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23. März 2021
„Das ist die nächste Stufe und Innovation der Investmentwelt“

„Das ist die nächste Stufe und Innovation der Investmentwelt“

Der Fondsvertrieb war immer stark geprägt vom Produktverkauf. Das ändert sich gerade aber. Nicht bei allen Pools und Vermittlern ist das schon angekommen. Oliver Lang, CIO von blau direkt, prophezeit diesen Dinosauriern das Aussterben und will beim Aufbau des Investmentgeschäfts von blau direkt einen anderen Weg einschlagen.

Herr Lang, Sie sind im Juli 2020 zu blau direkt gewechselt, um dort den Investmentbereich neu aufzubauen. Warum der Wechsel zu blau direkt?

Wann hat man schon mal die Möglichkeit, bei dem wachstumsstärksten Pool einen komplett neuen Geschäftsbereich aufzubauen? blau direkt wächst im Versicherungs­bereich Jahr für Jahr mit über 40%, und das obwohl die Zahl der Vermittler nur um 3% wächst. Daraus resultiert die faszinierende Frage: Wie schafft es dieser Pool, seinen Partnern so viel mehr Möglichkeiten für Vertragsabschlüsse zu verschaffen? Das habe ich zuvor mit großem Interesse aus der Ferne beobachtet. Das war das eine Spannende am Wechsel zu blau direkt.

Und das andere?

Anders als andere große Pools schafft blau direkt sein Wachstum allein mit Versicherungen. Viele der angeschlossenen Makler haben aber auch die Zulassung für das Investmentgeschäft. Unsere Partner haben weit über 1 Mrd. Euro Investmentbestand, die sie aktuell noch woanders haben. Und das wollen wir zu blau direkt holen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Ein ganz wichtiger Punkt für uns ist immer die Technologie. Im Versicherungsbereich sind wir marktführend. Das war auch der Anspruch für den Investment­bereich. Wir haben uns alle Systeme am Markt angeschaut. Regulatorische Themen spielten dabei genauso eine Rolle wie die Softwarearchitektur der Systeme. Manche sind zwar für die Makler funktional, aber völlig überladen und technisch völlig veraltet. Wir wollen aber auch beim Investmentgeschäft nicht auf einen alten Vier-Zylinder-Diesel, sondern auf die neuesten Technologien setzen, und die bietet uns Fondsnet.

Und neben der reinen Technologie?

blau direkt geht Prozesse und Themen seit jeher in allererster Linie aus der Sicht des Endkunden an. Begeistere deinen Endkunden so, dass er deine Services und Dienstleistungen liebt. Wenn der Kunde begeistert ist, ist es der Vermittler auch. Wenn der Endkunde bei Amazon das schönste Shopping-Erlebnis hat, wird er keine andere Plattform mehr nehmen. Diese stark auf den Endkunden zentrierte Denkweise ist der entscheidende Unterschied von blau direkt zu allen anderen Systemen. Es geht immer um Innovation. Es geht immer um marktführende Technologien. Und das wird auch im Investmentgeschäft der Fall sein. Wir werden zum Beispiel in der simplr-App, wo der Kunde heute schon seine ganzen Versicherungen einsehen und verwalten kann, auch die Erlebniswelt seiner Investments bieten.

Welche Vorteile bringt das in der Praxis?

Bei Versicherungen muss man oft zig Informationen eingeben, um zu prüfen, ob der Schutz preislich oder qualitativ noch passt. Unser System erledigt dies automatisch für den Kunden im Namen seines Maklers. Diesen Service erhält er serienmäßig. Die meisten Kunden sind davon eh begeistert, weil sie jedes Jahr mit wenig Aufwand durch einen Wechsel Geld sparen können. Etwas Ähnliches ist auch für den Investmentbereich in Planung. Kunden sollen auf Basis ihrer Risikoneigung automatisiert passende Portfolioempfehlungen erhalten.

Was läuft im bisherigen Investmentgeschäft falsch?

Anlageberatung ist stark geprägt von Trends. Es heißt nicht umsonst: Zeig mir dein Depot, und ich sag dir, wann du beraten wurdest. Die meisten Vermittler machen keine kontinuierliche Betreuung, sondern verkaufen einmalig aktuelle Bestseller. Das gilt übrigens auch für die ganzen Fondspolicen. Da wird meist zu Beginn irgendein Fonds angekreuzt und danach nie mehr etwas geändert. Da müssen wir ran, denn das sind Services, die Endkunden schätzen. Es darf nicht der Anspruch eines Vermittlers sein, den Kunden auf einem ehemaligen Flaggschiff versauern zu lassen. Ein moderner Maklerpool organisiert ein Prozesssystem, das optimierte Portfolios für den Kunden ermittelt und im Namen des Maklers an­bietet. Alles andere ist analoge Welt, und wir wissen doch alle: Dinosaurier sterben.

