Bekannte Diagnosen – kein Offenbarungszwang?
Wenn eine Erkrankung bereits vor Antragsstellung diagnostiziert wurde, entsteht daraus keine automatische Mitteilungspflicht – jedenfalls nicht, wenn der Versicherer keine entsprechenden Fragen gestellt hat. Der Gedanke dahinter: Versicherer sind als erfahrene Marktteilnehmer in der Lage, gezielte Fragen zu stellen, wenn ihnen bestimmte Risiken relevant erscheinen. Macht ein Versicherer das nicht, darf der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass entsprechende Informationen für die Risikoprüfung des Versicherers nicht erforderlich sind.
Eine Pflicht zur Offenbarung besteht daher nur in Ausnahmefällen – etwa, wenn die Relevanz einer Information so offenkundig ist, dass der durchschnittliche Antragsteller die Erheblichkeit für den Versicherer nicht übersehen kann. Auch der BGH sah hier keinen Anlass zur Korrektur und ließ eine Beschwerde des Versicherers nicht zu (BGH, Urt. v. 05.06.2024 – IV ZR 140/23.
Restriktiver Umgang mit Obliegenheit
Auch wenn manche Stimmen in Literatur und Rechtsprechung die spontane Anzeigeobliegenheit unter sehr engen Voraussetzungen anerkennen, bleibt festzuhalten: Eine generelle Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung gesundheitlicher Informationen besteht nicht. Der Versicherer trägt die Verantwortung, durch gezielte Fragen seinen Informationsbedarf zu decken. Nur in Ausnahmesituationen, in denen schwerwiegende Informationen objektiv erkennbar erheblich sind, kann eine Mitteilungspflicht entstehen.
Für die Praxis gilt: Ohne konkrete Nachfrage keine Offenbarungspflicht – es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, bei denen sich die Relevanz der Information geradezu aufdrängt. Diese Fragestellung betrifft nicht nur die Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern ist auch in anderen Versicherungssparten von Bedeutung. Ob tatsächlich eine spontane Anzeigeobliegenheit vorliegt, lässt sich demnach nur im jeweiligen Einzelfall beurteilen.
Weitere lesenswerte Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung sind nachstehend zu finden: Berufsunfähigkeitsversicherung.
Lesetipp der Redaktion:
Seite 1 Wann wird das Schweigen über Krankheiten im BU-Antrag zum Risiko?
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