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5. Oktober 2020
Versicherungssteuergesetz: Furcht vor Bürokratiemonster

Versicherungssteuergesetz: Furcht vor Bürokratiemonster

Die Bundesregierung will das Versicherungssteuerrecht reformieren. Die Steuerfreiheit für bestimmte Versicherungskonstruktionen soll wegfallen. Nach der öffentlichen Anhörung zum Gesetzesvorhaben im Finanzausschuss ist jedoch nur eines sicher: An Kritik haben die geladenen Sachverständigen nicht gespart.

Dass der Gesetzgeber das Versicherungssteuergesetz modernisieren möchte, ist bereits seit Längerem bekannt (AssCompact berichtete). Doch der aktuell im Finanzausschuss behandelte Gesetzesentwurf gibt immer noch viele Fragen auf. So bleibt auch nach der öffentlichen Anhörung zum Gesetzesvorhaben einiges unklar.

Bundesregierung will Präzisierung

Der federführende Finanzausschuss hatte am 05.10.2020 zur öffentlichen Anhörung geladen, um eine Reihe von Sachverständigen zum Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Versicherungssteuerrechts zu befragen. Die Bundesregierung verfolgt mit dem Gesetzesvorhaben das Ziel, das Versicherungssteuergesetz zu präzisieren. Zu diesem Zweck soll auch die Versicherungssteuerdurchführungsverordnung (VersStDV) wiederbelebt und ergänzt werden. Auch eine grundsätzliche Verpflichtung zur elektronischen Versicherungssteueranmeldung ist in dem Gesetzesentwurf enthalten.

Begünstigte ≠ Risikoperson

Konkreten Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung besonders in solchen Fällen, in denen üblicherweise keine Steuerpflicht herrscht, weil sie besonders schutzbedürftig sind. Auf Entgelte, die für Versicherungen gezahlt werden, fallen normalerweise 19% Versicherungssteuer an. Das gilt jedoch nicht, wenn es sich um Kranken-, Pflege- oder Lebensversicherungen handelt. Das Problem: Die Steuerfreiheit dieser Versicherungsarten gilt auch dann, wenn der Begünstigte nicht die sogenannte Risikoperson ist.

Fußball, Film und Leistungsträger

Ein diesbezüglich häufig genanntes Beispiel ist die Spielerausfallversicherung. Hier sichert sich der Fußballverein dagegen ab, dass ein Spieler berufsunfähig wird. Der Fußballverein ist in einem solchen Fall also der Versicherungsnehmer, der Versicherte aber nicht der Begünstigte, sondern lediglich die Risikoperson. Ähnlich gelagert sind Filmausfallversicherungen oder auch Schlüsselkraftversicherungen, mithilfe derer sich Unternehmen gegen den Ausfall wichtiger Mitarbeiter absichern.

Steuerfreiheit nur für Versicherte oder nahe Angehörige

Die Lösung des Bundesfinanzministeriums sieht vor, dass derartige Leistungen nur noch dann steuerfrei bleiben dürfen, wenn die Versicherungsleistung der versicherten Person oder dessen Angehörigen zugute kommt. Und damit wird die Sache kompliziert.

Einführung neuer Begriffe sinnlos

Zum einen wird mit dem Gesetz neben den etablierten Begriffen „Versicherungsnehmer“ und „Versicherter“ noch die zuvor genannte „Risikoperson“ ins Versicherungsrecht eingeführt. Ein kaum definierter Begriff, den der GDV-Vertreter in der Anhörung, Dr. Volker Landwehr, als sinnlos bezeichnete. Wirtschaftsprüfer Daniel Troost sprang ihm bei und bemängelte, dass sich darüber hinaus auch der Begriff des „materiellen Versicherungsnehmers“ im Gesetzestext finde, der ebenso vage und unnötig sei.

CDU-Abgeordnete übt scharfe Kritik

Ein zweiter Kritikpunkt in der Anhörung kreiste um einen weiteren Begriff. Den des „Angehörigen“. So wandte Antje Tillmann von der CDU ein, dass es nach dem Willen des Gesetzesentwurfs denkbar sei, dass eine Lebensversicherung abgeschlossen wird, die als Begünstigten die Lebenspartnerin eines Versicherten vorsieht. Bei Abschluss sei die Versicherung dann steuerpflichtig. Sobald das Paar sich verlobe, entfalle die Steuerpflicht und sollte die Verlobung aufgelöst werden, müssten für die Versicherung wieder Steuern entrichtet werden. Wie das genau modern sei, konnte ihr niemand in der Anhörung zufriedenstellend erklären.

Einsparungen durch schlanke Prozesse in Aussicht gestellt

Das ebenfalls geladene Bundeszentralamt für Steuern, wies daraufhin, dass durch die angedachten digitalen Steueranmeldeprozesse die Abläufe bei den Versicherern verschlankt werden könnten und derartige Ausnahmen, wie sie Tillmann beschrieben hat, von der Verwaltung korrekt interpretiert würden. Dagegen wandte der Vertreter der Bayerischen Beamtenkrankenkasse ein, dass es fragwürdig sei, weshalb man eine Regelung schaffe, die Klarheit und Modernisierung anstrebe, dann aber auf Interpretationen der Verwaltung und Durchführungsverordnungen angewiesen sei.

Kostet es 150 Mio. anstatt 150.000 Euro?

Der Vertreter des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) schlug in eine ähnliche Kerbe, als er anmerkte, dass die digitalen Prozesse niemals die entstehenden bürokratischen Anforderungen aufwögen, die durch das Gesetzesvorhaben entstünden. Der Erfüllungsaufwand betrage nicht, wie im Entwurf veranschlagt 150.000 Euro, sondern vielmehr 150 Mio. Euro. Das Ministerium habe einfach für grob 150 Versicherer Kosten in Höhe von je 1.000 Euro angenommen, was vollkommen realitätsfern sei.

Bürokratischer Aufwand von Prüfung unklar

Des Weiteren gab der PKV-Vertreter zu bedenken, könne es den Versicherern nicht zugemutet werden, stets das Angehörigenverhältnis seiner Versicherten ermitteln zu müssen. Ein Einwand, den Prof. Dr. David Hummel zumindest teilweise entkräftete. Der Jurist merkte an, dass es nicht unbedingt nötig sei, die Familienverhältnisse laufend zu prüfen. Das Gesetz könne auch so ausformuliert werden, dass der Versicherer nur zu wenigen Zeitpunkten eine Kontrolle der Familienverhältnisse vornehmen muss.

Mehr Unklarheit als Klarheit

Der Vertreter des PKV ließ im Laufe der Anhörung dann den gewichtigen Satz fallen, dass die Gesetzesreform mehr Unklarheit brächte, als das bestehende Versicherungssteuergesetz. So könnten beispielsweise Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung plötzlich steuerpflichtig werden, sobald der Betrag direkt an eine Pflegeeinrichtung überwiesen würde und somit der Begünstigte nicht mehr die Risikoperson oder dessen Angehöriger wäre.

Auch Verbraucherschützer sind dagegen

Doch nicht nur Unternehmerverbände sehen das Gesetzesvorhaben derart kritisch. Auch der Bund der Versicherten (BdV) kann sich mit dem Entwurf nicht anfreunden. Ein Stopfen von Steuerschlupflöchern rechtfertige nicht die bürokratische sowie fiskalische Mehrbelastung der gesamten Bevölkerung, so BdV-Vorstandsprecher Axel Kleinlein. (tku)

Bild: © freshidea – stock.adobe.com

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