Ein Artikel von Fabian Bohnert, Director bei KPMG, Financial Services mit dem Schwerpunkt Insurance
Kaum drei Jahre ist es her, dass der Launch von ChatGPT für großes Aufsehen sorgte. Heute ist KI aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Sie entwickelt sich so rasend schnell, da kann selbst das Internet um die Jahrtausendwende nicht mithalten. Doch bei all der Euphorie rund um die Technologie: Ein Rest Skepsis, ja Sorge, was da in Zukunft noch kommt, bleibt. Und das ist gut so. 2025 steht nun im Zeichen von „Trusted AI“. Der Begriff wird breit und vielfach verwendet und beschreibt die rechtmäßige, ethische und technisch robuste Nutzung von KI. Insbesondere für die auf Sicherheit und Vertrauen ausgerichtete Versicherungsbranche ist das Thema von größter Relevanz. Denn Vertrauen und Innovation gehen hier Hand in Hand.
Warum es ohne Trusted AI nicht geht
Die Versicherungsbranche basiert von Natur aus auf Vertrauen. Kundinnen und Kunden vertrauen Versicherern sensible persönliche Daten an. Sie verlassen sich auf faire wie transparente Prozesse bei finanziellen Entscheidungen. Skepsis hingegen sorgt dafür, dass die Bereitschaft zur Datenfreigabe abnimmt. Das kann zum Problem werden, schließlich sind genauere KI-Modelle, die differenzierte und faire Entscheidungen treffen, nur durch die Bereitstellung von Daten möglich.
Hier offenbart sich die enge Verknüpfung zwischen Vertrauen und Innovationen bei Unternehmen, insbesondere bei Versicherern. Neue Technologien haben das Potenzial, nicht nur die Effizienz, sondern auch die Sicherheit zu steigern. Doch fehlt das Vertrauen der Kundschaft, sinkt das Potenzial. Ein Beispiel: ein KI-System zur schnellen Schätzung von Kfz-Schäden. Bei hohem Vertrauen wird die App genutzt und weiterempfohlen. Ohne Vertrauen befürchten Kundinnen und Kunden Missbrauch oder unfaire Bewertungen, meiden die Funktion und beharren auf manuellen Begutachtungen. Die Konsequenz: Es bleibt alles beim Alten, während Marktkonkurrenten dank vertrauenswürdiger KI-Services davonziehen.
Mit kleinen Schritten Großes bewirken
Daher kann es nur im Interesse der Versicherer liegen, das Thema Trusted AI mit hoher Priorität voranzutreiben. Und so sieht es auch die Branche selbst: 88% der Versicherungsunternehmen haben in einer KPMG-Studie angegeben, sich aktiv mit der Umsetzung von vertrauenswürdiger KI zu beschäftigen. Allerdings: Erst 17% haben das Thema auch in eine unternehmensweite Strategie eingebettet. Die Vorbereitungen laufen. Aber es könnte noch eine Weile dauern, ehe sich Trusted AI branchenweit etablieren wird.
Was ist der Grund für diese große Lücke? Auch hierauf bietet die Studie eine Antwort: Zwar wird Trusted AI als Garant für eine gelingende Implementierung von KI wahrgenommen. Doch ihre Umsetzung fordert Versicherer in vielfältiger Weise. Die größte Hürde ist laut Studie für 72% der Befragten die Entwicklung klarer ethischer Richtlinien und Governance-Strukturen. Ethische Bedenken in Bezug auf den Umgang mit sensiblen Daten und die Automatisierung kritischer Entscheidungen (58%) sowie die Herstellung von Transparenz hinsichtlich der Entscheidungsfindung von KI (50%) sind weitere Herausforderungen. All dies trägt dazu bei, dass die Mehrheit der Versicherer noch mit grundlegenden Fragestellungen beschäftigt ist. Das ist grundsätzlich gut so: Ein übereiltes Vorgehen kann Folgen haben, die schwer zu beheben sein können, teilweise sogar gar nicht von der IT registriert werden. Stichwort: KI als Blackbox. Insofern kann hier auch der Grundsatz „Think big, start small“ gelten.
Seite 1 Wie Trusted AI die Assekuranz erobert
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