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25. August 2021
„Die DIN-Norm ist ein wirksames Werkzeug zur Qualitätsverbesserung“

„Die DIN-Norm ist ein wirksames Werkzeug zur Qualitätsverbesserung“

Vor rund zwei Jahren wurde die DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ veröffentlicht. In der Breite des Vermittlermarktes ist sie allerdings noch nicht angekommen. Mancherorts fehlt es an Unterstützung. Dessen ungeachtet folgt demnächst die Geschäftskunden-Norm DIN 77235.

Interview mit Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler, Geschäftsführer der Zeidler Consulting GmbH und Mitglied im Kuratorium des DEFINO Institut für Finanznorm AG
Herr Professor Zeidler, warum engagieren Sie sich für die DIN-Norm in der Finanzberatung?

Sie wissen, dass ich lange Jahre in der Versicherungsbranche Verantwortung für den Vertrieb getragen habe. Da ist es mir immer schmerzlich aufgefallen, wenn der Vertrieb nicht die Würdigung erhalten hat, die er verdient. Ich habe immer Initiativen, auch gesetzliche, die zur Qualitätssteigerung oder zur Verbesserung des Images geeignet erschienen, unterstützt. Seit zwei Jahren ist nun die DIN verabschiedet und ich sehe darin ein wirk­sames Werkzeug zur Qualitätsverbesserung und Vertriebswirtschaftlichkeit.

Was meinen Sie mit Wirtschaftlichkeit? Mehr Geld verdient man bei Anwendung der DIN erst einmal nicht.

Das ist richtig, es gibt da aber mehrere Aspekte. Zunächst der Kostenaspekt: Wenn Sie über die DIN-Norm zu einer höheren Empfehlungsbereitschaft der Kunden kommen, dann haben Sie einen leichteren Zugang und sparen an der Stelle Kosten. Ein weiterer Aspekt ist, dass mit der Normierung die Administration vereinfacht wird. Zudem kann die Cross-Selling-Rate erhöht werden. So erhöht sich bei den Norm­anwendern die durchschnittliche Vertragsdichte pro Familie in der Regel mindestens um das Vierfache. Und natürlich ist da auch die Zufriedenheit des Kunden, der seine Situation vonseiten des Vermittlers entsprechend analysiert und sich gut beraten fühlt. Im Endeffekt verdienen Berater mit der Anwendung der DIN 77230 also durchaus mehr Geld.

Dass wir uns heute über die Norm unterhalten, basiert auch darauf, dass die DIN-Norm noch nicht überall in der Branche angekommen ist. Warum?

Seitdem die erste Norm ver­abschiedet wurde, sind zwei Jahre vergangen. Leider kam da die Corona-Krise dazwischen. Das soll jetzt nicht die übliche Ausrede sein, aber viele Firmen haben sehr viel Energie darauf verwendet, die Home-Office-Situation zu managen. Da wurde die DIN-Norm etwas beiseitegeschoben. Wir wissen jedoch von einer großen Anzahl von Vermittlern, die damit arbeiten.

Wir wissen es aber nicht im Detail. Denn selbst wenn beispielsweise ein Pool die DIN-Norm integriert hat, lässt sich kaum nachvollziehen, ob die einzelnen Poolmitglieder sie auch anwenden. Wir können nur sagen, dass es zurzeit etwa 2.000 zertifizierte Spezialisten gibt. Aber wie sie tätig sind und wie viele Kunden sie ansprechen, das entzieht sich unserer Kenntnis.

Eine DIN-Norm hat einen guten Ruf und eine gewisse Wertigkeit. Trotzdem scheint die Aufmerksamkeit bei den Kunden gering zu sein, oder?

Da treffen Sie genau den Punkt. Wenn man dem Kunden mitteilt, dass man gemäß einer DIN-Norm berät, dann fühlt er sich sehr gut aufgehoben. Das schafft Vertrauen. Was mir aber viel wichtiger wäre, wäre ein Kunde, der gezielt nach einem Berater sucht, der nach DIN berät. Aber so weit sind wir noch nicht.

