Interview mit Christian Parschik, Head of Digital Underwriting, und Martin Ossadnik, Abteilungsleiter Service & Marketing bei Markel Deutschland
Markel ist bekannt dafür, schnell auf Digitalisierungstrends zu reagieren. Doch was heute neu ist, ist es morgen nicht mehr. Wie schwer ist es für Versicherer, mit den Entwicklungen mitzuhalten?
Martin Ossadnik Es ist tatsächlich eine große Herausforderung für Versicherungsunternehmen, mit den ständig wechselnden Digitalisierungstrends Schritt zu halten. Die Versicherungsbranche unterliegt einer stetigen Transformation, die von technologischen Fortschritten, veränderten Kundenanforderungen und sich entwickelnden Regulierungsvorschriften angetrieben wird. Um mit diesen Herausforderungen Schritt zu halten, müssen Versicherungsunternehmen eine agile und innovationsfreudige Kultur entwickeln. Dies bedeutet, dass sie in Forschung und Entwicklung investieren, Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen und kontinuierlich ihre Geschäftsmodelle überdenken müssen. Es ist entscheidend, den Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden zu legen und Lösungen anzubieten, die ihren Erwartungen gerecht werden.
Dies ist für mich als Serviceleiter auch ein Indikator, ob wir jedem Trend hinterherlaufen müssen oder ob es überhaupt einen Mehrwert für uns und unsere Kunden birgt. Ein enger Austausch mit der Technologiebranche und die Nutzung von Datenanalytik können ebenfalls dabei helfen, die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Christian Parschik Ich denke, dass die Größe des Versicherers eine bedeutende Rolle dabei spielt, wie schnell er auf solche Digitalisierungstrends reagieren kann. Auch die Produktpalette und die Bereiche, in denen der Versicherer tätig ist, spielt dabei ebenso eine große Rolle. Markel hat die komfortable Situation, als Schnellboot auf dem Meer der Versicherer agieren zu können – mit einer klaren Strategie, einer Fokussierung auf spezielle Zielgruppen und einfachen leistungsstarken Produkten, die ausschließlich auf den gewerblichen Bereich abzielen.
Viele Versicherer sind heute noch damit beschäftigt, Altsysteme abzulösen oder neue Umsysteme in ihrer IT-Landschaft zu integrieren. Wir haben diese Umstellung bereits vor mehreren Jahren abgeschlossen. Doch was wir auch durchaus feststellen, ist, dass auch im Gewerbereich die Produktentwicklungszyklen kürzer werden. Heute reicht es nicht mehr aus, einen Gewerbetarif auf den Markt zu schmeißen, der die nächsten fünf Jahre bestehen und konkurrenzfähig bleibt.
Nun richtet sich Markel auf Neuerungen ein, die der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) mit sich bringt. Wie gehen Sie dabei im Unternehmen vor?
MO Die Integration von KI in die Geschäftsprozesse eines Versicherungsunternehmens kann erhebliche Vorteile bieten – von der Verbesserung der Kundenerfahrung bis zur Optimierung von Prozessen, Risikobewertungen und sogar Betrugsbekämpfung. Wir bei Markel versuchen zunächst, eine klare KI-Strategie zu entwickeln, welche die langfristigen Ziele des Unternehmens berücksichtigen und unterstützen kann. Zudem sind wir versucht, ein sehr gutes Datenmanagement zu haben, denn die Qualität der Eingangsdaten bestimmt auch den Output einer KI.
