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7. Oktober 2020
Über die Abgrenzung von Vermittlern und Tippgebern

Über die Abgrenzung von Vermittlern und Tippgebern

In letzter Zeit wird in einigen Medien wieder ein Thema hochgekocht, das uns schon seit 2007 begleitet: die Abgrenzung der Tippgeber von Versicherungsvermittlern. Der Jurist und Experte in Maklerfragen Hans-Ludger Sandkühler erklärt die Unterschiede.

Hintergrund der Berichterstattung rund um das Thema der Abgrenzung ist das Geschäftsgebaren einiger Onlinevergleicher, die sich als Tippgeber verstehen, aber nach ihrem tatsächlichen Tun rechtlich als Versicherungsvermittler einzustufen sind.

Erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung

Wir erinnern uns: Mit dem Versicherungsvermittlergesetz zur Umsetzung der Versicherungsvermittlungsrichtlinie wurde in § 34d GewO eine Erlaubnispflicht für Versicherungsvermittler eingeführt. Danach ist erlaubnispflichtig, wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will. Nach der Versicherungsvermittlungsrichtlinie ist Versicherungsvermittlung das Anbieten, Vorschlagen und Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadenfall. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung der Richtlinie bewusst für einen engen Versicherungsvermittlungsbegriff entschieden und den Abschluss eines Versicherungsvertrages ins Zentrum gestellt. Der in § 34d GewO verwendete und auf den Abschluss fokussierte Begriff der Versicherungsvermittlung ist damit etwas enger als der Wortlaut der Richtlinie, der nach Artikel 2 Nummer 3 grundsätzlich auch die Verwaltung und Schadenabwicklung miterfasst. Dieser enge Begriff der Versicherungsvermittlung darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Interesse des Verbraucherschutzes nicht zu eng ausgelegt werden. Insoweit unterfallen auch Tätigkeiten, die den Abschluss eines Versicherungsvertrages vorbereiten, grundsätzlich dem Vermittlungsbegriff des § 34d GewO.

Nicht erlaubnispflichtige Tippgebertätigkeit

Nach dem ausdrücklichen Willen des deutschen Gesetzgebers ist die Versicherungsvermittlung im Sinne des § 34d GewO andererseits von einer Tätigkeit abzugrenzen, die ausschließlich darauf gerichtet ist, Möglichkeiten zum Abschluss von Versicherungsverträgen namhaft zu machen oder Kontakte zwischen einem potenziellen Versicherungsnehmer und einem Versicherungsvermittler oder einem Versicherungsunternehmen herzustellen, die für sich genommen keine Versicherungsvermittlung darstellen. Damit sind sogenannte Tippgeber, Kontaktgeber, Namhaftmacher von Abschlussmöglichkeiten, die ihre Tätigkeit darauf beschränken, Möglichkeiten zum Abschluss von Versicherungsverträgen nachzuweisen oder Kontakte hierfür herzustellen, nicht vom Regelungsbereich des § 34d GewO erfasst. Versicherungsvermittlung erfordert deshalb eine Tätigkeit, die auf einen konkreten Abschluss eines Versicherungsvertrages gerichtet ist. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des BGH und des EuGH auf das objektive Erscheinungsbild der jeweiligen Tätigkeit an. Der subjektive Wille der Beteiligten ist nicht maßgeblich.

Onlinevergleich mit Abschlussmöglichkeit

Soweit Onlinevergleicher auf ihren Portalen Informationen zu Versicherungen bereitstellen und die Möglichkeit zum Abschluss eines Versicherungsvertrages zur Verfügung stellen, ist dies objektiv als vorbereitende Maßnahme zum Abschluss eines Versicherungsvertrages und damit als erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung zu bewerten. Dies gilt in der Regel auch für den Fall, dass der Nutzer zum Abschluss auf eine andere Website weitergeleitet wird, die vom Erlaubnisinhaber betrieben wird, soweit sich die vorbereitende Tätigkeit auf dem Onlinevergleich bereits vor der Übergabe auf einen konkreten Versicherungsvertrag bezieht.

