Interview mit Claudia Behringer – „Die Expertin für nachhaltige Finanzen mit Herz“, Versicherungsmaklerin, Finanzanlagenvermittlerin und Finanzcoach
Frau Behringer, Sie haben sich auf Frauen ab 55 spezialisiert. Wie sind Sie zu dieser Zielgruppe gekommen?
Frauen in diesem Alter befinden sich oft in einer Umbruchphase: Die Kinder sind aus dem Haus, eine berufliche Neuorientierung steht an, die Eltern brauchen Unterstützung oder eine Scheidung bringt alles durcheinander. Viele Frauen beginnen, sich zu fragen:„War das alles?“Manche starten in die Selbstständigkeit, entdecken ihre Potenziale neu und fragen sich, wie sie ihr weiteres Leben gestalten möchten – auch finanziell. Themen wie Pflege, Vorsorgevollmachten und die Weitergabe des Lebenswerks treten in den Vordergrund. Ich begleite sie dabei, Klarheit und Sicherheit zu gewinnen.
Wie sind Sie denn selbst Maklerin geworden?
Mein Weg war alles andere als geradlinig. Ich habe in sicherem familiären Rahmen drei Söhne bekommen. Ich war Hausfrau, Mutter und ehrenamtlich aktiv. Nach einer persönlichen Krise und der Scheidung war mir als Alleinerziehende klar: Ich möchte nicht abhängig leben. Ich wollte meine Fähigkeiten leben – für mich und als Vorbild für meine Söhne.
Drei Dinge waren mir wichtig: Erstens wollte ich Frauen davor bewahren, in dieselbe Abhängigkeitsfalle zu geraten. Zweitens liebe ich es, Menschen zu ermutigen. Und drittens wollte – und will ich – finanziell unabhängig sein. Selbstständigkeit ist herausfordernd, aber sie bietet auch Gestaltungsfreiraum und kreative Möglichkeiten, die ich sehr schätze.
Viele Frauen in Ihrer Zielgruppe gehen bereits auf den Ruhestand zu, einige sind schon in Rente. Sie haben somit weniger Zeit bzw. Geld zum Investieren als Frauen, die jung anfangen. Was können Sie in Ihrer Beratung für diese Kundinnen herausholen? Und warum ist diese Zielgruppe für Sie attraktiv?
Mit 55 bleiben noch rund 13 Jahre bis zum Renteneintritt – das ist eine beachtliche Zeit, um Vermögen aufzubauen. Viele erhalten zudem ab 60 Auszahlungen aus Lebensversicherungen. Zudem befinden wir uns in einer Erbengeneration. Und: Ruhestandsplanung bedeutet für mich auch, in Partnerschaften über faire Aufteilung zu sprechen. Häufig hat der Mann durchgängiger gearbeitet, verdient mehr und hat entsprechend höhere Rentenansprüche – auch durch betriebliche oder private Vorsorge. Ich ermutige Frauen, gemeinsam mit ihrem Partner gerechte Lösungen zu finden.
Sie beraten ja nicht nur Frauen ab 55. Wo finden Sie die größten Unterschiede in der Beratung von jungen und älteren Frauen? Und welche Gemeinsamkeiten gibt es?
Boomer-Frauen merken zunehmend, dass sie ihre Finanzen aktiv angehen müssen. Anfangs sind sie oft ängstlich, weil sie befürchten Fehler zu machen – doch sie fassen Mut, wenn sie spüren, wie viel noch möglich ist. Sie wählen häufiger aktive Fonds, Vermögensverwaltungen oder Rentenversicherungen, nachdem sie verstanden haben, dass das Geld auf der Bank nicht der Inflation standhält und eine ausreichende Altersvorsorge so kaum sichergestellt sein kann.
Jüngere Frauen dagegen sind nach vermeintlich guten Tipps aus ihrem Umfeld meist ETF-affin. Sie wollen loslegen, weil sie wissen, dass sie sich nicht auf die staatliche Rente verlassen können. Der Zinseszinseffekt reizt, mit kleinen Beträgen langfristig Vermögen aufzubauen.
Was beide Gruppen verbindet: In der Regel fehlt Finanzwissen, und das macht unsicher. Viele wünschen sich einen ETF, wissen aber gar nicht genau, was dahintersteckt. Nach meiner Beratung kennen sie nicht nur die Produkte, sondern auch das große Ganze – von der Zielplanung über Rendite-Risiko-Profil, kurz-, mittel- und langfristige Anlagen bis zur Rentenlücke. Unabhängig vom Alter: Mit meiner Begleitung fühlen sich die Frauen sicherer in ihren Entscheidungen.
