Wenn Versicherern ein versichertes Ereignis gemeldet wird, sind alle Beteiligten an einer schnellen und effizienten Bearbeitung interessiert. Hakt es in diesem Bereich, ist das nicht nur für Kunden, sondern auch für Makler ein Ärgernis. Gerade in letzter Zeit haben sich Meldungen über verlängerte Bearbeitungszeiten gehäuft.
Im ersten Teil dieses Artikels haben Bernd Helmsauer, Vorstand der Helmsauer Gruppe, und Alexandra Kallmeier, Geschäftsführerin der VersCare Versicherungsmakler GmbH, ihre Erfahrungen mit diesen Verzögerungen detailliert und über die Folgen für die Maklerhäuser und die Branche im Allgemeinen gesprochen.
BaFin fordert zügigere Bearbeitung
Dass die Lage durchaus ernst zu nehmen ist, zeigt die Tatsache, dass sich im April die BaFin zu dem Thema eingeschaltet hat. Als Antwort auf eine Häufung von Verbraucherbeschwerden veröffentlichte die Aufsichtsbehörde eine Aufsichtsmitteilung, in der sie Versicherer auffordert, in „durchschnittlich gelagerten Fällen“ Leistungsanträge grundsätzlich innerhalb eines Monats abschließend zu bearbeiten.
Versicherer müssen ihren Geschäftsbetrieb derart organisieren, dass sie die gesetzlichen Vorgaben beachten, erklärt die BaFin auf Nachfrage der AssCompact. Zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation gehöre insbesondere auch, dass „die Ansprüche der Versicherungsnehmer/-innen und anderer bezugsberechtigter Personen fristgerecht, d. h. unverzüglich nach Abschluss der notwendigen Erhebungen, erfüllt werden können.“
Dabei betont die Aufsicht, dass es Ausnahmefälle gibt. Bei Großschadenereignissen oder bei Fällen mit komplexeren Sachverhalten könne eine längere Bearbeitungszeit als ein Monat angemessen sein. Das gelte speziell auch für Versicherungsfälle mit Personenschäden, heißt es.
Aber: „Die BaFin akzeptiert keine dauerhaften Leistungsverzögerungen. Entsprechende Fälle verfolgt sie konsequent“, erklärt die BaFin gegenüber AssCompact.
Kumulschadenereignisse als Herausforderung
Was haben Versicherer zu dem Thema zu sagen? AssCompact hat bei mehreren Versicherern nachgefragt, ob es in ihrem Unternehmen Probleme mit Verzögerungen gegeben hat bzw. aktuell noch gibt, was die Ursachen waren bzw. sind und wie die Unternehmen damit umgehen.
Die Aufforderung der BaFin schätzt man bei der R+V demnach zunächst als „realistisch“ ein. „Im Regelfall kann die R+V die Erwartungshaltung der BaFin übertreffen und die Fälle schneller bearbeiten“, erklärt der Versicherer auf Nachfrage.
Ziel sei es, eingehende Meldungen „tagesaktuell“ zu bearbeiten. Bei außerordentlichen Ereignissen wie etwa den Überschwemmungen 2024 in Bayern und Baden-Württemberg könne dies jedoch nicht immer gewährt werden. „Bei solchen Kumulschäden kann die Bearbeitung vorübergehend an ihre Grenzen stoßen“, so die R+V.
