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29. Juli 2020
Wirecard-Skandal: BaFin und Anwälte machen ernst

Wirecard-Skandal: BaFin und Anwälte machen ernst

Wirecard ist der Finanzskandal des Jahres. Im Zuge der Betrugsvorwürfe und -ermittlungen hat die TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH eine Schadenersatzklage gegen die BaFin eingereicht. Die Finanzaufsicht hat nun wiederum Wirecard Zwangsgelder angedroht.

Die Tübinger TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (TILP) hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor dem allein zuständigen Landgericht (LG) Frankfurt am Main auf Schadenersatz verklagt. Der Klagvorwurf lautet auf jahrelangen Amtsmissbrauch der BaFin im Fall Wirecard. Begründet wird der Amtsmissbrauch damit, dass die BaFin zumindest leichtfertig ihre gesetzlichen Pflichten zur Aufklärung, Verhinderung und Anzeige von Marktmanipulationen und zur richtigen, vollständigen und nicht irreführenden Information der Öffentlichkeit und des Kapitalmarktes verletzt habe.

Grobe Missachtung ihrer Aufgaben und Befugnisse

„Nach unserer festen Überzeugung haftet die BaFin zumindest für alle Erwerbe von Wirecard-Aktien und der Wirecard-Anleihe sowie Derivaten auf die Wirecard-Aktie, die ab dem 18.02.2019 erfolgten, auf Schadenersatz“, erklärt Rechtsanwalt Andreas W. Tilp. „Die BaFin hat sich unseres Erachtens jahrelang unter grober Missachtung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse eigener Ermittlungen gegenüber der Wirecard AG wegen Marktmanipulation verweigert und einseitig gegen Journalisten und Leerverkäufer agiert, obwohl sie die öffentliche Berichterstattung über massive Unregelmäßigkeiten der Wirecard AG genau kannte.“

Bilanzbetrug hätte längst bekannt sein können

Hätte die BaFin ordnungsgemäß ermittelt, wäre der Bilanzbetrug laut Tilp am Freitag, dem 15.02.2019, längst öffentlich bekannt gewesen. „Stattdessen hat die BaFin an diesem Tag erstmals die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, DPR, zur Prüfung etwaiger Verstöße der Wirecard AG gegen Bilanzrecht im Halbjahresfinanzbericht 2018 veranlasst“, erläutert Tilp. Das Prüfungsverlangen der BaFin an die DPR setze nach § 342b Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) voraus, dass der BaFin konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen.

Leerverkaufsverbot statt Information der Öffentlichkeit

„Obwohl der BaFin also konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften durch die Wirecard AG vorgelegen haben mussten, hat sie die Öffentlichkeit darüber nicht informiert“, betont TILP-Anwalt Maximilian Weiss. Vielmehr hat die BaFin mit Allgemeinverfügung vom 18.02.2019 ein Leerverkaufsverbot in Wirecard-Aktien angeordnet und in deren Sachverhaltsdarstellung die ihr bekannten Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Bilanzrecht verschwiegen. Ebenso habe die BaFin der Öffentlichkeit verschwiegen, dass sie schon am 14.02.2019 dem Bundesfinanzministerium mitgeteilt hatte, nicht nur die DPR zu beauftragen, sondern auch, dass sie wegen Marktmanipulationen in alle Richtungen untersucht. „Damit hat die BaFin den Markt öffentlich einseitig, unvollständig und irreführend informiert, was nach unserer festen Überzeugung ebenfalls eine Amtshaftung nach § 839 BGB begründet“, resümiert Weiss.

BaFin droht Zwangsgeld gegen Wirecard an

Ungeachtet der Vorwürfe hat die BaFin am Mittwoch darüber informiert, dass sie am 22.07.2020 gegen die Wirecard AG die Erfüllung der Finanzberichterstattungspflichten nach §§ 114 ff. des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) angeordnet und Zwangsgelder in Höhe von 330.000 Euro angedroht hat. Der Zahlungsdienstleister hat nach Ansicht der Finanzaufsicht gegen die Pflichten aus § 114 Absatz 1 Sätze 2 und 3 WpHG (fehlende Hinweisbekanntmachung) in Bezug auf die Jahresfinanzinformationen für das Geschäftsjahr 2019 verstoßen. Der Bescheid ist sofort vollziehbar, aber noch nicht bestandskräftig. (mh)

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