Laut den Statistiken der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fielen im Jahr 2022 insgesamt 7,9 Mrd. Euro rechnungsmäßig gedeckte und sonstige Abschlussaufwendungen in der Lebensversicherung an. Das waren 8,6% der Bruttobeiträge. In der privaten Krankenversicherung mussten 6,5% der Bruttobeiträge für Abschlussaufwendungen aufgewendet werden, das waren gut 3 Mrd. Euro. In der Schaden-/Unfallversicherung weist die BaFin nur die Bruttoaufwendungen für den Versicherungsbetrieb gesamt in Höhe von 26,8 Mrd. Euro oder 25,8% der Beiträge aus. Davon wiederum dürfte der deutlich größte Anteil für Abschluss und Vertrieb angefallen sein.
Die Abschlussaufwendungen enthalten auch interne Kosten der Versicherer für ihre Vertriebsorganisation. Aber der größte Teil entfällt auf Vermittlervergütungen. In der Lebensversicherung zum Beispiel schätzt die BaFin deren Anteil auf mehr als zwei Drittel. Die Politik übt zunehmend Druck vor allem auf die Lebensversicherer aus, die Kosten zu senken. Das ist verständlich, denn jeder Kosten-Euro fehlt in der Anlage, in der Anlage-Rendite und am Ende in der Leistung für den Kunden. Das gefährdet die Akzeptanz von Versicherungen als Vorsorgeinstrument.
Demgegenüber brauchen Vermittler attraktive Vergütungen, um einen wirtschaftlichen Anreiz zur Kundenakquise, Beratung und Betreuung freiwillig abzuschließender Versicherungen zu haben. Überziehen Vermittler jedoch ihre Forderungen, dann leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherungsprodukte. Gerade in der Altersvorsorge buhlen unterschiedlichste Finanzdienstleister um das Geld der Kunden.
Umso wichtiger ist die Frage, welche Vertriebswege wie teuer sind. Die Versicherer selbst machen aus der Antwort auf diese Frage ein Geheimnis. Das mag vertriebspolitische Gründe haben, kann aber auch an fehlenden Daten aus dem Vertriebscontrolling liegen.
Mehrfachvermittler laut BaFin besonders teuer
Für die Lebensversicherung hat die BaFin 2022 Kostenanalysen der Vertriebswege veröffentlicht. Danach wird das Neugeschäft in der Lebensversicherung im Median (das ist der mittlere Wert, bei dem gleich viele Werte größer und kleiner sind) für 4,0% der Beitragssumme eingekauft.
Am teuersten sind „Mehrfachvermittler“, worunter offenbar Mehrfachvertreter einschließlich in diesem Status tätiger Vertriebe und Banken zu verstehen sind. Hier liegen die Median-Kosten bei 5,2%. Der reine Maklervertrieb ist mit 4,2% deutlich günstiger. Nochmals weniger beansprucht der Ausschließlichkeitsvertretervertrieb mit 3,9% und der angestellte Außendienst mit 2,8%.
Auch die Ausschläge fallen in den einzelnen Vertriebswegen unterschiedlich aus. Die 25% teuersten Versicherer im Mehrfachvermittler-Vertriebsweg übersteigen 6,0% und im Maklervertrieb 5,5%. In den anderen Vertriebswegen liegen die Grenzen weitaus niedriger.
Bank- und Multikanalvertrieb führen zu hohen Abschlusskosten
Eine weitere Möglichkeit der Analyse der Vertriebswege-Kosten ist, die bilanziellen Abschlusskostenquoten sowie die jeweiligen Vertriebswegeschwerpunkte der Versicherer zueinander in Beziehung zu setzen. Hier zeigt sich ein leicht abweichendes Bild.