Beurteilung nach Umsetzung der IDD

Mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie sind die dargestellten Beurteilungsgrundsätze durch den Gesetzgeber bestätigt und konkretisiert worden. Nach der Neufassung des § 34d GewO umfasst die Tätigkeit als Versicherungsvermittler nunmehr auch das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadenfall, sowie die Bereitstellung von Informationen über einen oder mehrere Versicherungsverträge aufgrund von Kriterien, die ein Versicherungsnehmer über eine Website oder andere Medien wählt, und die Erstellung einer Rangliste von Versicherungsprodukten einschließlich eines Preis- und Produktvergleichs oder eines Rabatts auf den Preis eines Versicherungsvertrags, soweit der Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag unmittelbar oder mittelbar über die Website oder das andere Medium abschließen kann. Auch nach neuem Recht benötigen Onlinevergleicher somit eine Vermittlungserlaubnis, soweit ihre Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar den Abschluss eines konkreten Versicherungsvertrages vorbereitet.

Beweggründe von Onlinevergleichern

In der medialen Berichterstattung wird vornehmlich auf die fehlende Erlaubnis und den damit einhergehenden Wettbewerbsverstoß der vermeintlichen Tippgeberportale abgehoben. Die fehlende Erlaubnis ist ärgerlich, aber leicht nachzuholen. Problematischer sind digitalisierte Prozesse, die nicht den gesetzlichen Anforderungen an Befragung, Beratung und Dokumentation genügen. Viele Start-ups von InsurTechs fokussieren die digitale Umsetzung ihres Geschäftsmodells, ohne die Fallstricke des Vermittlerrechts hinreichend zu berücksichtigen. Unvergessen der Vortrag eines Start-ups, dessen Gründer eine Stunde detailliert über seine Geschäftsidee und die digitale Umsetzung berichtete und zum Schluss noch eine mit Restarbeiten überschriebenen Folie zeigte, deren letzter Punkt die Aufgabe „VVG-Konformität herstellen“ auswies. Pikant dabei: Die präsentierten Prozesse entsprachen nur rudimentär den gesetzlichen Vorgaben. Es ist aber nicht immer böser Wille, sich gesetzlichen Vorgaben (Erlaubnis) entziehen zu wollen, sondern manchmal nur Selbstverliebtheit, unbeschwerte Lockerheit und mangelndes Problembewusstsein. Das kann mitunter milder beurteilt werden.

Tipps für Vermittler, die mit Tippgebern zusammenarbeiten

In der Praxis ist darauf zu achten, dass Tippgeber sich tatsächlich auf die reine Adressenweitergabe beschränken und in keiner Weise an dem Beratungs- und Vermittlungsprozess beteiligt sind. Dies ist dem Tippgeber mangels Gewerbeerlaubnis nicht gestattet. Seine „Aufgabe“ endet dort, wo Beratung und/oder Vermittlung anfängt. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit macht den Tippgeber zum Vermittler – ein Umstand, der bei der Gestaltung der Beziehung zum Tippgeber vom Vermittler beachtet werden muss. Der Vermittler muss deshalb beim Einsatz eines Tippgebers klarstellen, welche Aufgaben dieser hat und wo die Grenzen der Tätigkeit sind. Die Zusammenarbeit mit einem illegalen Vermittler kann als Indiz für gewerberechtliche Unzuverlässigkeit angesehen werden. Die Vereinbarung mit dem Tippgeber sollte Datenschutzklauseln oder Merkblätter enthalten, die den Tippgeber in angemessener Weise für datenschutzrechtliche Aspekte sensibilisieren. Um die Daten des Interessenten an einen Vermittler weiterzugeben, sollte auch die datenschutzrechtlich einwandfreie Nutzung der Interessentendaten vom Tippgeber geklärt werden. Hierzu sollte dem Tippgeber ein Formular zur Verfügung gestellt werden, auf dem dieser dann die Kontaktdaten des Kunden aufnimmt und den möglichen Neukunden unterschreiben lässt. Eine Einwilligung in die Kontaktaufnahme durch den Vermittler sollte nicht fehlen. Dieser auf den ersten Blick umständliche Formalismus führt aber dazu, dass die Ansprache des „Tipps“ von einer Verbindlichkeit geprägt ist, die auch die weitere Zusammenarbeit zwischen Kunde und Vermittler prägen wird.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2020, Seite 104 f., und in unserem ePaper.

Bild: © blende11.photo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Hans-Ludger Sandkühler