Lieferengpässe und Ersatzteilmangel
Während Kumulschadenereignissen werden Versicherern außergewöhnlich viele sehr große Schäden in sehr kurzer Zeit gemeldet. Das könne zu Verzögerungen führen, auch bei der Begutachtung von Schäden, erklärt die R+V. „Hinzu kommt dann eine große Nachfrage nach Handwerkern. Oft mangelt es an Baustoffen oder Ersatzteilen, was wiederum zu Engpässen bei der Lieferung führen kann.“
Bei der AXA stimmt man dieser Aussage zu. „Solche exogenen Faktoren haben sich insbesondere zum Höhepunkt der Corona-Pandemie zudem ungünstig wechselseitig verstärkt“, schreibt die AXA. „Mit den notwendigen Investitionen in unsere Schadenprozesse und Schaden-Teams haben wir wirkungsvoll reagiert.“
Allerdings gibt der Versicherer zu, dass die Lage im Bereich Kfz weiterhin schwierig sei, da beispielsweise weiterhin einzelne Ersatzteile noch nicht wieder so schnell verfügbar seien wie vor der Corona-Pandemie. „Das führt zu längeren Reparaturzeiten und mehr Rückfragen von Kund:innen. Trotzdem erreichen wir bei den allermeisten Anfragen die Servicelevel, die wir aufgrund von Kundenbefragungen festgelegt haben.“
Alle Beteiligten müssen zusammenarbeiten
Auch äußere – zunächst positive – Umstände können zu Bearbeitungsrückständen führen. So etwa bei der Itzehoer, die im Jahr 2024 ein „geradezu explosionsartiges“ unvorhergesehenes Wachstum um 220.000 versicherte Kfz-Risiken erlebte. Dadurch wurde das Serviceniveau „deutlich beeinträchtigt“, gibt die Itzehoer zu. Seit dem Frühjahr 2025 habe sich die Lage wieder normalisiert.
Es spielen also vielfältige Faktoren eine Rolle. Schaden- bzw. Leistungsanträge nicht nur schnell, sondern auch qualitativ hochwertig und zur Zufriedenheit des Kunden zu bearbeiten, sei „generell eine Herausforderung“, schreibt die ALH Gruppe. Der Versicherer merkt an, dass es bei Bearbeitungszeiten auch auf die Mitarbeit der anderen Parteien ankommt: „Um diesen Prozess zu beschleunigen, ist es besonders hilfreich, wenn der Kunde bzw. der Geschäftspartner rechtzeitig alle nötigen Auskünfte oder Dokumente vollständig einreicht, sodass keine Rückfragen unsererseits nötig sind.“
Gegensteuernde Maßnahmen
Was also tun die Versicherer bzw. haben sie getan, um Bearbeitungsrückstände abzuarbeiten? Die Itzehoer hat laut eigenen Aussagen während der oben genannten Wachstumsphase „vielfältige Maßnahmen“ eingesetzt. „Als Sofortmaßnahme die Hinzuziehung externer Ressourcen zur Schadenbearbeitung sowie Samstagsarbeit an mehr als 30 Wochenenden, begleitend entlastende Automatisierungslösungen sowie die Aufstockung der eigenen personellen Ressourcen.“
Bei der R+V hat man ein spezielles Kumulschadenkonzept entwickelt. „So können wir durch flexible Arbeitszeitmodelle und spartenübergreifende Einsatzplanung bei Extremschadenereignissen schnell Mitarbeitende hinzuziehen.“ Bei der Ressourcen- und Prioritätenplanung wird auch künstliche Intelligenz eingesetzt, ergänzt der Versicherer.
Die AXA stockt aktuell personell auf und investiert zudem in die Optimierung ihrer IT-Systeme für schnellere Abläufe.
Einig ist man sich unter den Versicherern, dass ein hohes Serviceniveau Teil des Geschäftsmodells der Branche ist und bleibt. Derzeit scheint es jedoch noch einige Unstimmigkeiten zwischen Versicherern, Maklern, Kunden und auch der Aufsichtsbehörde zu geben, ob dieses auch immer erreicht wird. Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis die verschiedenen Parteien hier wieder auf einem gemeinsamen Nenner kommen. (js/lg)
Den ersten Teil dieses Artikels finden Sie hier: Bearbeitungszeiten bei Versicherern: Das meinen Makler dazu
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Leserkommentare
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Zu lange Bearbeitungszeiten? Das sagen Versicherer
Lieferengpässe und Ersatzteilmangel sind nicht das Problem, Reaktionszeiten von mehreren Wochen oder nur responder mit Standardfloskeln schon!
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