Der teuerste Vertriebsweg ist danach der Bank- und Sparkassenvertrieb mit durchschnittlich 5,4% Abschlusskostenquote (Median). Fast gleichauf liegt mit knapp 5,2% der Multikanalvertrieb. Dahinter verbergen sich Versicherer ohne einen vorherrschenden (mehr als 50%) ausmachenden Vertriebsweg. Möglicherweise ist das Vertriebsmanagement eines solchen Versicherers besonders aufwendig. Auch könnte hausinterne Konkurrenz der Vertriebswege die Abschlusskosten in die Höhe treiben.
Günstiger sind Direktversicherer (4,5%) sowie Lebensversicherer, die sich entweder auf den Maklervertrieb (4,9%) oder den Ausschließlichkeitsvertrieb (4,2%) konzentrieren.
Relativ am günstigsten erscheinen Run-off-Versicherer (4,2%). Das sind Lebensversicherer, die das aktive Neugeschäft eingestellt haben oder als Spezialversicherer stillgelegte Bestände kaufen. Abschlusskosten entstehen für neue Beitragssummen zum Beispiel durch dynamische Erhöhungen oder Zuzahlungen.
Nicht nur auf Abschlusskostenquoten achten
Die bilanziellen Abschlusskostenquoten allein sind nicht aussagekräftig genug. Manche Kostenarten können als Abschluss- und Vertriebskosten oder als (sonstige) Verwaltungskosten gebucht werden, beispielsweise Bestandsverwaltungsvergütungen. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Verwaltungskostenquoten. Die sind bei den Direktversicherern besonders niedrig (1,2% der Beitragseinnahmen eines Jahres). Ausschließlichkeits-, Makler- und Multikanalvertrieb weisen vergleichbar hohe Quoten zwischen 2,6% und 3,0% auf. Die Verwaltungskosten bei Bank-/Sparkassen-fokussierten Versicherern sind mit einem Median-Wert von 2,4% unauffällig, diejenigen der Run-off-Versicherer dagegen mit 3,9% auffällig hoch.
Letzteres überrascht, weil der Run-off üblicherweise als eine Möglichkeit beworben wird, alte Bestände besonders kostengünstig zu verwalten. Insgesamt schränkt die geringe Zahl an Versicherern die Aussagekraft etwas ein.
Konsolidierungen bei Maklern und in der Ausschließlichkeit
Auf längere Sicht könnten Vertriebswegekosten steigen, zum Beispiel wegen der Konzentration im Maklermarkt. Auf einer Vortragsveranstaltung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Februar räumten Vertreter bekannter Aufkäufer von Mittelstandsmaklern ein, dass ihr Ziel ist, die Verhandlungsmacht für Courtageerhöhungen einzusetzen. Bei den kleineren Maklern verstärkt die Demografie den Schrumpfungsprozess und fördert Aufkäufe durch Pools, die ebenfalls Druck auf die Versicherer ausüben.
In der Ausschließlichkeit und den großen Finanz- und Strukturvertrieben sieht die demografische Situation etwas günstiger aus. Aber auch dort wird konsolidiert, denn es fehlt Nachwuchs. Zudem schwindet die Bereitschaft der Existenzgründer, sich auf „Grüne Wiese-Gründungen“ ohne Bestand einzulassen. Die Versicherer versuchen die Konsolidierung in der Ausschließlichkeit zu steuern, indem größere Agentureinheiten geschaffen werden. Diese erhöhen jedoch die Verhandlungsmacht bei den Vergütungen.
Eine gegenläufige Entwicklung könnte durch den Direktvertrieb entstehen, der sowohl auf klassische Vermittler als auch auf provisionsintensive Vergleichsportale verzichtet. Bei einfachen Privatkundenprodukten könnte die Akzeptanz der Kunden steigen, die Beschaffung ihrer Versicherungen selbst in die Hand zu nehmen. Auf diese Herausforderung müssen alle traditionellen Vertriebswege eine Antwort finden. Hybride Vertriebsmodelle könnten eine Lösung sein – aber diese dürfen jedenfalls nicht mit steigenden Abschluss- und Vertriebskosten einhergehen.
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