AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
16. März 2021
Vermittlerhaftung: Darüber entscheiden Gerichte (nicht)

Vermittlerhaftung: Darüber entscheiden Gerichte (nicht)

Entgegen der vorherrschenden Meinung in der Branche ist die Rechtsprechung zur Vermittlerhaftung geprägt von Einzelfallentscheidungen. Die Haftungsrisiken sind dabei nicht so zahlreich, wie häufig angenommen wird. Worauf es dennoch zu achten gilt erklärt Fachanwalt Jens Reichow.

Vermittlerhaftung ist für Versicherungsmakler und -vertreter gleichermaßen oftmals ein sensibles Thema – schürt es doch regelmäßig die Angst vor der eigenen, ggf. unbeschränkten Haftungsverantwortlichkeit. Befeuert wird dies oftmals auch durch verschiedene Veröffentlichungen, durch die leicht der Eindruck erweckt werden kann, die Versicherungsvermittlung sei ein „Minenfeld“ voller Haftungsrisiken. Befasst man sich hingegen mit den veröffentlichten Gerichtsurteilen der letzten Zeit, entsteht ein differenzierteres Bild.

Vermittlerhaftung – Ein rechtlicher Einzelfall

Für Vermittler gibt es wohl kein besseres „Feindbild“ als den erfolgreichen „Anlegerschutzanwalt“, der im eigenen Kundenbestand flächen­deckend Schreiben versendet, um auf mögliche Haftungsansprüche gegen die Vermittlerschaft aufmerksam zu machen. Ist dies eine im Kapitalanlagerecht verbreitete Erscheinung, kann man ein solches Phänomen im Versicherungsrecht kaum feststellen. Hintergrund ist, dass – mit Ausnahme etwaiger Prämienschäden – für eine Vermittlerhaftung eine unversicherte Deckungslücke vorhanden sein muss, die dann im Schadenfall relevant wird. Die Rechtsprechung zur Vermittlerhaftung ist im Versicherungsrecht daher geprägt von Einzelfallentscheidungen.

Vermittlerhaftung und Corona

Im Frühling 2020 kamen in der Vermittlerschaft jedoch Befürchtungen auf, dass sich diese Systematik im Zuge der Corona-Pandemie ändern würde. Gerade Versiche­rungs­makler fürchteten, von Ver­sicherungsnehmern für Deckungs­lücken im Zuge von Betriebsschließungsversicherungen verantwortlich gemacht werden zu können. Circa ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie muss jedoch festgestellt werden, dass die Klagewelle gegenüber Vermittlern bislang offenbar ausgeblieben ist. Hierbei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass sich Instanzgerichte bislang ohnehin sehr zurückhaltend zeigen, was das Bestehen von Versicherungsschutz im Rahmen von Betriebsschließungsversicherungen bei Corona-Schäden angeht. Ein Schaden der Versicherungsnehmer im Rahmen der Vermittlerhaftung würde ja nur bestehen, wenn Betriebsschließungsversicherungen Versicherungsschutz für Corona-Schäden gewähren würden.

Fälle, in denen ein Versicherungsvermittler erfolgreich von einem Versicherungsnehmer wegen Nichtabsicherung von Corona-Risiken auf Schadensersatz in Anspruch genom­men wurde, sind der Kanzlei Jöhnke & Reichow noch nicht bekannt geworden. Bejahen zukünftig aber höhere Instanzgerichte oder irgendwann vielleicht sogar der BGH das Bestehen von Ver­sicherungsschutz im Rahmen von Betriebsschließungsversicherungen auch für Corona-Schäden, so könnte sich dies ändern. Versicherungsnehmer, die keine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hatten, könnten dann versuchen, ihren Vermittler haftbar zu machen.

Unter Juristen werden die hieraus möglicherweise entstehenden Haftungsrisiken für Versicherungsvermittler indes sehr differenziert beurteilt. Versicherungsvertreter dürften aufgrund ihres Vermittlerstatus ohnehin Haftungsvorteile besitzen. Aber auch Versicherungsmakler, die auf eine Spartenbegrenzung ihres Maklervertrages und eine gute Dokumentation geachtet haben, dürften sich regelmäßig nur moderaten Haftungsrisiken ausgesetzt sehen.

Beratungspflichten bei Wechsel des Versicherungsschutzes

Ein wiederkehrendes Thema in der Rechtsprechung sind indes die besonderen Beratungspflichten von Versicherungsvermittlern beim Wechsel des Versicherungsschutzes. Hierzu erfolgten in den letzten Jahren bereits vermehrt gericht­liche Entscheidungen, die stets betonten, dass es dem Versicherungsnehmer in einer entsprechenden Wechselkonstellation darauf ankäme, einen einmal erlangten Versicherungsschutz nicht wieder einzubüßen. Das Ziel des Versicherungsnehmers bestünde darin, seine Absicherung zu verbessern und dies eben nicht nur bei einer Gesamtschau des Versicherungsschutzes, sondern auch in Bezug auf einzelne Tarifmerkmale. Gerichte bejahten daher bereits sowohl bei Versicherungsmaklern als auch bei -vertretern eine Haftung, wenn eben nicht auf einzelne Aspekte der Verschlechterung des Versicherungsschutzes hingewiesen wurde. So sah es jetzt auch das LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.04.2020, Az.: 2-30 S 5/18) in einem Fall, in dem der Versicherungsvertreter es unterlassen hatte, im Zuge des Wechsels hin zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf den Wegfall einer im vorherigen Versicherungsvertrag noch enthaltenen Dienstunfähigkeitsklausel und die damit einhergehenden Nachteile hinzuweisen.

Bedarfsermittlung

Auch das Thema der richtigen Bedarfsermittlung beschäftigt Gerichte im Zusammenhang mit der Vermittlerhaftung öfter. Diesbezüglich konnte die Kanzlei Jöhnke & Reichow allerdings im Jahr 2020 vor dem Landgericht Kiel eine für Versicherungsmakler positive Entscheidung erringen. Das Landgericht entschied in dem Verfahren (Az.: 5 O 4/20), dass, wenn der Ver­sicherungsnehmer angibt, er wünsche einen Versicherungsschutz wie bei seiner Vorversicherung, ein Versicherungsmakler sich darauf beschränken kann, eben den Ver­sicherungsschutz der Vorversicherung zu ermitteln und dann entsprechenden Versicherungsschutz neu zu vermitteln.

Fazit

Die Haftungsgefahren für Ver­sicherungsvermittler sind sicherlich nicht zu bagatellisieren. Vermittler sind bei ihrer Tätigkeit strengen Anforderungen unterworfen, die sich eben auch in wiederkehrenden gerichtlichen Entscheidungen wider­spiegeln. Allerdings zeigt ein Blick auf die wenigen veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zu diesem Bereich auch, dass sich Vermittler eben nicht flächendeckend mit Gerichtspro­zessen zu ihrer eigenen Haftung befassen müssen. Gerade in Anbetracht der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Entwicklung der Rechtsprechung zur Betriebsschließungsversicherung bleibt zu hoffen, dass dieser Trend fortbesteht.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2021, Seite 106 f. und in unserem ePaper.

Bild: © Stefan Yang – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jens Reichow