Der Schritt an den Kapitalmarkt fällt in der heutigen Zeit zunehmend leichter. Das ist nicht nur durch die eher mäßig aufgestellte gesetzliche Rente bedingt, die den gemeinen Deutschen ja praktisch zur privaten Altersvorsorge „zwingt“, sondern auch durch das Fortschreiten der Technologie und dadurch größere Angebot.
Eine Möglichkeit, diesen Schritt zu gehen, sind Trading Apps – Trade Republic, Scalable Capital, Robinhood, um nur einige Beispiele zu nennen. Hier sind die Hürden, um Geld in den Kapitalmarkt zu investieren, eher niedrig – geringe Kosten, einfache Handhabung, schnelle Abwicklung. Doch wirkt sich die Beschaffenheit dieser Apps negativ auf den Umgang mit dem eigenen Geld aus? Oder etwas provokanter gefragt: Verleiten sie gar zum Zocken? Eine aktuelle Studie der Uni Trier und der Hochschule München hat diese Fragestellung untersucht, im Rahmen einer repräsentativen Umfrage unter mehr als 500 Anlegerinnen und Anlegern, die bereits Neobroker nutzen bzw. in Zukunft planen, an der Börse zu investieren.
Wenig Gewissheit über Preismodelle
Die gute Nachricht insbesondere im Hinblick auf junge Fonds- und Aktiensparer, so Marc Oliver Rieger von der Professur für Bank- und Finanzwirtschaft der Uni Trier, sei, dass Neobroker fast nur Kunden und Kundinnen gewinnen würden, die vorher noch nie am Aktienmarkt teilgenommen haben.
Allerdings wussten die Befragten nur selten über die Preisstruktur und Preismodelle der Neobroker Bescheid. Im Gegensatz zum klassischen Fondskauf etwa bei Filialbanken, deren Gebühren bei bis zu 1% der investierten Summe liegen, entsteht für Nutzende von Trading Apps nur noch eine „symbolische Gebühr“, so die Zusammenfassung der Studie. Teilweise ist der Trade sogar kostenfrei. Dieses kostengünstige oder kostenfreie Handeln sei für die Anbieter nur möglich, weil es versteckte Kosten gebe, so Rieger, sogenannte Rückvergütungen. Meist gebe die Trading App ausschließlich einen einzigen Handelsplatz vor und durch diese mangelnde Auswahl seien aktuelle Kurse der Wertpapiere beim Kauf im Schnitt teurer als bei Online-Brokern oder Filialbanken, wo man den Handelsplatz wählen könne. Nur 5% der Teilnehmenden der Studie waren diese versteckten Kosten bekannt.
Mehr Spekulation?
Die Studienzusammenfassung weist schlussfolgernd darauf hin, dass es für Neobroker folglich gut ist, wenn Kunden viele einzelne Transaktionen abwickeln. Die Studie zeige, dass die App-Nutzer statistisch „signifikant“ mehr traden und eine höhere Risikobereitschaft mitbringen würden. Man könne daher schlussfolgern, dass die Anleger durch die scheinbar geringen Preise der einzelnen Trades mehr spekulieren und so auch höhere Risiken eingehen, so Rieger. Besonders junge und unerfahrene App-Nutzer könnten so zum Zocken verleitet werden.
Der Gesetzgeber greift bei diesem Geschäftsmodell in den kommenden Jahren ein, denn die Europäische Union will das System der Rückvergütungen durch Partnerunternehmen, auch genannt „Payment for Order Flow“, voraussichtlich ab 2026 untersagen.
Zusammenfassend zeige die Studie ein „gemischtes Bild“. Einerseits erschließen Trading Apps in Deutschland vor allem neue Zielgruppen und ermöglichen einen einfachen Zugang zum Aktienmarkt. Auf der anderen Seite jedoch zeige sich, dass App-Nutzer sich über die versteckten Kosten oft nicht im Klaren sind und so zum Spekulieren verleitet werden. Auch sei besorgniserregend, dass Anleger, die aus Trading Apps aussteigen, fast immer ganz aufhören würden, in Aktien zu investieren.
Trading effektive Investment-Methode?
Die Studie sollte auch im Kontext dessen betrachtet werden, dass unter vielen Experten Trading nicht als eine gewinnbringende Investmentstrategie betrachtet wird. „Buy and hold“, also Aktieninvestments langfristig im Depot zu behalten, würde demnach deutlich zuverlässiger für eine bessere Rendite zu sorgen, als zu versuchen, die richtigen Aktien zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen und wieder zu verkaufen. Der Asset-Manager Dimensional Fund Advisors, der eine wissenschaftsbasierte Investmentstrategie verfolgt, hat hierzu Anfang des Jahres eine Studie veröffentlicht, die die Börsenweisheit „Time in the market beats timing the market“ belegt. (mki)
Bild: © Open Studio – stock.adobe.com
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