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19. März 2015
Wegeunfall kann auch bei Umweg vorliegen

Wegeunfall kann auch bei Umweg vorliegen

Ein von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckter Wegeunfall liegt auch dann vor, wenn wegen winterlicher Straßenverhältnisse statt des üblichen Berufsweges ein erheblich längerer Weg von einem dritten Ort aus gewählt wird. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschieden.

Der normale Weg der Klägerin von ihrer Wohnung zur Arbeitsstelle betrug im Streitfall 26 Kilometer. Am Unfalltag fuhr sie jedoch nicht von ihrer Wohnung aus zur Arbeit, sondern trat die Fahrt von der Wohnung ihres Freundes aus an, wo sie zuvor übernachtet hatte. Diese Wegstrecke betrug zwischen 86 und 101 Kilometer (je nach Route). Bei winterglatter Straße kam sie von der Fahrbahn ab, prallte gegen einen Baum und erlitt ein schweres Schädelhirntrauma. Die Klägerin hat angeführt, sie habe vor dem Unfall nur deshalb in der Wohnung ihres Freundes übernachtet, weil aufgrund starken Schneefalls die Gefahr bestanden habe, nicht gesund und arbeitsfähig nach Hause zu kommen. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall) ab. Der Weg von der Wohnung des Freundes (sogenannter dritter Ort) habe nicht in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Berufsweg gestanden.

Wettergutachten wurde eingeholt

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes eingeholt. Danach wurde das Gebiet zwischen der Wohnung des Freundes und der Wohnung der Klägerin am Vorabend des Unfalls wiederholt von Schneeschauern überquert. Der Boden war von einer durchbrochenen Schneedecke bedeckt. Zudem kam es wegen der Abwechslung zwischen positiven Temperaturmaxima und negativen Temperaturminima zu vereisten Stellen infolge überfrierender Nässe.

Zustand der Straßen muss berücksichtigt werden

Angesichts dieser winterlichen Straßenverhältnisses hat das LSG die Entscheidungen der Berufsgenossenschaft und des Sozialgerichts aufgehoben und entschieden, dass die Klägerin unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Zwar sei der Weg von der Wohnung ihres Freundes aus gegenüber dem gewöhnlichen Arbeitsweg um fast das Vierfache überhöht gewesen. Es sei jedoch entgegen der Ansicht der Berufsgenossenschaft nicht nur auf die Länge der Wegstrecke abzustellen, sondern auf die Umstände des Einzelfalls. Es gäbe daher keine mathematische Angemessenheitsformel, sodass in die Angemessenheitsbeurteilung auch der Zustand der Straßen einzubeziehen sei. Deshalb müsse in Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Unfallversicherungsschutz bei Umwegen auch ein längerer Weg als noch betriebsbedingt angesehen werden, wenn er deshalb eingeschlagen werde, weil der übliche kürzere Weg objektiv nachvollziehbar wegen einer gefährlichen Wetterlage versperrt sei. Die Klägerin habe sich angesichts der Wetterlage situationsangemessen verhalten, als sie auf die Heimfahrt bereits am Vorabend verzichtet und stattdessen den Arbeitsweg am nächsten Morgen angetreten habe – auch, wenn sich der Arbeitsweg deshalb erheblich verlängert habe. (kb)

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 04.08.2014, Az.: L 3 U 50/12