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1. Mai 2019
Zurich Deutschland – Ein Unternehmen erfindet sich neu

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Zurich Deutschland – Ein Unternehmen erfindet sich neu

Wenn man sich so sehr auf sich selbst konzentriert, leidet dann das Geschäft?

Im Gegenteil. Man hätte das alles nicht besser orchestrieren können: Parallel zum Prozess der Strategieentwicklung und des Kulturwandels haben sich unsere Initiativen bereits positiv auf das Geschäft ausgewirkt. Wir haben unser Betriebsergebnis nicht nur signifikant steigern können, es liegt darüber hinaus deutlich über Plan. Auch haben wir in der zweiten Jahreshälfte 2018 die Trendwende im Prämienwachstum geschafft. Nach der Prämienerosion der letzten Jahre konnten wir das jetzt stoppen und stehen für das ganze Jahr 2018 mit 1% wieder insgesamt im Plus. Auch im Bankenkanal haben wir mit einem Plus von 8% im Neugeschäft gegenüber den erheblichen Verlusten aus den Vorjahren den Turn­around geschafft. Das ist natürlich eine Entwicklung, an der wir uns messen lassen wollen.

Können Sie uns bitte ein paar konkrete Beispiele nennen?

Wir haben beispielsweise drei Innova­tion Labs für Produkt- oder Kundenpropositionen – also Mobility, Smart Home und New Life – gegründet sowie drei Innovation Labs, die eher etwas mit Fähigkeiten zu tun haben – KI, Prozessdigitalisierung und API. Wenn wir beispielsweise eine Kooperation eingehen, dann müssen mit dem Trocknen des Kooperationsvertrags die Produkte schon live auf der Plattform sein. Oder nehmen Sie die Zurich Videotelefonie. Im Schadenfall kann sich der Regulierer mit einer App auf das Smartphone des Kunden schalten und den Schaden so dokumentieren und schnellstmöglichst regeln. Das spart im Vergleich zur Besichtigung vor Ort unglaublich viel Zeit. Wir suchen nicht nach 5- bis 10%-iger Verbesserung, wir wollen 70 bis 80% Verbesserung. Dann haben wir eine Hausratversicherung „protect your stuff“ für die Generation Y entwickelt. Die ist nicht mehr postleitzahlengebunden, sondern personengebunden. Es ist eine Summenversicherung, die man komplett online abschließen kann. Das gehört zu einer Produktlinie, die „Mach Dir keinen Kopf“ heißt – eine Versicherungsproduktlinie für die Nachwuchsgeneration Y.

Aber das sind ja wahrscheinlich eher nicht die Produkte, von denen das Wachstum kommt?

Das Wachstum kommt erst mal aus den klassischen Produkten, auch aus unserer Expansionsstrategie im Kleingewerbegeschäft. Dann haben wir ja auch die DA Direkt in ihrer eigenständigen Position gestärkt. Sie richtet sich an Kunden, die vor allem selbst gesteuert und preis­sensitiv handeln. Dort dominiert das Online-Geschäft. Wir werden dort zum Beispiel noch in diesem Jahr eine Krankenzusatzversicherung anbieten. So bedienen wir mit Zurich und DA Direkt zwei verschiedene Kundengruppen.

Die DA Direkt als Direktversicherer und das Markenversprechen der Zurich: Beratung und Service?

Ja. Gerade auch auf der Lebensversicherungsseite der Zurich sind wir sehr stark in der Beratung und im Service. Unsere Ausschließlichkeit ist laufend mit den Kunden in Kontakt. Die Zurich Exklusivpartner haben eine große Beratungskompetenz und es ist eine der produktivsten Ausschließlichkeitsorganisationen in Deutschland, weil sie einfach so nah an den Kunden dran sind. Das kann man auch an einer großen Cross-Selling-Rate ablesen.

Lassen Sie uns die Sparten ansehen: Beim Thema Industrie ist die Zurich gesetzt, das zeigt sich auch in vielen Maklergesprächen. Wie sieht es im Privatkundenbereich aus?

Wenn wir über die Industriekunden sprechen, ich meine, da muss man nur einmal in unser Advisory Board reinschauen: Da sind 29 der Dax-30-Unternehmen unsere Kunden. Da gehören wir zu den Top-Adressen.

Aber auch im Privatkundengeschäft sind wir auf dem Vormarsch. Hier haben wir das Privatschutz-Produkt neu gemacht, das komplett auf der neuen Guidewire-Plattform beruht und mit einer hohen Flexibilität einhergeht. Das ist jetzt natürlich ein Schwerpunkt. Und unsere neuen Einmalbeitragsprodukte sind im jetzigen Marktumfeld super attraktiv. Also, wer gerade frisches Geld hat, ist gut beraten, sich die anzuschauen.

Vom normalen Firmenkundengeschäft hatten Sie schon gesprochen. Was sind da die Pläne?

