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10. Oktober 2023
„In komplett anderem Marktumfeld als in vergangenen Jahren“

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„In komplett anderem Marktumfeld als in vergangenen Jahren“

Was müsste denn passieren, damit sich der „Grip“ der Geopolitik auf die Investmentbranche wieder entspannt?

Ich denke, das wird nicht passieren – eher das Gegenteil. Die Risiken werden immer schneller zunehmen. Es gibt viele Entwicklungen in den Beziehungen zwischen dem Westen und China, aber auch im Krieg in der Ukraine, die negativ sind und sehr schnell passieren. Daher befinden wir uns auf einem eher schnellen Abwärtstrend, weswegen die Geopolitik zunehmen und nicht abnehmen wird. Das müssen Investoren schlichtweg genau beobachten.

Wie stellt sich Amundi darauf ein? Wie verändert sich Ihr Investmentprozess?

Der Investmentprozess bei Amundi hat sich bereits verändert. Zum einen sitze ich in verschiedenen Komitees und Gremien, schätze die geopolitischen Entwicklungen für die Portfoliomanager ein, gebe ihnen Szenarien und Zahlen an die Hand, anhand derer sie in ihren Portfolios Entscheidungen treffen können. Das hilft ihnen auch einzuschätzen, wie wahrscheinlich der Markt ein geopolitisches Risiko sieht und wie wahrscheinlich es tatsächlich ist. Zudem haben wir ein Modell entwickelt, das die Volatilität der Geopolitik durch Daten veranschaulicht, die die Portfoliomanager nutzen können, und wir arbeiten daran, wie wir unser Know-how unseren Kunden zugänglich machen können, sodass auch sie die geopolitischen Risiken besser einschätzen können.

Aus Anlegersicht: Was sollte man in der heutigen Zeit im Hinblick auf geopolitische Risiken besonders beachten?

Mein Haupttipp wäre zu schauen, welche Unternehmen bereits Expertise im Bereich Geopolitik aufgebaut haben und damit arbeiten. Die Branche stellt immer mehr Geopolitik-Experten ein, aber nicht alle Institutionen lassen deren Analysen in ihre Investmententscheidungen mit einfließen. Auch sollte man nicht immer an geopolitische Risiken denken, sondern auch an Möglichkeiten, die sich neu eröffnen.

Wie kann ich als Anlageberater meine Kunden am ehesten durch die aktuelle Lage navigieren? Und wie unterstützt Amundi mich dabei?

Unsere Teams stehen im engen Austausch mit unseren Vertriebspartnern und halten regelmäßige Workshops zu relevanten Fragestellungen im Markt. Zudem veranstaltet Amundi Outlook- und Investmentkonferenzen oder, speziell im deutschen Markt, zweiwöchentliche CIO Calls. In diesen Veranstaltungen sprechen wir makroökonomische und auch geopolitische Themen an. Zu den meisten größeren Branchenthemen bieten wir außerdem Researchpapiere.

Gibt es denn Angebote bei Fonds, ETFs o. Ä., die sich bewusst geopolitischen Risiken entziehen sollen?

„Entziehen“ nicht unbedingt, aber Anfang des Jahres hat Amundi über seine Tochterfirma CPR Invest einen Fonds aufgelegt, der sich geopolitischer Risiken direkt annimmt. Er heißt CPR Invest – European Strategic Autonomy und legt das Geld der Anleger ausschließlich in Titel von Unternehmen an, die in Wirtschaftsfeldern aktiv sind, in denen Europa eine größere internationale Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit anstrebt. Denn nicht erst mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, sondern auch schon vorher mit den durch die Pandemie unterbrochenen Lieferketten ist die Störanfälligkeit der europäischen Wirtschaft offenkundig geworden.

Traditionell heißt es „Hin und her macht Tasche leer“ und man solle in Krisensituationen als Anleger nicht nervös werden. Gilt dieser Leitsatz auch aktuell vor dem Hintergrund geopolitischer Risiken?

Wir haben über die veränderte Weltlage gesprochen. Diese als Börsenweisheit bekannten Sprichwörter zielen allerdings auf das jeweilige Anlegerverhalten ab. Daher ist es für mich schwierig, darauf eine Antwort zu formulieren. Tatsache ist aber, dass wir uns aktuell in einem komplett anderen Marktumfeld als in den vergangenen Jahren bewegen. Die Herausforderungen sind größer und individueller. Eine Anpassung von Strategien und Portfolios muss unter diesen Prämissen also auch anders gesehen werden.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Anna Rosenberg, Amundi

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Ein Interview mit
Anna Rosenberg