Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft e. V. (GVNW) hat die umfassenden Ausschlüsse, die manche Versicherer offenbar in weltweit geltenden Versicherungsverträgen aufnehmen, scharf kritisiert. Seit Beginn der Ukraine-Krise haben insbesondere die Staaten der westlichen Welt Sanktionsregimes gegen Russland eingeführt. In diesem Zusammenhang beobachtet der GVNW, der sowohl die Interessen von Einzelunternehmen als auch von global operierenden Konzernen vertritt, nun eine Entwicklung bei Versicherern, zusätzlich hierzu umfassende Territorialausschlüsse in weltweit geltende Versicherungsverträge aufnehmen zu wollen.
Für Territorialausschlüsse gibt es keine Notwendigkeit
Vor allem Industrieunternehmen beobachten mit Sorge, dass einige Versicherungsgesellschaften zusätzlich sogenannte Territorialausschlüsse für Russland, Belarus und die Ukraine verlangen. Mit diesen neuen Klauseln wollen die Versicherer Schäden, die sich in diesen Ländern ereignen, bzw. Risiken, die einen engen Bezug zu Russland aufweisen, vollumfänglich oder weitgehend vom Versicherungsschutz ausschließen. Doch für ein derartiges Vorgehen seitens der Industrieversicherer „mit dem Rasenmäher“ bestehe laut GVNW keine Notwendigkeit. Schließlich seien die Versicherer bereits über die vorhandenen Instrumente zur Gestaltung und sachlichen Beschränkung des Versicherungsschutzes, wie Sanktionsklauseln und Kriegsausschlüsse, hinreichend geschützt.
Internationaler Versicherungsschutz ist Aufgabe der Versicherer
Der Wirtschaftsverband führt in erster Linie an, dass die Funktionsfähigkeit (in der Ukraine) und die Verlässlichkeit (in Russland) des jeweiligen lokalen Versicherungsmarktes derzeit stark eingeschränkt sind. Wenn aber dann die Versicherer ihren Industriekunden empfehlen, sich in der gegenwärtigen Situation verstärkt lokalen Versicherungsschutz zu verschaffen, widerspräche dies dem Konzept eines integrierten internationalen Versicherungsprogramms. „Solche lokalen Unsicherheiten aufzufangen und abzufedern, ist indessen die Aufgabe internationale Versicherungsprogramme anbietender Versicherer“, resümiert GVNW-Geschäftsführer Stefan Rosenowski. Außerdem würden die Versicherer mit einem kompletten Territorialausschluss weit über das Ziel bestehender Sanktionen hinausschießen, weil dann auch die Lieferung erlaubter Güter, wie zum Beispiel Babynahrung, Medikamente, spezielle medizinische Produkte oder Saatgut, nach Russland erschwert oder gar verhindert würde.
Unternehmen können sich nicht einfach zurückziehen
Außerdem argumentiert der GVNW dass es Unternehmen nicht möglich ist, sich von jetzt auf gleich aus den betroffenen Ländern zurückzuziehen. Denn mit Blick auf bereits ausgelieferte Produkte würde trotz Rückzugs ein relevantes (Nach-) Haftungspotenzial für den Industriekunden bestehen. „Solche Risiken verblieben dann gegebenenfalls ohne entsprechenden Versicherungsschutz und wären von den Unternehmen allein zu tragen, obwohl hierfür bereits Prämien gezahlt wurden“, klagt Rosenowski. So hätten die Warentransportversicherer die Versicherung der Kriegsgefahren für Luft-, Post- und Seebeförderungen bereits gekündigt. Darüber hinausgehende Länderausschlüsse, die dann auch Verluste oder Beschädigungen von Waren in von den Kriegshandlungen weit entfernten Regionen umfassen, seien daher nicht notwendig, betont der GVNW. Schließlich befürchtet der Wirtschaftsverband, dass nach Aufnahme eines entsprechenden Ausschlusses die Liste ausgeschlossener Länder bzw. Territorien über die Zeit immer länger werden könnte, sobald irgendwo in der Welt weitere Herausforderungen entstünden. „Eine solche Entwicklung wäre aus Sicht der deutschen Wirtschaft inakzeptabel“, wie Rosenowski zu erkennen gab. (as)
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