Wie gehen Sie denn auf Ihre Zielgruppe zu?
In den zurückliegenden 22 Jahren habe ich viele Wege ausprobiert. Früher kamen die Kontakte über Bewertungsportale, später über Empfehlungen und schon immer über Vorträge. Heute halte ich ebenso Vorträge, gebe Interviews, bin aktiv in Social Media, präsentiere mein Buch und nutze starke Netzwerke – analog wie digital.
Was können und müssen Sie aus Ihrer Sicht als Vermittlerin Ihren Kundinnen mitgeben? Was sollten Makler allgemein beachten?
Finanzplanung ist das eine – Lebensfreude das andere. Frauen möchten ihr Geld nicht nur richtig anlegen, sondern bewusst einsetzen. Sie fragen sich: Was darf mein Geld für mich bewirken? Wichtig ist die Erkenntnis für sie, dass es riskant ist, heute auf Kosten der Zukunft zu konsumieren. Deshalb gehört Budgetplanung ebenso dazu wie eine langfristige Strategie. Ich erkläre komplexe Themen einfach, zeige Vor- und Nachteile und schaffe Raum für Bauchgefühl und Vertrauen. Zahlen, Daten, Fakten und Emotionen – all das braucht es für gute Entscheidungen.
Nutzen Sie im Beratungsprozess auch KI? Wie stehen Sie allgemein dazu?
Ich setze Tools ein, bislang aber im Beratungsprozess direkt noch keine KI. Ich bin offen dafür, lasse mich z. B. von ChatGPT inspirieren, denn sie ist unsere Zukunft, ob es uns gefällt oder nicht. Aber ich bin überzeugt: Die Kundinnen wünschen sich eine Beraterin aus Fleisch und Blut. KI kann ein Sparringspartner sein – aber Vertrauen entsteht im echten Miteinander.
Sie legen viel Wert auf nachhaltiges Investieren. Spiegeln Ihnen Ihre Kundinnen und Kunden dies wider? Oder scheint das eher mal ein „Trend“ der letzten Jahre gewesen zu sein, der langsam abebbt und auf den viele aktuell „keine Lust“ mehr haben?
Ich glaube fest daran, dass wir mit nachhaltigen Anlagen den Wandel – auch im Sinne der 17 SDGs (Ziele der Vereinten Nationen bis 2030) – unterstützen. Leider behindert die Praxis der recht komplexen EU-Offenlegungsverordnung diesen Fortschritt. Zudem stelle ich fest: Auch Frauen, die früher nur auf ökologisch-ethische Anlagen gezählt haben, schauen heute ebenso auf Tech-ETFs oder sogar Rüstungsfonds. Warum? Weil nachhaltige Anlagen derzeit meist weniger Rendite als die letztgenannten bringen. Es braucht Aufklärung und langfristige Begleitung. Rendite ist langfristig zu betrachten. Und: Wir tragen Verantwortung in dieser Welt. Das ist nicht immer bequem, aber essenziell.
Sie geben darüber hinaus Kurse in Sachen Finanzen. Wo setzen Sie bei diesen Kursen an?
Finanzbildung fehlt an allen Ecken und Enden. Seit 18 Jahren bin ich als Dozentin aktiv – an Volkshochschulen, in Unternehmen, bei Netzwerken. Ich mache dabei ebenso Frauen Mut, ihr Geld als Werkzeug für ihre Ziele zu sehen. Die Inhalte reichen von Budgetierung, finanzieller Selbstbestimmung und Altersvorsorge bis zur Vermögensübertragung in der Familie. Mein Tipp an Kolleg:innen: einfach anfangen! Es gibt so viel Wissen, das wir weitergeben können – und die Nachfrage ist da.
Was sind Ihre Pläne für Ihre eigene Zukunft?
Ich bin im Rentenalter – aber noch voller Tatendrang. Mein Beruf ist meine Berufung. Solange ich gesund bin, möchte ich weiter beraten und coachen – zunehmend als digitale Nomadin im Wohnmobil. Perspektivisch werde ich meinen Schwerpunkt aufs Finanzcoaching legen und ein zweites Buch schreiben. Ich führe ein reiches Leben – und das möchte ich noch lange so weiterleben. Natürlich reflektiere ich regelmäßig, was ich weitermache und was ich weitergebe. Kooperationen sind dabei ein wichtiger Baustein.
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