Warum?

Weil sie nicht verstanden haben, was das Bedürfnis des Kunden ist. Wir sind jung, wild und digital. Und nicht alt, analog und langweilig wie die anderen. Wer das Gestern lebt, erreicht nicht, was heute möglich ist. Es kann doch nicht der Anspruch eines Pools sein, nur den Bestand von gestern zu verwalten. Die 20 erfolgreichsten Kunden bei blau direkt sind im Durchschnitt 32 und nicht 55plus wie bei manchem Konkurrenten. Das ist ein erheblicher Unterschied, weil es mit ganz anderen Ansprüchen und Verhaltensweisen einhergeht. Ein 60-jähriger Makler macht keine Instastory. Unsere erfolg­reichsten Partner nutzen Instagram oder Facebook täglich, um Fahrradversicherungen oder Ähnliches an ihre Kunden zu bringen. Und warum sollte das nicht auch im Investmentbereich möglich und sinnvoll sein?

Was genau machen die Dinosaurier aus Ihrer Sicht falsch?

Das Problem der Dinosaurier ist, dass sie nicht richtig mit den Daten arbeiten und die Endkunden nicht verstehen. Wenn man die richtigen Daten hat, kann man sehr proaktiv mit dem Kunden arbeiten. Das ist auch auf den Investmentbereich übertragbar. Wenn man das genaue Kundenprofil hat, ist die Ableitung eines passenden Zielportfolios viel einfacher und zielgerichtet möglich. Man kann nicht mehr nur warten, bis der Kunde auf einen zukommt. Der Makler muss für sein Geld etwas tun. Und auch wir als Pool müssen etwas dafür tun. Digitalisierung und Kundennutzen, da führen wir.

Wie verändern Digitalisierung und die neuen Kundenansprüche die Produktwelten?

Die Anlagewelt wird sich auf der Produktseite stark verändern. Die Entwicklung wird weg von vielen Einzelfonds hin zu vermögensverwaltenden Lösungen gehen. Wir werden in Zukunft über vielleicht 50 vermögensverwaltende Lösungen mit unterschiedlicher Risikocharakteristik sprechen. Aus diesen bekommt jeder Kunde von seinem Berater wie von einer Art Family Office Light 4 oder 5 passende Empfehlungen zu seinen Zielen, die er dann in seinem Portfolio miteinander mischt. Das Ganze schaut man sich im Anschluss einmal im Jahr an und prüft, ob es noch passt oder ob es Optimierungsbedarf gibt.

Das verändert auch die Rolle des Vermittlers grundlegend …

Richtig. Aus dem Verkäufer von Einzelfonds zu einem bestimmten Zeitpunkt wird ein dauerhafter Begleiter des Kunden. Das ist die Zukunft. Das geht aber nur mit moderner Technik. Nur mit ihrer Hilfe lässt sich das im Beratungsalltag umsetzen. Die jungen Kunden fragen schon heute nicht mehr nach dem besten Fonds in der Fünfjahres­wertung. Sie fragen ganz gezielt nach vermögensverwaltenden Lösungen, und zwar nach aktiven wie auch nach passiven Strategien – alles, was der Markt hergibt. Das ist die nächste Stufe und die nächste Innovation der Investmentwelt. Wir gestalten sie.

Ist das auch schon bei den Vermittlern angekommen?

Nein, in den Köpfen vieler Vermittler ist das leider noch nicht präsent. Der Markt ist noch klassisch auf Produktverkauf ausgerichtet. Vermittler haben in der Vergangenheit schließlich vor allem zwei Dinge propagiert. Erstens: Ich bin unabhängig. Zweitens: Ich bin immer an deiner Seite, lieber Kunde. Zu Beginn waren sie das in der Regel auch. Wer dann aber mal 200 bis 300 Endkunden hat, ruft die mit Sicherheit nicht mehr alle regelmäßig an. Man hat dann immer seine 10 bis 20 Top-Kunden, denen man das Versprechen von früher offeriert. All die anderen bleiben außen vor. Proaktive Tools ermöglichen es aber, auch bei diesen Kunden den Versprechen dauerhaft gerecht zu werden, und die wollen wir ihm in Zukunft auch im Investmentgeschäft bieten. Wir führen sie hin.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2021, Seite 74f. und in unserem ePaper.

Bild: © Tierney – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Oliver Lang