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1. Februar 2021
Weg mit dem Silodenken, her mit dem Flow

Weg mit dem Silodenken, her mit dem Flow

Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Geschäftsmodelle und Erlösstrukturen der Vergangenheit können in Zukunft so nicht fortgeschrieben werden. Versicherer und Vermittler müssen ihre Strukturen und Prozesse anpassen und dafür aus der Komfortzone raus, so Corinna Pommerening, Beraterin für digitale Transformation.

Die Versicherungswirtschaft befindet sich in der digitalen Transformation. Viele Projekte wurden angestoßen, neue Leistungsangebote und innovative Wertschöpfungsansätze stehen im Fokus. Die Corona-Krise hat noch einmal für einen weiteren Veränderungsschub gesorgt. Zudem lauern die GAFA- (Google, Apple, Facebook und Amazon) und BAT-Unternehmen (Baidu, Alibaba und Tencent) weiter auf einen günstigen Zeitpunkt für einen möglichen Markteintritt.

Unveränderlichkeit als Folge des Festhaltens an der Vergangenheit

Die veränderte Markt- und Wettbewerbssituation kam nicht über­raschend – doch bei vielen Unternehmern wurden die Einflussfaktoren ausgeblendet: Der wirtschaftliche Erfolg hat in den letzten Jahren noch angehalten und so wiegen sich viele Manager und Unternehmer in einer vermeintlich sicheren Posi­tion. Denn ein stetiger Erfolg kann ein Unternehmen auch lähmen: Reaktions- und Anpassungsgeschwindigkeiten bei veränderten Rahmenbedingungen und äußeren Einflussfaktoren fallen bei diesen erfolgsverwöhnten Akteuren geringer aus als im Vergleich zu Unternehmen, die es gewohnt sind, sich neu zu erfinden, weil es beispielsweise der Markt oder der techno­logische Fortschritt erfordern. Aktuell stehen wir vor einer Zeitenwende: Die Finanz- und Ver­sicherungsbranche muss sich mit Zukunftsszenarien auseinandersetzen, die es noch nie zuvor gegeben hat. Wie steht es um ihre Lösungen für die Fragen, die es in der Vergangenheit noch nicht gab?

Raus aus der Komfortzone, rein in den Flow

Neue Prinzipien und Spielregeln ersetzen die Ordnung der alten Welt, in der die festen Gewohnheiten und vertrauten Strukturen den Unternehmensbeteiligten Schutz und Sicherheit gaben. Die neue VUKA-Welt ist von einer Veränderungsdynamik geprägt, die anscheinend nicht zu bremsen ist und von vielen Managern und Mitar­beitern als Gefahr für das eigene, vertraute Umfeld empfunden wird. Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA) sind heute an der Tagesordnung. Jetzt geht es allen Beteiligten an den (Komfort-)Kragen. Der eigene und über viele Jahre fast unveränderte Arbeitsplatz entwickelte sich mit der Zeit zu einer bequemen und gleichzeitig gefährlichen Komfortzone: Wenig Neues, dafür lieber Altbewährtes hat den eigenen Kosmos nachhaltig beeinflusst und die persönliche Veränderungsbereitschaft sowie die entsprechende Fähigkeit verkümmern lassen. Die Lust auf Neues war selten anzutreffen, stattdessen wurden lieb gewonnene Gewohnheiten so lange wie möglich verteidigt.

Ein starrer Rahmen vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen. Doch die Sicherheit von Komfortzonen ist trügerisch: Es ist nicht der Fels in der Brandung, sondern eher die unsichere Klippe einer Steilküste, die bereits dem nächsten Herbststurm zum Opfer fallen kann. Doch ein System duldet so lange die Isolation und Abschottung in Komfortzonen, wie die wirtschaftliche Situation in der Branche bzw. im Unternehmen gut und auch die Zukunftsperspektiven optimistisch sind. Doch genau hier erleben viele Unternehmen (und somit folglich auch die Mitarbeiter) derzeit einen teils extremen Wendepunkt, der nicht nur Anstrengungen vom Management verlangt, sondern auch ein Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter erfordert.

