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Steuern & Recht
5. April 2019
Urteil: Makler haften auch für nicht versicherbare Risiken

Urteil: Makler haften auch für nicht versicherbare Risiken

Ein Makler haftet auch für Schäden, die entstehen, wenn er einem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu einem Risiko zusagt, das gar nicht versicherbar ist. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden. Rechtsanwältin Angelika Römhild erklärt, warum und was dies für die Maklerpraxis bedeutet.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein Makler auch für Schäden haftet, die entstehen, wenn er einem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu einem Risiko zusagt, das gar nicht versicherbar ist.

Im vorliegenden Fall erkundigte sich der Kläger, der Inhaber eines Patentes ist, bei der beklagten Versicherungsmaklerin nach der Möglichkeit einer Patentrechtsschutzversicherung. Die Beklagte schlug ein Konzept vor, einen längerfristigen Maklerauftrag erteilte der Kläger nicht.

Rechtsschutzversicherung für Patentrechtsfall deckt Kundenwunsch nicht ab

Ein Jahr später stellte der Kläger mehrere konkrete Fragen an einen Mitarbeiter der Beklagten, unter anderem ob die Abwehr von Schutzrechtsnichtigkeitsklagen versichert sei. Dies wurde seitens des Mitarbeiters ausdrücklich zugesichert. Tatsächlich bestand im vorgesehenen Versicherungstarif für die Abwehr von Patentrechtsnichtigkeitsklagen kein Versicherungsschutz. Im Verlaufe des Verfahrens kam im Übrigen ein Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Abwehr von Schutzrechtsnichtigkeitsklagen in dem fraglichen Zeitraum auf dem deutschen Markt überhaupt nicht versicherbar war. Der Kläger schloss die von der Versicherungsmaklerin vorgeschlagene Rechtsschutzversicherung ab und erhielt alle zugrunde liegenden Bedingungen und Rahmenverträge, aus denen der Leistungsumfang der Versicherung hervorging. Darin wird eine Abwehrdeckung von Schutzrechtsnichtigkeitsklagen jedenfalls nicht ausdrücklich versprochen.

Fehlerhafte Beratung durch falsche Zusage?

Zu einem späteren, nicht näher genannten Zeitpunkt, wandte sich der Kläger gegen die P. Regenwassermanagement GmbH wegen einer von ihm behaupteten Verletzung seines Patentes und leitete ein gerichtliches Patentrechtsverletzungsverfahren gegen diese ein. Im Gegenzug strengte die P. Regenwassermanagement GmbH eine Nichtigkeitsklage gegen den Kläger vor dem Bundespatentgericht an. Nach Obsiegen des Klägers legte die Beklagte GmbH Rechtsmittel beim BGH ein. Das Kostenrisiko betrug rund 120.000 Euro. Im Januar 2014 teilte der Rechtsschutzversicherer mit, dass für die Abwehr der Nichtigkeitsklage kein Versicherungsschutz bestehe. Nachdem sich der Kläger an die Beklagte gewandt hatte, wies diese Schadensersatzansprüche des Klägers wegen angeblich fehlerhafter Beratung ohne weitere Begründung zurück.

In der zweiten Instanz wurde das Patentnichtigkeitsverfahren vergleichsweise beendet, wobei vereinbart wurde, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die entstandenen Kosten für den Kläger betrugen insgesamt 45.361,03 Euro.

Maklerin wird auf 42.000 Euro verklagt

Das Gericht sah einen Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Maklerin in Höhe von 42.861,03 Euro (abgezogen wurde der Selbstbehalt) als gegeben an. Der Kläger konnte das Gericht davon überzeugen, dass er die Rechtsschutzversicherung nicht abgeschlossen hätte, wenn er nicht davon ausgegangen wäre, dass diese auch Deckungsschutz für Schutzrechtsnichtigkeitsklagen böte. Es sei nämlich eine übliche und regelmäßige Verteidigungsstrategie gegen solche Patentverletzungsklagen, dass der angebliche Patentverletzer seinerseits eine Patentnichtigkeitsklage erhebt, die mit einem erheblich höheren Kostenrisiko verbunden sei. Aufgrund dessen sei ein effektiver Rechtsschutz, insbesondere von kleinen Unternehmen bzw. Privatpersonen gegen größere Unternehmen ohne eine diesbezügliche Absicherung durch eine Rechtsschutzversicherung nicht möglich, weshalb er auch ausdrücklich nach einem solchen Deckungsschutz vor Vertragsabschluss gefragt habe.

Verletzung einer Pflicht aus dem Maklervertrag

Im vorliegenden Fall war nach den Ausführungen des Gerichts Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch nicht § 63 VVG, da der Kläger keinen Verstoß gegen die Beratungspflicht gemäß § 61 Abs. 1 VVG geltend machte. Hier sei es nicht darum gegangen, ob die Wünsche und Bedürfnisse des Klägers zutreffend ermittelt worden sind und ihm eine entsprechende Versicherung empfohlen wurde. Eine unzureichende produktbezogene Beratung machte der Kläger nicht geltend. Es sei allein darum gegangen, ob die Beklagte ihre Nebenpflicht verletzt habe, dem Kläger gegenüber nur zutreffende Angaben zu machen. Zutreffende Anspruchsgrundlage ist daher § 280 Abs. 1 BGB, so das OLG. Der Maklervertrag sei im vorliegenden Fall zumindest konkludent geschlossen worden.

