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10. Juni 2022
Zinswende angekündigt: Was bedeutet das für die Bauzinsen?
Zinswende angekündigt: Was bedeutet das für die Bauzinsen?

Zinswende angekündigt: Was bedeutet das für die Bauzinsen?

Die Europäische Zentralbank (EZB) will im Juli ihre Anleihekäufe beenden und dann den Leitzins im Euroraum anheben. Was die Erhöhung für die Baufinanzierungszinsen bedeutet und wie sich dies auf die Preise für Wohnimmobilien auswirken dürfte, dazu haben Experten Einschätzungen abgegeben.

Die Europäische Zentralbank (EZB) beendet Anfang Juli ihre Anleihekäufe. Dann soll eine Anhebung des Leitzinses im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte erfolgen (AssCompact berichtet hier). Es ist die erste Erhöhung seit über zehn Jahren. Ein weiterer Zinsschritt könnte im September folgen. Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft beim Vermittler privater Baufinanzierungen Interhyp, begrüßt dieses klare Signal: „Denn es schafft Klarheit für den Kapitalmarkt und ist eine Möglichkeit, der hohen Inflation, die unseren Wohlstand gefährdet, etwas entgegenzusetzen.“ Doch was bedeutet dieser Schritt für die Baufinanzierungszinsen und die Immobilienpreise?

Wie entwickeln sich die Baufinanzierungszinsen?

Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Baufinanzierungsvermittlers Dr. Klein, sieht weiteres Aufwärtspotenzial und Bewegung auf dem Immobilienmarkt. Er erklärt zur EZB-Ankündigung: „Mit dem weiteren Anstieg der Inflationsraten war die EZB quasi gezwungen, eine Zinsanhebung zu kommunizieren. Deshalb sind die Zinsen für Baufinanzierungen zuletzt wieder sichtbar angezogen.“ Der Zins für ein repräsentatives zehnjähriges Darlehen betrage aktuell 2,64% (Stand: 08.06.2022). Das ist rund drei Mal so viel wie Ende 2021. Kurzfristig könnte sich dieser Anstieg fortsetzen, schätzt Klein. Denn nach Bekanntwerden des EZB-Entscheids zeige die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen einen starken Ausschlag nach oben, und das habe direkten Einfluss auf Baufinanzierungszinsen, so Klein weiter.

Kein rasanter Anstieg wie zu Jahresbeginn, aber weiter Aufwärtspotenzial

Nachdem die Bauzinsen in den ersten Monaten des Jahres rasant zugelegt hatten, zeigte sich die Dynamik zuletzt abgeschwächt. Michael Neumann rechnet auch für die kommenden Monate nicht mehr mit einer so drastischen Entwicklung wie zum Jahresanfang.

Er geht aber von einem weiter steigenden Niveau bei hoher Volatilität aus. Noch sei nicht abzusehen, wann die Inflationsrate ihren Zenit erreicht habe und wie die EZB weiter vorgehen werde, so der Vorstandsvorsitzende von Dr. Klein. Zudem bleibt das wirtschaftliche Risiko bestehen, das die Abhängigkeit Deutschlands vom Energielieferanten Russland darstellt. Bundesanleihen büßen deshalb an Attraktivität ein, was ihre Rendite steigen lässt – und damit auch die Baufinanzierungszinsen. Michael Neumann geht demzufolge davon aus, dass die Bauzinsen im Jahresverlauf auf über 3% zulegen.

Mit einem weiteren Anstieg der Bauzinsen, aber langsamer als im ersten Halbjahr, rechnet auch die Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr: „Wenn die EZB im Sommer den Leitzins erhöht, erwarten wir keinen abrupten Anstieg beim Baugeld. Wir gehen von einem moderaten weiteren Anstieg aus, nachdem die Zeichen für eine straffere Geldpolitik nun gesetzt sind.“

Sie verweist ebenfalls auf die Renditen der langfristigen Bundesanleihen und Pfandbriefe. Auf diese hätten die Erwartungen an die Inflation und an die zukünftige Geldpolitik Einfluss. „Auch in der Vergangenheit haben wir bei Leitzinsentscheidungen meist keinen unmittelbaren Einfluss auf den Bauzins gesehen, sondern bereits im Vorfeld, weil die Märkte die Erwartungen an die Entscheidungen berücksichtigen“, so Mohr weiter. Auch die Interhyp-Vorständin sowie die Mehrzahl der monatlich von Interhyp befragten Experten halten eine Zunahme der Bauzinsen im Jahresverlauf auf 3% bis 3,5% für zehnjährige Darlehen für realistisch.

Was bedeuten höhere Zinsen für die Immobilienpreise?

Führen höhere Zinsen nun zu deutlich sinkenden Preisen für Wohnimmobilien? Michael Neumann von Dr. Klein hält dies zumindest auf absehbare Zeit für wenig realistisch, spricht aber von Bewegung im Markt. „Erste Indizien, dass die Preisdynamik abflaut, sehen wir vermutlich schon in diesem Quartal. Angesichts des aktuellen Zinsniveaus sind einige Käufer nicht mehr bereit, sich auf die hohen Immobilienpreise einzulassen – oder sie können sie sich schlichtweg nicht mehr leisten“, erklärt er. Ein Ende der rasanten Preisrallye erwartet der Experte am ehesten in weniger prosperierenden Lagen.

Derzeit ist die Nachfrage noch hoch, da Immobilienkäufer angesichts weiter steigender Zinsen noch schnell zuschlagen. Zugleich treibt das begrenzte Angebot die Preise. Der Neubau wird gebremst von hohen Baustoffpreisen und Lieferengpässen, zugleich würden laut Neumann derzeit weniger Eigentümer ihre Immobilie zum Verkauf anbieten aufgrund der hohen Inflation. „Bis sich das wieder auflöst und Immobilienpreise in größerem Ausmaß sinken, kann es noch lange dauern“, schätzt Neumann. (tk)

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