder zweite Hausbesitzer ohne Absicherung

Mehr als der Hälfte der Wohngebäudebesitzer in Deutschland fehlt jedoch diese Absicherung. Dabei kann nahezu jedes Gebäude unproblematisch versichert werden. Über 100 Versicherer bieten Versicherungsschutz an. Probleme bei der Versicherbarkeit sind die Ausnahme. Schwierigkeiten können dann vorkommen, wenn Präventionsmaßnahmen fehlen, es außergewöhnlich häufig zu Schäden kommt oder das zu versichernde Gebäude in einem schlechten baulichen Allgemeinzustand ist. Selbst bei diesen Einzelfällen lassen sich über Selbstbehalte oder Schutzmaßnahmen häufig bezahlbare Lösungen finden. Werden Häuser beschädigt oder zerstört, entstehen schnell Schäden von 100.000 Euro und mehr. Dies kann im Ernstfall existenzbedrohend sein.

Darauf vertrauen, dass der Staat im Notfall einspringt, sollte man eher nicht. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich 2017 darauf verständigt, die Vergabe von Hilfszahlungen künftig zu vereinheitlichen. Finanzielle Unterstützung sollen demnach nur noch diejenigen erhalten, die entweder keinen Versicherungsschutz bekommen konnten oder nur zu wirtschaftlich untragbaren Bedingungen. Das trifft auf die allerwenigsten zu. Hauseigentümer sind also gut beraten, sich gegen die Gefahren zu wappnen. Dazu gehört nicht nur ein umfassender Versicherungsschutz. Wichtig ist auch, Schwachstellen am Haus zu beheben. So sollten beispielsweise die Lichtschächte der Keller ummauert sein und wasserdichte Fenster verbaut werden, damit nicht schon bei kleineren Überflutungen Wasser ins Haus eindringt. Denn ist es erst einmal drin, können erhebliche Schäden an Mauerwerk, Heizung oder Elektrik entstehen.

Unterschätztes Risiko Naturgefahren
Zu viele Hausbesitzer verzichten auf den Versicherungsschutz

Rund 10 Millionen der insgesamt 17,5 Millionen Hausbesitzer in Deutschland sind nicht gegen Überschwemmungen durch Starkregen oder Hochwasser versichert. Laut einer repräsentativen GfK-Befragung gibt es drei zentrale Gründe, warum sie auf die Elementarschadenversicherung verzichten:

1. Persönliches Risiko unterschätzt

Eigenheimbesitzer fühlen sich von Feuer, Sturm und Hagel bedroht und nicht von Starkregen, dabei kann Starkregen mit Überschwemmungen überall auftreten.

2. Hausbesitzer sehen sich ausreichend versichert

Der Großteil der Befragten fühlt sich bereits ausreichend abgesichert. In den meisten Fällen hat sich dies aber als falsch herausgestellt. Vielen ist nicht bewusst, dass ihre Gebäudeversicherung zwar Schäden durch Feuer, Sturm oder Hagel abdeckt, nicht aber Schäden durch Starkregen oder Hochwasser.

3. Der Schutz wird für zu teuer gehalten

Die Mehrheit (51%) der Umfrageteilnehmer antwortet auf die Frage, warum sie keine Elementarschadenversicherung haben, sie sei zu teuer. Dabei kostet der notwendige Elementarschadenschutz für die meisten Hausbesitzer unter 100 Euro im Jahr.

Im Neugeschäft wird die Elementarschadenversicherung als optionaler Zusatzbaustein zur Wohngebäude-und Hausratversicherung angeboten. Immer mehr Versicherer bieten Hausrat- und Wohngebäudepolicen immer inklusive der Elementarschadenversicherung an. Hausbesitzer und Mieter, die den Naturgefahrenschutz nicht möchten, müssen die Elementarschadenversicherung aktiv abwählen. Der überwiegende Teil der Kunden entscheidet sich bei Neuverträgen für diesen Zusatzbaustein. Anders sieht es im Bestand aus. Denn insbesondere bei Verträgen, die zehn Jahre oder älter sind, ist der Schutz gegen Elementarschäden oft nicht enthalten. Kunden mit älteren Verträgen sollten gezielt über die Risiken von Naturgefahren aufgeklärt und auf die Lücke in ihrem Versicherungsschutz angesprochen werden.

Hausbesitzer, Kommunen und Versicherer gemeinsam

Neben Hausbesitzern und Versicherern sind vor allem auch die Kommunen gefordert. Städte und Gemeinden müssen die potenziellen Schäden durch Hochwasser, Starkregen, Kanalisationsrückstau oder Sturzfluten noch stärker in der Siedlungsentwicklung berücksichtigen und ihre Flächennutzungspläne und ihr Wassermanagement entsprechend anpassen. Nur wenn wir die Erkenntnisse aus Meteorologie und Klimaforschung konsequent in der Flächen- und Bauleitplanung berücksichtigen, schaffen wir es, die Auswirkungen von extremen Wetterphänomenen zu begrenzen sowie Menschen und Sachwerte zu schützen. Und das ist nicht nur eine Aufgabe von Bund und Ländern, sondern sie beginnt schon in den Kommunen und bei den Hausbesitzern.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 11/2019 auf Seite 54f. und in unserem ePaper.

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Bild oben: © nikkytok – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Oliver Hauner