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20. November 2021
Versicherungen: Künstliche Intelligenz bietet viel Potenzial
Businessman on blurred background creating artificial intelligence in a digital brain 3D rendering

Versicherungen: Künstliche Intelligenz bietet viel Potenzial

Adam Riese sieht in der Digitalisierung große Chancen für Finanzdienstleistungen. In den letzten Jahren hat das Entwicklungstempo für digitale Lösungen stark angezogen. Eine Errungenschaft ist die Implementierung von künstlicher Intelligenz (KI) in die Produktentwicklungs- und Vertriebsprozesse.

Von Sven Tippelt, Chief Technology Officer bei der Adam Riese GmbH

Die KI bietet ein riesiges Spektrum an Möglichkeiten, um Kundenbedürfnisse noch genauer zu erfassen, Informationen und Produkte entlang dieser Bedürfnisse aufzubereiten und die Customer Experience zu stärken. Dabei bringen Versicherungsunternehmen die besten Voraussetzungen mit, denn sie leben von Daten – dazu gehören zum Beispiel Kunden-, Schaden- oder Verkehrsdaten. Dieser Datenpool ist ein wertvoller Schatz und die Basis für Wachstum sowie ein kundenfreundliches Geschäft. Genau hier setzt KI an.

Künstliche Intelligenz und ihre Möglichkeiten

KI ist ein technischer Systemkomplex, der mittels vordefinierter und selbsterlernter Algorithmen Daten schnell und effizient sammelt und in Echtzeit verarbeitet, um Vorhersagen zu treffen oder individuelle Empfehlungen wie zum Beispiel zum Produkt oder zur Schadenregulierung zu geben. Durch automatisierte Prozesse werden (Meta-)Daten in Text-, Tabellen- oder Bildform erfasst und strukturiert. Das maschinelle Lernen des Systems ermöglicht durch die stetige Anreicherung, Strukturierung und Kategorisierung von Daten eine automatisch ablaufende Optimierung der Prozesse. So wird die KI im iterativen Prozess immer genauer und effizienter und kann auf Basis ihres „Erfahrungsschatzes“ die menschlichen Bedürfnisse, das Vorgehen oder das individuelle Risiko erfassen, auswerten und vorhersagen sowie im besten Fall personalisierte Handlungsoptionen vorschlagen. Diese Vorhersagen können Versicherungsunternehmen nutzen, um Produkte zu optimieren oder bestehende Systeme oder Services für Makler und Kunden weiterzuentwickeln.

Wie kann KI im Versicherungsbusiness unterstützen?

Die Versicherungsbranche kennt unzählige Dokumente und Bearbeitungsmechanismen: Anträge, Schadenmeldungen, Kündigungen, Beschwerden oder allgemeine Anfragen. Die Herausforderung besteht darin, den Kunden- und Makler­bedürfnissen gerecht zu werden und Arbeit zu erleichtern. Je pass­genauer das Produkt und je besser der Service ist, desto höher ist die Kundenzufriedenheit, desto stärker ist die Kundenbindung und desto weniger Arbeit fällt bei gleichbleibendem Umsatz an.

Basierend auf den bereits erfassten Daten – zum Beispiel aus Gutachterberichten oder persönlichen Merkmalen von Kundinnen und Kunden – können Versicherungs­unternehmen die Bedürfnisse, Präferenzen und Verhaltensmuster ihrer Kundinnen und Kunden genau vorhersagen und ein smartes Produkt entwickeln, das Kunden individuell und personalisiert anspricht und ihren Bedürfnissen entspricht. Vor Vertragsabschluss lassen sich die Kunden ihr persönliches Angebot berechnen; auch hier kann KI ansetzen und Lösungen für gewisse, im Prozess auftretende Probleme bereitstellen.

Ein Beispiel anhand von Adam Riese

Ein Makler oder Kunde möchte bei Adam Riese eine Hundehalterhaftpflichtversicherung abschließen.