Aufgrund des ihr zuzurechnenden Verhaltens ihres Mitarbeiters hatte die Maklerin also ihre Verpflichtung zur Erteilung zutreffender Auskünfte verletzt, indem sie unmissverständlich per E-Mail erklärt hatte, dass auch die Abwehr von Schutzrechtsnichtigkeitsklagen versichert sei. Diese Auskunft war unstreitig unzutreffend und falsch. Im Verlaufe des Verfahrens hatte die Beklagte erklären müssen, dass dieses Risiko überhaupt nicht absicherbar gewesen sei.

Versicherungsunterlagen entlasten Makler nicht

Die Argumentation der Maklerin, dass aus den dem Kläger übersandten Bedingungen und Rahmenverträgen eindeutig der Leistungsumfang der Versicherung hervorgehe und deutlich werde, dass die Abwehr von Schutzrechtsnichtigkeitsklagen nicht versichert sei, wendet sich nach Ansicht des Gerichtes gegen die Beklagte selbst, deren Verschulden damit offenkundig werde. Außerdem führte das OLG aus, dass von dem Kläger, als juristischem Laien, nicht erwartet werden konnte, dass er den ihm zugesandten Unterlagen ohne Weiteres entnehmen konnte, dass die ausdrücklich von ihm eingeforderte Auskunft der beklagten Maklerin offensichtlich falsch war. Vielmehr durfte er auf die extra eingeholte Auskunft der Maklerin vertrauen.

Auch das Argument der Beklagten, es sei durch den Kläger ein erheblicher Zeitdruck auf sie ausgeübt worden, ließ das Gericht nicht gelten. Die Beklagte, bzw. ihr Mitarbeiter, hätten, wenn sie sich in der Kürze der Zeit nicht zu einer fundierten Antwort in der Lage gesehen haben sollten, dies offenlegen müssen.

Beendigung des Betreuungsverhältnisses spielt keine Rolle

Auch die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Schadensgeltendmachung der Maklervertrag nicht mehr fortbestand, kann nach Aussage des Gerichtes keine Rolle spielen. Die Pflichtverletzung der Maklerin hatte insoweit Fortwirkung, als der Kläger aufgrund seines Vertrauens in das Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes davon abgesehen hat, sich um eine anderweitige Versicherung zu kümmern.

Als ebenso unerheblich wurde der Einwand der Beklagten zurückgewiesen, das Risiko einer Nichtigkeitsklage sei als sicher auftretendes Ereignis überhaupt nicht versicherbar gewesen, da dem Kläger durch die (unzutreffende) Auskunft der Beklagten gerade der Eindruck vermittelt wurde, eine entsprechende Versicherung bestehe. Hier sei es allein um die aus dieser Fehlvorstellung resultierenden Vermögensfolgen für den Kläger gegangen.

Makler haften bei Zusage des Risikos

Makler haften auch dann, wenn Versicherungsschutz im Hinblick auf ein Risiko zugesagt wird, das überhaupt nicht versicherbar ist. Damit wird die Maklerhaftung seitens des OLG Düsseldorf durchaus noch weiter gefasst als in bisherigen Entscheidungen zur sogenannten „Quasideckung“ (u. a. Urteil des BGH vom 26.3.2014; IV ZR 422/12; siehe Urteilsbesprechung in VersVerm 02/15, S. 58 ff.).

Ist diese Schlussfolgerung des Gerichts zu kritisieren?

Wohl eher nicht. Die Ansicht, dass Maklerinnen und Makler nicht nur im Hinblick auf vermittelte Versicherungsprodukte korrekt zu beraten haben, sondern dass Versicherungsnehmer auch grundsätzlich auf Zusagen ihrer Makler über Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungsschutz vertrauen dürfen, ist nachvollziehbar.

Diese Rechtsmeinung entspricht auch durchaus dem Anspruch, den die Maklerinnen und Makler im BVK an sich stellen. Verantwortungsvolle Vermittler machen nur Zusagen, die auch gehalten werden können. Sie verstecken sich nicht hinter Formularen, sondern räumen für ihre Kunden Verständnisprobleme aus dem Weg.

Tipps für die Tagesarbeit
  • Maklerpflichten ergeben sich nicht nur aus § 61 VVG. Maklerinnen und Makler haben Nebenpflichten aus dem Maklervertrag, u. a., nur zutreffende Angaben zu machen.
  • Ein Makler muss sich falsche Aussagen seiner Mitarbeiter gegebenenfalls zurechnen lassen.
  • Auch wenn sich aus den dem Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellten Unterlagen der Leistungsumfang ergibt, enthebt dies einen Makler nicht seiner Pflichten aus dem Maklervertrag, nur zutreffende Zusagen zu machen.
  • Im Hinblick auf eine Pflichtverletzung kann Zeitdruck grundsätzlich nicht als Entlastungsgrund angesehen werden.
  • Besteht eine Unsicherheit im Hinblick auf den Versicherungsschutz, ist vor einer Zusage an den Versicherungsnehmer eine Klärung mit dem Versicherer herbeizuführen. Der Makler steht in der Verantwortung.
  • Die Haftung eines Maklers endet nicht automatisch mit Beendigung des Betreuungsverhältnisses, wenn eine Pflichtverletzung fortwirkt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2018, I 4 U 210/17

 
Ein Artikel von
Angelika Römhild