Wenn in dieser Phase Mitarbeiter ihre Komfortzone erfolgreich verlassen, sich neuen, veränderten oder gestiegenen Anforderungen stellen, erweitern sie ihre Fähigkeiten. Dieser Wachstumsschub wird positiv als Flow wahrgenommen und stellt eine zentrale Weichen­stellung für die nächsten Veränderungsmaßnahmen, die der epochale Wandel erfordert, dar.

Machtsilos aufbrechen mit einer neuen Vertrauenskultur

Die gelebte Führungskultur wirkt so stark und nachhaltig auf das Unternehmen und dessen Wandel ein wie kaum ein anderer Einflussfaktor. Ob Mitarbeiter in einem Changeprozess erfolgreich mobilisiert werden oder ob eine Mannschaft aus Angst oder Unsicherheit den Neuerungen mit Ablehnung und Widerstand begegnet, liegt nicht selten an der Qualität der Führung. Diese Macht der Führung kann eine essenzielle positive Wirkung erzielen. Jedoch müssen sich Unternehmer und Führungskräfte der Wirkungs­mechanismen der Führungskultur und deren potenziellen Silogefahren bewusst sein. Denn Hierarchie verhindert Offenheit, und Fehlerkultur und Machtsilos aufzubrechen, erfordert eine neue Vertrauenskultur auf allen Ebenen.

Pseudonym Unternehmenskultur: In die Beziehungsqualität investieren

Eine positive Unternehmenskultur kann eine Mannschaft über Hürden tragen, Ängste auflösen und das Engagement aller Beteiligten beflügeln. In der Praxis trifft man leider nicht immer auf ein gutes Arbeitsklima: Zwischenmenschliche Spannungen verstärken meist den Widerstand bei Veränderungsprozessen und können somit zu einem echten Change-Killer werden. Doch eine Organisation muss auch in die Beziehungsqualität investieren, denn Strukturwandel erfordert zwingend einen Kulturwandel.

Mit Kompetenz von gestern kann man keinen Betrieb von morgen gestalten

Neue Qualifikationen und Fähigkeiten sind zudem gefordert, um den Wandel der Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten – und hierfür benötigen Unternehmen auch interessante Bewerber mit zukunftsorientierten Profilen. In der Vergangenheit bewährte Rekrutierungsansätze müssen infrage gestellt werden. Zudem müssen zeitgemäße Konzepte kreiert werden, um für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmen die besten Leute an Bord zu haben bzw. zu bekommen.

Fazit: „Jeder mutige Mitarbeiter wird zum Leader“

Nicht nur Führungskräfte werden in diesen Zeiten des Umbruchs zum Leader, sondern jeder mutige Mitarbeiter ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft der Versicherer und Vermittlerunternehmen mitzugestalten. Eine Kultur des gemeinsamen Gestaltens basiert – neben Vertrauen als wichtigster Grundlage – auf einem gemeinsamen Commitment: Warum wollen wir uns als Unternehmen verändern und welcher Beitrag ist von jedem Einzelnen im Rahmen des Wandels zu leisten? Dazu braucht es Mut, Zuversicht und geeignete Methoden, um diese „eingefahrenen“ Strukturen erfolgreich zu verändern.

Über die Autorin

Corinna Pommerening ist Bankbetriebswirtin und als selbstständige Beraterin für die digitale und kulturelle Transformation im Finanzsektor tätig. Sie gehört zu einem ausgewählten Expertennetzwerk – „Industry Insider“ – des Trendforschungsunternehmens „TRENDONE GmbH“ mit Sitz in Hamburg. Zudem betreibt sie den Podcast „Wendepunkte 4.0 – Leadership neu gedacht!“. Corinna Pommerening hat außerdem das Buch „New Leadership im Finanzsektor“ veröffentlicht (Verlag Springer Gabler, ISBN 978-3-658-28301-8). Darin beschreibt sie die Silo-Analyse, mit der sich der Status quo in Unternehmen bewerten lässt. Enthalten sind auch Handlungsempfehlungen für die nächsten Schritte Richtung Zukunft.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 96 f., und in unserem ePaper.

Bild: © SylverArts – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Corinna Pommerening