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4. März 2020
Wann gilt eine Kündigung im Briefkasten als zugestellt?

Wann gilt eine Kündigung im Briefkasten als zugestellt?

Eine Kündigung gilt nicht dann als zugestellt, wenn man sie in den Hausbriefkasten des Empfängers wirft, sondern erst sobald üblicherweise von einer Postentnahme ausgegangen werden kann. Wann dies der Fall ist, komme immer auf die lokalen Gegebenheiten an, entschied das BAG in einem aktuellen Urteil.

Wichtige Unterlagen mit der Post zustellen? Wieso denn das, wenn man seine Mitarbeiter zu Kurierdiensten anweisen kann? Das dachte sich ein Arbeitgeber. Der gekündigte Arbeitnehmer wollte sich gegen die Kündigung wehren, doch ließ er sich dabei bis zum letztmöglichen Moment Zeit. Das wäre ihm nun beinahe zum Verhängnis geworden.

Fristlose Kündigung in Hausbriefkasten geworfen

Im konkreten Fall ging es um ein Unternehmen, das ein Werk in Baden-Württemberg betreibt und einen Mann beschäftigt, der seinen Wohnsitz in Frankreich hat. Das Unternehmen beauftragte Mitarbeiter des Unternehmens, dem Mann eine fristlose Kündigung zuzustellen. Diese wurde am Freitag den 27.01.2017 gegen 13:25 Uhr in seinen Hausbriefkasten eingeworfen.

Dreiwöchige Frist zur Klageerhebung

Der Mann akzeptierte die fristlose Kündigung jedoch nicht und wollte sich mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht zur Wehr setzen. Diese ging am 20.02.2017 beim Arbeitsgericht ein. Hatte er die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung laut Kündigungsschutzgesetz noch eingehalten oder nicht?

Fristgerecht oder nicht?

Zur Beantwortung der Frage musste geklärt werden, wann ihm die Kündigung genau zugestellt wurde und die Frist zu laufen begann. Wäre dem Mann die Kündigung am 27.01.2017 zugestellt worden, wäre die Frist am 20.02.2017 bereits verstrichen gewesen. Sofern er den Brief jedoch erst am Samstag erhalten hatte, wäre das Fristende exakt auf den 20.02.2017 gefallen und seine Klage somit noch fristgerecht eingegangen.

Der Mann vertrat die Position, dass ihm die Kündigung nicht am 27.01.2017 zugegangen sei. Vielmehr habe er erst am darauffolgenden Montag von ihr erfahren, da er am Samstag nicht in den Briefkasten gesehen habe. Als Zustellungstag wollte er frühestens den Samstag akzeptieren.

Prozessverlauf

Der Mann zog daraufhin vor das Arbeitsgericht und forderte eine gerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden war. Das Arbeitsgericht und das zweitinstanzliche Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen seine Klage zunächst ab.

LAG geht von Postentnahme um 17 Uhr aus

Die Entscheidung begründeten die Gerichte damit, dass der Zugang dann erfolgt sei, wenn nach der allgemeinen Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme der Post zu rechnen ist. Diesen Zeitpunkt sahen Arbeits- und Landesarbeitsgericht erst um 17 Uhr als gegeben an. Schließlich müsse bei der allgemeinen Verkehrsanschauung von einem Vollzeitbeschäftigten ausgegangen werden, der die Post nicht vorher in Empfang nehmen kann.

BAG verweist Klage zurück an Vorinstanz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah das jedoch anders und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück an das LAG. In ihrem Urteil machen die Richter deutlich, dass sie von einem früheren Zeitpunkt ausgehen, was die Postentnahme anbelangt.

BAG macht Zeitpunkt von lokaler Postzustellung abhängig

Da am Wohnsitz des Mitarbeiters die Postzustellung normalerweise gegen 11 Uhr abgeschlossen ist, ist von einer Postentnahme nach diesem Zeitpunkt auszugehen. Dementsprechend konnte mit einer Leerung des Hausbriefkastens um 13:25 Uhr nicht mehr gerechnet werden. Als Zustellungsdatum hat das BAG somit den 28.01.2017 festgelegt. Ob die fristlose Kündigung unter diesen Umständen Bestand hat, muss nun erneut vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt werden.

Das BAG gab im Weiteren an, dass bei der allgemeinen Verkehrsanschauung nicht in erster Linie auf die Bevölkerung abgestellt werden dürfe, die herkömmliche Arbeitszeiten aufweise. Zum einen berücksichtige diese Sichtweise Schichtarbeiter, Berufstätige im Home-Office und Teilzeitbeschäftigte nicht. Zum anderen werde so außer Acht gelassen, dass zahlreiche Berufstätige mit Personen zusammenleben, die den Briefkasten für sie leeren. (tku)

BAG, Urteil vom 22.08.2019, Az.: 2 AZR 111/19

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