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3. Juni 2025
Weitere Zinssenkung erwartet – und dann?
Weitere Zinssenkung erwartet – und dann?

Weitere Zinssenkung erwartet – und dann?

Die Finanzbranche rechnet am Donnerstag mit der nächsten Zinssenkung vonseiten der EZB. Dann stünde der Leitzins bei 2,0%. Die aktuellen Inflationsdaten für die Eurozone passen dazu. Doch was geschieht danach?

Die aktuellen Daten zur Inflationsrate in Deutschland und der Eurozone sind recht zufriedenstellend. Das Statistische Bundesamt hat Ende vergangener Woche mitgeteilt, dass die Teuerungsrate im Mai 2025 voraussichtlich bei +2,1% liegen wird. Sie bleibt damit unverändert zum April leicht über dem Wunschwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0%.

Und am Dienstag hat auch Eurostat die vorläufige Inflationsrate für die Eurozone veröffentlicht. Sie wird voraussichtlich +1,9% betragen und damit sogar unter den angepeilten 2% liegen – noch mal eine deutliche Senkung zu den +2,2% im April. Jedoch: Die Kerninflationsrate, bei der Lebensmittel und Energie herausgerechnet werden, steigt im Jahresvergleich um 3,3% nach 2,7% im Vormonat.

Und passend zu diesen Daten tagt am Donnerstag wieder die EZB und entscheidet über die neue Rate des Leitzinses. Die Branchenexperten sind sich weitgehend einig: Eine Senkung des mittlerweile maßgeblichen Einlagenzinses auf 2,0% von den aktuellen 2,25% dürfte sicher sein. Bei der Frage, was danach kommt, da herrscht noch stellenweise Nebel – der aber auch noch bis Ende Juli Zeit hat, sich zu lichten.

DWS rechnet mit weiteren Senkungen

Ulrike Kastens, Volkswirtin für Europa beim Vermögensverwalter DWS, rechnet fest mit der Zinssenkung auf 2,0% am Donnerstag. Alles andere wäre ihrer Einschätzung nach eine „echte Überraschung“. Die Gründe: die Aufwertung des Euro, gesunkene Energiepreise und ein zu erwartender geringerer Lohndruck, der auch zu einer Entlastung bei den Dienstleistungspreisen führen dürfte. Vor allem im zweiten Halbjahr könne sich die DWS sogar eine Inflationsrate von unter 2% vorstellen. Die Luft für weitere Zinssenkungen werde jedoch dünner, da man die Wachstumsaussichten trotz des von den höheren Zöllen und der handelspolitischen Unsicherheiten ausgelösten Drucks auf das BIP-Wachstum etwas positiver beurteilen könne, vor allem mit Blick auf mittelfristig höhere Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben.

Nach Einschätzung der DWS sei die Geldpolitik nicht mehr restriktiv, wie auch die Zahlen zur Kreditvergabe zeigen. Daher rechne man nach Juni lediglich noch mit einer weiteren Zinssenkung auf 1,75%, die allerdings schon im Juli folgen dürfte.

EZB nähert sich „Zielkorridor“

Ähnlich sieht es auch Dr. Martin Wolburg, Senior Economist bei Generali Investments. Die obere Grenze des von EZB-Mitarbeitern berechneten neutralen Korridors von 1,75% bis 2,25% sei aktuell bereits erreicht und der Spielraum für weitere Zinssenkungen werde immer kleiner. „Ein Ende des Zinssenkungszyklus sehen wir jedoch noch nicht“, so Wolburg. So rechnet man bei Generali Investments am Donnerstag mit einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte, auch um die Handelskriegsrisiken besser ausgleichen zu können. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sollte laut Wolburg jedoch die Datenabhängigkeit betonen und den Zeitpunkt der endgültigen Senkung bewusst offen lassen.

Abwarten und dann erst Zins senken?

Auch für Luca Pesarini, CIO von Ethenea Independent Investors ,ist die Senkung auf 2,0% am Donnerstag klar – und auch gut begründet. „Denn die Inflationsentwicklung spielt der EZB dabei in die Karten: Seit Jahresanfang sind die Rohölpreise um rund 11% gefallen und der Euro wertete um ca. 10% gegenüber dem Dollar auf – beides wirkt deflationär. Die Kernteuerung bleibt war hartnäckig bei 2,8%, aber der Trend zeigt nach unten.“

Druck geht auch Pesarini zufolge von den angekündigten US-Zöllen und dem andauernden Handelskonflikt aus, wobei das von Deutschland geplante 500-Mrd.-Euro-Infrastrukturpaket sich wachstumsfördernd auswirken könnte. Solche Programme bräuchten jedoch Zeit, bis sie in der Realwirtschaft ankommen.

Mit der Juni-Senkung würde der Einlagenzins bei 2,0% landen, genau in der Mittel des von der EZB definierten neutralen Bereichs von 1,75 bis 2,25%. Ein natürlicher Haltepunkt, findet Pesarini. Was danach passieren soll, hier bezieht er sich auf EZB-Direktorin Isabel Schnabel: Die Zinsen sollten „fest im neutralen Bereich“ bleiben. Weitere Lockerungen wären nur bei einer „scharfen Verschlechterung des Arbeitsmarktes“ oder „einer Entankerung der Inflationserwartungen nach unten“ möglich. Beides sei derzeit nicht absehbar. Laut Pesarini dürfte die EZB nach der Zinssenkung am Donnerstag erst einmal abwarten, um zu sehen, wie sich die Handelsgespräche mit Washington entwickeln und ob die angekündigten Konjunkturpakete wirken. Für ihn wären nur bei einer deutlichen Verschlechterung der Lage weitere Schritte nötig, ansonsten komme dieser Zinszyklus zu seinem Scheidepunkt. (mki)