Bevor wir KI-Anwendungen in großem Maßstab einführen, führen wir kleinere Proof-of-Concept-(PoC)-Projekte durch. Diese PoCs ermöglichen es, die Machbarkeit von KI-Anwendungen zu prüfen und potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren. Auf diese Art und Weise konnten sich auch Start-ups bei uns bereits zweimal erfolgreich etablieren. Diese treten mit breiter Brust auf, à la „Lass uns mal machen!“, und was soll ich sagen, sie haben geliefert.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Talentakquise. Um KI erfolgreich einzuführen, benötigt man ein gewisses Know-how, ein kleines Team von Fachleuten, die sich mit maschinellem Lernen, Datenanalyse und KI-Algorithmen auskennen. Ich denke definitiv, dass man nicht alles inhouse selber herstellen muss, dazu gibt es zu viele Start-ups und Experten da draußen, welche fertige Lösungen entwickeln und anbieten. Dennoch ist es ratsam, intern Experten zu haben, welche die Thematik gut bewerten und eine eventuelle Umsetzung begleiten können.
CP Wir beobachten den Markt genau. Seit diesem Jahr wurde bei Markel Insurance SE auch die neue Stelle des Head of Digital Underwriting geschaffen, um genau auf solche Neuerungen noch besser reagieren zu können und anstehende Digitalisierungsthemen noch schneller vorantreiben zu können. Unter anderem ist Markel seit 2019 Mitglied des InsurTech Hub Munich. Hieraus sind bereits mehrere Kooperationen im Bereich KI entstanden.
Zum einen DeepOpinion und ganz frisch aus dem letzten Programm „NXT:Distribution“, mit Kern AI. Das Tolle bei Markel ist, dass wir offen für Neues sind und auch gerne neue Wege gehen. Durch die flachen Hierarchien ist hier ein Austausch auch auf Vorstandsebene zu diesen Themen immer möglich. Markel wurde seitens des InsurTech Hub Munich bereits für seine Schnelligkeit bei der Umsetzung mit den Start-ups ausgezeichnet.
Ein bisschen was haben Sie bereits erläutert. Aber welche Erwartungen verbinden Sie allgemein mit dem KI-Einsatz?
MO Hier gibt es einige Punkte für mich, diese fasse ich aber unter einem Begriff zusammen: Kundenzufriedenheit – und bei uns auch Maklerzufriedenheit. Erst dann folgt Effizienzsteigerung und manuelle Prozesse werden in automatisierte Prozesse überführt. Und auch: Kostenreduktion sowie die Echtzeit-Entscheidungsunterstützung durch Informationsbereitstellung für fundierte Entscheidungen und für Wettbewerbsvorteile.
CP Wir glauben stark daran, dass KI-Einsatz einen großen Mehrwert in der täglichen Arbeit liefern kann. Hierbei glauben wir an einen hybriden Ansatz. Unsere Mitarbeiter können unter dem Einsatz von KI die tägliche Arbeit schneller und effizienter bewältigen. Ebenso kann KI bei einfachen und zum Teil sehr arbeitsintensiven Vorgängen einen absoluten Mehrwert bieten. Dies geht von Adressänderung über Namensänderung bis hin zur Zuteilung von Arbeitsvorgängen an den richtigen Mitarbeiter.
Nun arbeiten Sie wie erwähnt mit dem Start-up DeepOpinion zusammen. Es geht um die Automatisierung von sich wiederholenden, textbasierten Prozessen. Was genau heißt das?
MO In unserem konkreten Fall heißt das Folgendes: Ein Kunde oder Makler schreibt uns eine E-Mail mit einer Anfrage an uns. Mit DeepOpinion haben wir es geschafft, eine Schnittstelle in unser bestehendes Ticketsystem zu bauen. Hier liest die KI aus, um welches Thema es sich handelt und routet das Ticket in das richtige Team. Früher war das ein manueller Prozess und es kam zu Zeitverzögerungen in der Verarbeitung. Jetzt landet das Anliegen sofort im richtigen Team. Nicht nur das. Wir verstehen ohne manuelles Anfassen, welche Dringlichkeit ein Ticket hat und das System labelt eine Priorität dazu.
Seite 1 Wie und wo Markel den Einsatz von KI plant
Seite 2 Was verbessert sich für Ihre Kunden, und was verbessert sich in der Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern?


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