Wir wollen dort unsere tollen Fähigkeiten aus dem Industriegeschäft übernehmen. Und das KMU-Geschäft gehen wir aus dem Privatkundengeschäft heraus an. Das passt gut zu unserer Ausschließlichkeit, weil sie die ganzen Kontakte zu den KMU bereits haben. Dort wollen wir mit einfachen Produkten punkten, die man mit wenigen Klicks abschließen kann, und haben da einiges vor.

Kann man daraus denn eine Priorisierung der Vertriebs­kanäle herauslesen?

Wir sind sehr froh, dass wir einen sehr diversifizierten Vertrieb haben. Wir sind sehr stark auf der Bankenseite aufgrund der exklusiven Partnerschaft mit der Deutschen Bank und wollen diese Beziehung weiter voranbringen. Auch unsere Ausschließlichkeit wollen wir ausbauen. Letztes Jahr ist es uns gelungen, bei den Agenturen nicht weiter zu verlieren dank eines Agentur-Akquise-Programms. Und auch wenn wir bereits die produktivste Ausschließlichkeit in Deutschland haben: Durch digitale Maßnahmen wollen wir es dem Vertrieb künftig noch einfacher machen.

Wir geben aber auch ein Commitment gegenüber der Maklerseite ab. Wir werden den Maklerkanal ausbauen und sehen jetzt schon, dass insbesondere im Sachversicherungsbereich Makler komplette Portfolios zu uns transferieren. Wir wollen fester Bestandteil im Portfolio des Maklers sein.

Wie wollen Sie das erreichen? In den letzten Jahren gab es eher einen Schlingerkurs, was die Zusammenarbeit mit Maklern betraf.

Wir waren vielleicht nicht immer 100% committed. Jetzt haben wir im Rahmen der strategischen Weiterentwicklung ganz klar die hohe Bedeutung des Maklerkanals bestätigt. Und natürlich sind auch hier unsere digitalen Maßnahmen wichtig wie beispielsweise die BiPRO-Schnittstellen. Wir glauben durchaus an den persönlichen Vertrieb; das Direktgeschäft wird im Schwerpunkt über die DA Direkt laufen.

Wie, glauben Sie, wird sich der Vertrieb verändern? Denken wir an Amazon und an Sprachassistenten.

Grundsätzlich fragt sich die Branche, ob Amazon in die Versicherung einsteigt. Da bin ich aber gar nicht so besorgt. Für uns wäre eine solche Plattform am Ende des Tages vielleicht ein weiterer Vertriebskanal, den man dann professionell anbinden und mit guten Produkten bedienen würde.

Ist dann das Thema Ökosysteme einschneidender?

Wenn Sie damit etwa Smart Home meinen, dann ist das natürlich schon interessant. In der Kombination von Services, beispielsweise Assistenzservices, Sensoren oder IoT ergibt sich ein ganzes Bündel für den Kunden. Das reicht von der Prävention bis zum letztlichen finanziellen Schutz. Daran arbeiten wir in einem unserer Innovation Labs. Das ist ein Thema, in das wir jetzt investieren. Ein anderes wäre Mobility. Wir sehen großes Potenzial darin, dass Mobilitätsversicherungen künftig losgelöst vom Fahrzeug gesehen werden müssen, weil wir ein geändertes Mobilitätsverhalten vorfinden. Menschen nutzen heute mal das Auto, mal das Fahrrad, machen mal Car-Sharing oder nutzen die Bahn.

Das sind Zukunftsprodukte, die wir in den Innovation Labs mit agilen Methoden entwickeln. In diesen Bereichen werden sich Ökosysteme bilden, und da wir mit der Zurich Gruppe global aufgestellt sind, können wir natürlich an dieser Stelle die Erfahrungen der Gruppe nutzen. Da haben wir einen Vorsprung im deutschen Markt.

Glauben Sie denn auch tatsächlich an die Ertragskraft dieser neuen Produkte?

Ja, das wird kommen. Nicht heute oder morgen – aber wer nicht jetzt investiert, der wird an diesen Megatrends nicht partizipieren. Da bin ich der festen Überzeugung.

In welchen Zeiträumen messen Sie? Ich nehme an, gemessen werden Sie dann doch eher in kurzfristigeren Zielen.

Wir haben uns für die Strategie einen Fünfjahreszeitraum gesetzt. Wir wollen weg vom kurzfristigen Quartalsdenken und Zurich langfristig auf Wachstum ausrichten. Dafür braucht man konkrete Meilensteine. Ich freue mich schon darauf, neben vielen Einzelerfolgen die Halbjahresergebnisse zu verkünden. Wir sind gut unterwegs. Ein kultureller Meilenstein ist auch unser Umzug nach Köln, der kommt wie gerufen. Auch ich werde dann kein Einzelbüro mehr haben, sondern wir sitzen komplett auf einer offenen Fläche. Das ist eine vollkommen neue Bürolandschaft mit neuen Möglichkeiten der Interaktion und der Zusammenarbeit. Auch das ist Teil des Wandels.

Den Artikel lesen Sie auch auf Seite 32f. der April-Printausgabe der AssCompact oder in unserem E-Paper. 

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Ein Artikel von
Dr. Carsten Schildknecht, CEO der Zurich Gruppe Deutschland