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29. Oktober 2020
Warenkreditversicherung: Die Absicherung von Lieferketten

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Warenkreditversicherung: Die Absicherung von Lieferketten

Leistungsfall und Erweiterung des Versicherungsschutzes

Wenn der Kunde des Versicherungsnehmers die Kaufpreisforderung nach Ablauf der vereinbarten Stundung nicht begleicht, weil er zahlungsunfähig geworden ist, wird sie vom Warenkreditversicherer im vereinbarten Umfang erstattet. Die Zahlungsunfähigkeit kann auf unterschiedliche Weise nachgewiesen werden. Entweder konnte das vom Versicherungsnehmer beauftragte Inkassounternehmen des Versicherers die Forderung nicht vollständig beitreiben oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch den Versicherungsnehmer waren nicht erfolgreich. Dasselbe gilt, wenn zwischenzeitlich insolvenzrechtliche Schritte eingeleitet wurden, die eine Durchsetzung der Forderung wenig aussichtsreich erscheinen lassen, wie zum Beispiel die Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse.

Der Versicherungsschutz kann durch die Vereinbarung der sogenannten Protracted Default als Nachweis der Zahlungsunfähigkeit erheblich erweitert werden. Unter diesem Umstand gilt der Versicherungsfall bereits als eingetreten, wenn die Forderung nach einer im Versicherungsschein festgelegten Frist nach Fälligkeit nicht ausgeglichen worden ist. Für den Versicherungsnehmer ist diese Regelung vorteilhaft, da er die Forderung nicht erst kosten- und zeitintensiv titulieren lassen muss, bevor er Vollstreckungsversuche unternehmen kann. Das gilt umso mehr in der Corona-Krise, in der die insolvenzrechtlichen Nachweismöglichkeiten aus den eingangs beschriebenen Gesetzesänderungen temporär entfallen. Der Mehraufwand für den Versicherer ist dagegen überschaubar, denn nach Gewährung seiner Ersatzleistung geht die ursprüngliche Forderung auf ihn über. Daher muss er bei Zahlungsunwilligkeit ohnehin irgendwann Inkassomaßnahmen einleiten.

Es zählt zu den Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, den Versicherer über Verschlechterungen der Zahlungsmoral seiner Abnehmer fortlaufend zu informieren, um ihn so bei seinen Bonitätsprüfungen zu unterstützen. Zur Funktionsweise der Warenkreditversicherung gehört es nämlich, Forderungsausfälle nicht nur zu erstatten, sondern bestenfalls zu vermeiden.

Warenkreditversicherer in der Corona-Krise

Die Systemrelevanz der Absicherung von Lieferketten verdeutlicht nicht zuletzt der Rettungsschirm, den der Bund in diesem Jahr über die Warenkreditversicherer gespannt hat. Der Deal mit dem als Oligopol strukturierten Versicherermarkt sieht so aus: Die teilnehmenden Warenkreditversicherer führen 65% der Jahresprämie 2020 an den Bund ab. Im Gegenzug dafür haften die Versicherer in diesem Jahr nur für Schäden bis zu einer Gesamtsumme von 500 Mio. Euro. Die darüber hinausgehenden 30 Mrd. Euro übernimmt der Bund. Die Versicherer haften erst dann wieder, wenn der angemeldete Gesamtschaden in diesem Jahr die Summe von 30,5 Mrd. Euro übersteigt. Ob diese Gesamtschadenhöhe tatsächlich erreicht wird, ist infolge der ausgesetzten Insolvenzregeln aber eher fraglich. Wie sich der Markt aber entwickelt, wenn nach Wiedereinsetzung der insolvenzrechtlichen Pflichten die von vielen Wirtschaftsexperten prognostizierte Pleitewelle eintrifft, lässt sich nicht voraussagen. In dieser Situation ist an Neugeschäft nur bei einzelnen Anbietern zu denken, da viele Versicherer erhebliche Vorsicht walten lassen. Wenn sich die Volkswirtschaft aber nach der Pandemie konsolidiert haben wird, sollte die Warenkreditversicherung stärker in den Fokus der Vermittler rücken. Denn nach der Krise ist bekanntlich vor der Krise!

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2020, Seite 124, und in unserem ePaper.

Bild: © Kalyakan – stock.adobe.com

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Ein Artikel von
Dr. Arnd Böhmer