Ein Artikel von Carsten Reinkemeyer, Leiter Sicherheitsforschung und Fahrzeugtechnik im AZT, und David Unger, Referent in der Unfallforschung im AZT
Der Bestand an Elektrofahrzeugen in Deutschland wächst schnell. Im Jahr 2021 verdoppelte sich laut Kraftfahrt-Bundesamt sowohl der Bestand an reinen Elektrofahrzeugen (BEV = Battery Electric Vehicle) im Vergleich zum Vorjahr auf 618.460 (+100,1%) als auch die Zahl zugelassener Plug-in-Hybride (PHEV) auf 565.956 (+102,2%). Technisch gesehen handelt es sich bei beiden Typen um Fahrzeuge mit Hochvoltanlagen.
Die Zunahme elektrisch angetriebener Fahrzeuge auf deutschen Straßen bedingt auch eine steigende Anzahl der Unfälle, in die mindestens ein Hochvoltfahrzeug involviert ist. Hier wird es nun für die Versicherer interessant: Wie entwickelt sich die Schadenhäufigkeit von Elektrofahrzeugen und – vor allem – wie entwickelt sich der Schadendurchschnitt? Analysen des Allianz Zentrum für Technik (AZT) zeigen, dass BEV in der Typklasse und in der Verteilung der Schadenarten den Benzinern ähneln, während PHEV eher mit Diesel-Pkw zu vergleichen sind. Auffallend ist, dass sowohl BEV als auch PHEV in den Typklassen über ihren Entsprechungen liegen. Dies lässt sich primär auf gegenüber Benzin- bzw. Diesel-Pkw erhöhte Schadendurchschnitte zurückführen.
Doch woher kommen die höheren Schadendurchschnitte?
Gründe für den erhöhten Schadendurchschnitt bei Elektrofahrzeugen
Ein Faktor ist der zu vergleichende Fahrzeugbestand. Der Bestand sowohl an BEV als auch an PHEV ist im Schnitt deutlich jünger als der von konventionellen Fahrzeugen. In den vom AZT untersuchten Vollkasko-Kollisionen aus dem Jahr 2021 betrug das durchschnittliche Fahrzeugalter bei Benzin- und Dieselfahrzeugen über fünf Jahre. Bei BEV und PHEV war es mit weniger als 1,5 Jahren deutlich geringer. Dies führt zu einem erhöhten Schadendurchschnitt, da aufgrund des höheren Restwerts junger Fahrzeuge erst deutlich höhere Reparaturkosten zu einem Totalschaden führen.
Zu beachten ist zusätzlich, dass sowohl BEV als auch PHEV noch nicht in allen Fahrzeugsegmenten vertreten sind. So sind Plug-in-Hybride eher im höherpreisigen Segment angesiedelt, während bei den reinen Elektrofahrzeugen die Kleinwagen und SUVs dominieren.
Die Rolle der Hochvoltbatterie
Die HV-Batterie ist das teuerste Bauteil, das derzeit in einem Auto zu finden ist. Bei konventionellen Fahrzeugen gibt es bezogen auf den Fahrzeugwert kein derart teures Bauteil. Um die Beschädigung der HV-Batterie zu verhindern, platzieren sie so gut wie alle Hersteller in der vergleichsweise sicheren Zone zwischen den Fahrzeugachsen. Vom AZT untersuchte Unfälle zeigen, dass das durchaus erfolgreich ist – sogar bei schweren Kollisionen wird die HV-Batterie selten beschädigt.
Sollte sie dennoch bei einem Unfall oder, wie es derzeit zunehmend beobachtet wird, durch Bodenberührung beschädigt worden sein, kann dies allein wegen der hohen Kosten für eine Ersatzbatterie zu einem Totalschaden führen. Hinzu kommt hier nämlich, dass mit zunehmendem Fahrzeugalter der relative Wert der HV-Batterie zunimmt, denn es gibt nur neue Ersatzbatterien. Für den konventionellen Verbrennungsmotor sind dagegen größere Baugruppen wie Getriebe oder Motoren oft als aufbereitete – günstigere – Ersatzteile verfügbar. Folglich kommt der Reparaturfähigkeit der HV-Batterie eine enorme Bedeutung zu.
Gleichzeitig ist jedoch zu beobachten, dass von den Herstellern teils unklare Kriterien zur Schadeneinschätzung der HV-Batterie vorgegeben werden. So wird diese teilweise pauschal nach gewissen Kriterien – beispielsweise das Auslösen von pyrotechnischen Rückhaltesystemen oder die Beschädigung eines Querträgers – getauscht, obwohl eine Beschädigung nicht aktiv nachgewiesen wurde. Insbesondere die Diagnose nach Unfällen und hier die Information über die Batteriegesundheit sind derzeit für den Sachverständigen nicht in der Art verfügbar, dass eine sichere Entscheidung oder auch eine differenzierte Restwertberechnung möglich wäre.
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