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29. März 2021
Wirecard-Skandal: So erklärt die BaFin das Leerverkaufsverbot

Wirecard-Skandal: So erklärt die BaFin das Leerverkaufsverbot

Im Februar 2019 hat die BaFin zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Leerverkaufsverbot ausgesprochen – und damit reichlich Kritik auf sich gezogen. Schließlich ging es dabei um den Skandalkonzern Wirecard. Nun wurden die Verantwortlichen der BaFin dazu in den Untersuchungsausschuss geladen.

Mit dem Leerverkaufsverbot auf die Aktien von Wirecard wollte die BaFin im Februar 2019 ein Exempel statuieren. Damit zog die Finanzaufsicht schon damals Kritik auf sich. Damals war Wirecard noch der aufstrebende Star der deutschen Finanzwirtschaft. Heute steht der Name für einen der größten Finanzskandale der vergangenen Jahre. Und damit ist auch die Maßnahme der BaFin stärker in die Kritik geraten. Am vergangenen Freitag musste sich die Führungsspitze der Finanzaufsicht dem 3. Untersuchungsausschuss zu Wirecard stellen.

Staatsanwaltschaft schlug bei der BaFin auf

Geladen war zunächst die scheidende Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht, Elisabeth Roegele. Sie stand den Abgeordneten insgesamt sechs Stunden Rede und Antwort. Laut Roegele hat sich die Staatsanwaltschaft München am 15.02.2019 bei der BaFin mit Hinweisen des Wirecard-Anwalts gemeldet, dass Wirecard erpresst und eine Short-Attacke möglicherweise bevorstehen werde. „Erstmals in der Geschichte der BaFin haben wir von einer bevorstehenden Short-Attacke erfahren“, berichtete Roegele.

Übermittelten Informationen nicht weiter nachgegangen

Den von der Staatsanwaltschaft übermittelten Informationen sei die BaFin nicht weiter nachgegangen, so Roegele, sondern habe diese sehr ernst genommen und sich einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt gesehen. Dem Untersuchungsausschuss zufolge ist die Finanzaufsicht in einer bisher nicht dagewesenen Weise von der Staatsanwaltschaft dazu gedrängt worden, präventiv von dem Instrument des Leerverkaufsverbots Gebrauch zu machen.

Anlegerschutz statt Unternehmensschutz

Die Entscheidung für das umstrittene Leerverkaufsverbot habe Roegele getroffen, zuvor aber das Finanzministerium und die Bundesbank in Kenntnis gesetzt sowie die Meinung der europäischen ESMA abgewartet. Die scheidende Exekutivdirektorin widersprach vor dem Ausschuss vehement dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Eindruck, dass die BaFin mit dem Leerverkaufsverbot das Unternehmen Wirecard habe schützen wollen. Ziel der Maßnahme sei allein gewesen, den Anlegerschutz und das Marktvertrauen zu gewährleisten. Um das sicherzustellen sei es darum gegangen, eine Marktmanipulation abzuwenden.

Kritische Medienberichterstattung sehr ernst genommen

Die kritische Medienberichterstattung über Wirecard habe man in der BaFin seinerzeit sehr ernst genommen. Diese habe einerseits glaubhaft das Bild komplettiert, dass es im Marktumfeld und am Markt gegen Wirecard gerichtete Aktivitäten gab, so die Zeugin. Andererseits habe ihr Haus bereits vor dem Leerverkaufsverbot eine Bilanzprüfung der Wirecard AG bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) beauftragt. Die beiden Tatorte – kriminelle Energie gegen Wirecard und kriminelle Energie bei Wirecard – schlössen einander ja nicht aus.

So erklärt Felix Hufeld das Wirecard-Leerverkaufsverbot

Auch der scheidende BaFin-Präsident Felix Hufeld musste im Ausschuss aussagen. Unter den damals gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung der damaligen Informationen sei die Entscheidung richtig gewesen. Man habe sich keinesfalls nur auf die Hinweise der Staatsanwaltschaft München gestützt und schon gar nicht auf Zuruf der Strafverfolgungsbehörde gehandelt, sondern sich ein Gesamtbild gemacht. Die BaFin habe die Wirecard-Kursbewegungen beobachtet sowie eine hohe Volatilität und einen starken Anstieg von Short-Positionen im Vorfeld gesehen. Zudem haben man eine zustimmende Meinung der ESMA eingeholt.

Richtige Entscheidung zur damaligen Faktenlage …

Im Lichte all dieser Faktoren sei es richtig gewesen, diese Entscheidung zu treffen. „Hundertprozent ja: Wir hatten es mit aggressiven Short-Attacken zu tun. In den Wochen vor unserer Maßnahme haben sich Short-Positionen in dramatischer Weise aufgebaut“, so Hufeld. Die mit einem Grundton der Seriosität und Dringlichkeit übermittelten Hinweise der Staatsanwaltschaft habe man daher absolut glaubhaft entgegengenommen. Gegenüber der Staatsanwaltschaft schwinge man sich nicht als Ermittler auf, der den zugestellten Hinweisen noch nachspüre. Das sei eine Frage des Umgangs zwischen Behörden in Deutschland. Man müsse sich aufeinander verlassen können.

… und ein wenig Selbstkritik

Hufeld gestand aber zumindest eine gewisse operative Hast in seiner Behörde an jenem Wochenende vom 16. und 17.02.2019 zu. Zudem hätte man in der Verfügung der Maßnahme besser kommunizieren müssen, dass die BaFin mit dem Leerverkaufsverbot keinesfalls das Unternehmen Wirecard habe schützen wollen und dass dies keine Parteinahme gewesen sei. Vielmehr sagte er wie schon zuvor Roegele, dass die Gewährleistung des Marktvertrauens und des Anlegerschutzes für seine Behörde im Mittelpunkt gestanden sei.

Geforderter Kulturwandel

Nicht zuletzt die Politik habe ja von der BaFin immer wieder einen „Kulturwandel“ verlangt, in dem Sinne, bei Verstößen, die das Marktvertrauen gefährdeten, energischer, aggressiver und couragierter vorzugehen. Und dann habe sich plötzlich im Februar 2019 die Chance aufgetan, eine kriminelle Handlung sogar im Vorfeld vereiteln zu können. Man habe also gehandelt, um auf diese Weise einer Straftat im Bereich des Short-Selling vorzubeugen. „Aber das hat uns nicht blind gemacht. Die Kollegen haben sich Mühe gemacht, die Sache in alle Richtungen abzuklopfen“, schränkte Hufeld aber ein. Das ganze Wochenende sei in der BaFin an dieser Entscheidung gearbeitet worden. Auch Hufeld verwies zudem auf die Einschaltung der DPR zur Bilanzprüfung. Diese sei der Schlüssel dafür gewesen, um gegebenenfalls „auch mal eine Marktmanipulationsanzeige gegen Wirecard selbst stellen zu können“.

Opferrolle schon Anfang 2019 unrealistisch

An die Erzählung, die Wirecard in der Opferrolle gesehen hat, habe er bereits spätestens seit Anfang 2019 nicht mehr geglaubt. Seitdem habe die BaFin in alle Richtungen, auch gegen Wirecard, ermittelt. Es gehöre leider zur Tragik des Falls Wirecard, dass bestimmte Verfahren wie die gegen Insider und zwei Journalisten im April 2019 schneller vorwärtsgekommen seien als die Verfahren gegen Kriminelle bei Wirecard selbst. Von Gesetzes wegen habe die BaFin da Strafanzeige stellen müssen, während in anderen Fällen damals noch entscheidende rechtliche Bausteine fehlten. (mh)

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