In einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil hat das Landgericht Köln (LG) entschieden, dass ein Versicherer ihrem Versicherungsnehmer die volle Versicherungssumme in Höhe von 1.030.000 Euro zahlen muss. Hintergrund war ein Unfall beim Auskranen einer Motoryacht, bei dem diese erheblich beschädigt wurde. Der Fall beleuchtet Fragen zur Auslegung von Versicherungsbedingungen und zur Rolle von Mitversicherern.
Schadenträchtiger Unfall
Der Yachtinhaber hatte bei dem Versicherer eine Sportboot-Kaskoversicherung in Form einer Allgefahrenversicherung abgeschlossen. Die Motoryacht sollte in einer Werft gewartet und instandgesetzt werden. Dabei wurde sie mit einem sogenannten Travel-Lift aus dem Wasser gehoben. Während dieses Vorgangs riss ein Träger des Hebegeräts – die Yacht stürzte zu Boden und wurde stark beschädigt.
Die Versicherung verweigerte die vollständige Regulierung mit Hinweis auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), konkret auf eine Ausschlussklausel für Transportschäden. Der Besitzer sah den Unfall jedoch als vom Versicherungsschutz gedeckt an – und klagte auf die volle Entschädigungssumme.
Zentrale Frage: Anlandholen oder Transport?
Kernpunkt des Streits war die Frage, ob der Vorgang als „Transport“ oder als „Anlandholen“ im Sinne der AVB zu werten sei. In Ziffer 5.2.2 der AVB heißt es, dass Transportschäden nur bei bestimmten Ereignissen wie Unfällen oder Diebstahl gedeckt seien. Dagegen ist das „Anlandholen“ gemäß Ziffer 2.6 grundsätzlich versichert.
Das Gericht stellte klar: Die Yacht befand sich beim Unfall noch im Rahmen des Anlandholens. Es sei aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nachvollziehbar, dass dieser Vorgang nicht mit dem Verlust des Wasserkontakts ende, sondern erst abgeschlossen sei, wenn das Schiff seinen vorgesehenen Platz an Land sicher erreicht habe. Der Unfall habe sich also in einem gedeckten Risikomoment ereignet. Die Ausschlussklausel für Transporte greife daher nicht.
Keine Mitversicherung ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers
Zusätzlich versuchte die beklagte Versicherung, ihre Zahlungspflicht mit dem Argument zu reduzieren, sie sei lediglich zu 75% am Vertrag beteiligt. Hintergrund sei der – angeblich – spätere Eintritt eines weiteren Versicherers.
Auch hier folgte das Gericht nicht. Es betonte, dass eine sogenannte „offene Mitversicherung“ nur mit Zustimmung des Versicherungsnehmers wirksam sei. Eine bloße Information über einen beabsichtigten Eintritt reiche nicht aus – es brauche die ausdrückliche Zustimmung des Kunden. Diese sei hier weder belegt noch dokumentiert worden. In den Nachträgen zum Versicherungsvertrag sei sogar explizit vermerkt worden, dass „keine weiteren Änderungen“ vorgenommen wurden. Die Beklagte blieb somit zu 100% verpflichtet.
Schadenshöhe: Totalschaden festgestellt
Die Kammer ließ die Höhe der Reparaturkosten durch einen Sachverständigen klären. Dieser bestätigte auf Basis einer gründlichen technischen Analyse, dass die Reparaturkosten einschließlich Transport- und Lackierkosten über der Versicherungssumme liegen. Damit liege ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Gemäß Ziffer 10 der AVB sei in diesem Fall die volle Versicherungssumme ohne Abzug zu zahlen.
Auch der Versuch der Beklagten, Vorschäden geltend zu machen, scheiterte: Der Sachverständige hatte eine differenzierte Bewertung vorgenommen und nachvollziehbar erklärt, welche Schäden konkret auf den aktuellen Vorfall zurückzuführen sind.
Keine Obliegenheitsverletzung
Schließlich wies das Gericht auch das Argument zurück, es habe keine ordnungsgemäße Schadenmeldung gegeben. Eine E-Mail der Vermittlungsagentur vom Tag des Vorfalls dokumentierte klar die Kenntnis der Versicherung vom Schadenfall – und damit eine wirksame Meldung.
LG Köln, Urteil vom 11.12.2023 – Az. 20 O 18/23
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