Adam Riese bietet hier einen passgenauen Schutz und kalkuliert die Prämie anhand der Hunderasse bzw. der Gruppierung von Hunderassen. Durch die historischen Schadendaten der Württembergische Versicherung AG, der Muttergesellschaft von Adam Riese, existieren ausreichend Daten, um ein Risikomodell zu erstellen.

Das Problem: Der Makler oder Kunde kennt die genaue Rasse des Hundes nicht. Normalerweise verwenden Ver­sicherungen in solch einem Fall die Hunderassengruppe „Unbekannt“ zur Eingruppierung. Das bedeutet allerdings eine teurere Tarifierung, da das Schadenfallrisiko nicht abzuschätzen ist. Adam Riese bietet dafür eine Lösung: Mittels eines Bilderkennungstools ermittelt eine KI-gestützte Risikoprüfung die passende und meist günstigere Rassengruppe und kann den Hund passgenau tarifieren. Je mehr Risikogruppen das System kennt, desto genauer ist die Eingruppierung. Dies nimmt die Makler aus der Haftung und erzeugt bei den Kunden eine positive Customer Experience. Vervollständigt der Kunde bzw. der Makler nun die Kunden- und Tarifierungsmerkmale und schließt einen Vertrag ab, hilft der automatische Prozess der Dunkelpolicierung und stellt eine sichere und vor allem schnelle Datenübertragung zum Ver­sicherungsunternehmen her.

Ein weiterer Anwendungsfall

Viel Aufwand und individuelle Kundenbetreuung erfordert in der Regel die Schadenfallbearbeitung. Auch hier kann KI Maklerinnen und Makler sowie Versicherungsunternehmen entlasten. Hilfe zur Selbsthilfe heißt das Stichwort: Stellt man relevante Informationen zum Beispiel über ein Kundenportal oder einen Chatbot bereit, kann das die Schadenfallabwicklung beschleunigen. Das wiederum stellt die Kundinnen und Kunden zufrieden. Ebenso hilfreich ist ein 24/7-Service in Form einer Online-Schadenmeldung und -regulierung, zum Beispiel durch Hochladen von Bildern des geschädigten Objekts. Chatbots beispielsweise können aufkommende Fragen oder die Vorgehensweise der Schadenregulierung sofort mit den Kunden abklären. Kleinschäden kann die KI in Sekunden regulieren, den Reparaturaufwand kalkulieren oder auch die nächste passende Partnerwerkstatt vorschlagen. Komplexere Schäden gibt die KI an das Service-Team weiter. Je mehr Daten dem System zur Verfügung stehen, desto besser kann die KI zudem Anomalien und Betrugsfälle erkennen. So reduziert sie Kosten, entlastet Maklerinnen und Makler in ihrem Geschäftsalltag und bietet dadurch zusätzliche, attraktive USPs.

Stärkung der Attraktivität in der Versicherungsbranche

Es existieren viele technische Möglichkeiten, um noch näher an den Kundinnen und Kunden, noch personalisierter, noch passgenauer, noch schneller zu arbeiten und so Versicherung attraktiv zu gestalten. Dazu muss zum einen der alte Erfahrungsschatz – der meist noch analoge und unstrukturierte Datenpool – mittels diverser Tools wie Textmining oder Bildanalysen bereinigt, digitalisiert und strukturiert werden. Zum anderen müssen Experten aufgestockt, Know-how aufgebaut und vor allem das Team im gesamten Unternehmen weitergebildet werden. So können alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Vorteile, die eine Implementierung von KI-unterstützter Arbeit mit sich bringt, in ihren Arbeitsalltag optimal integrieren. Das heißt: Am besten sollte man klein anfangen und sich mittels Iterationen immer weiter zu den großen Lösungen vorarbeiten. Die KI-Technologie ist eine Chance, um Wachstum zu generieren und auf die veränderten Kundenanforderungen nicht nur zu reagieren, sondern sie vorwegzunehmen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2021, Seite 30 f., und in unserem ePaper.

Bild: © sdecoret – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Sven Tippelt