Wie sehr, denken Sie, steht die Branche als Ganzes hinter dieser DIN-Norm? Im langwierigen Normierungsprozess gab es durchaus ein paar Stolpersteine.

Der Prozess der Normwerdung ist ein sehr schmerzhafter – im Sinne von vielen Diskussionen über unterschiedlichste Aspekte. Das Norm-Gremium bestand aus Banken, Versicherungen, Vermittlern, Vermittlerverbänden, Wissenschaft und noch einer Reihe weiterer Interessenträger. Aber wir haben einen Konsens gefunden, völlig entideologisiert, und das ist eine schöne Sache. Zudem haben wir eine Reihe von Gesprächen mit Politikern geführt. Alle finden es toll, dass wir diese Norm haben. Wenn sich eine Branche von innen heraus reguliert, dann braucht es dafür keine gesetzliche Regulierung.

Naja, das haben wir auch schon anders erlebt …

Das stimmt, aber schon bei der Diskussion um den Provisionsdeckel wurde deutlich, dass die Politik mit der Nutzung der DIN-Norm eine Qualitätsverbesserung erwartet. Angedacht war, dass Vermittler bei Erfüllung bestimmter Qualitätskriterien in einem bestimmten Korridor mehr Provision erhalten können. Die DIN-Norm wäre ein solches Kriterium gewesen. Und wenn Sie sich den § 48a VAG oder den § 11a FinVermV ansehen, bei denen es um Beratung bzw. Falschberatung geht, dann ist man mit der DIN-Analyse schon nahezu auf der sicheren Seite. Auch in einem Prozess kann ein Richter danach urteilen, ob nach DIN gearbeitet wurde. Und es gibt auch Vermögenschadenhaftpflichtversicherer, die Vermittlern, die nach DIN arbeiten, eine vergünstigte Prämie anbieten.

Aber noch einmal zurück zur Branche. Stehen die Versicherer und der GDV dahinter?

Nun, ich würde mir schon wünschen, dass der GDV der DIN-Philosophie – weg vom Produktverkauf, hin zum Beratungsverkauf – etwas Schubkraft verleihen könnte.

Wie könnte das aussehen?

Der Vertriebsausschuss des GDV müsste nur sagen, dass er die Maßnahme unterstützt und fördert. Auch gegenüber der Politik mit der Botschaft: „Unsere Branche regelt wichtige Dinge im positiven Sinne für sich selbst.“ Wenn die DIN ein gelebter Bestandteil der Freude des GDV wäre, dann hätte das einen Effekt.

Sie sprechen sich nicht nur für DIN aus, Sie sind auch bei DEFINO engagiert.
Aber eigentlich kann jeder nach der DIN-Norm analysieren und beraten, ohne einen Dienstleister wie DEFINO für Software oder Zertifizierung in Anspruch zu nehmen.

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Wenn der Vermittler nach DIN berät, aber nicht zertifiziert ist, ist es für den Kunden trotzdem gut. Glaubwürdigkeit entsteht aber dadurch, dass man aufzeigen kann, dass man ausgebildet ist und weiß, was man tut. Letztlich ist das wie bei der ISO-Zertifizierung.

Nun soll bald die nächste Norm kommen, die „Basis-Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen“. Wie läuft es hier?

Der Prozess läuft ruhiger, die Beteiligten wissen, worum es geht. Auch das DIN-Institut ist jetzt im Thema. Wir dürfen nicht vergessen, dass die DIN 77230 die erste Finanzdienstleistungsnorm war. Die neue Norm ist fertig und wird im Laufe der nächsten Monate veröffentlicht.

Wissen Sie, wann sie genau kommt?

Ich könnte mir vorstellen, dass es Ende September soweit ist und sie dann im Beuth Verlag offiziell veröffentlicht ist. (Anmerkung: Die Norm DIN 77235 kann hier vorbestellt werden)

Das wäre also für Maklerbetriebe eine gute Gelegenheit, sich mit der DIN zu beschäftigen?

Ich fände es großartig, wenn sich Versicherer, Pools und Makler mit der Idee der DIN-Norm aus­einandersetzen, sie testen und einführen würden. Eine vollständige Marktdurchdringung kann niemand erwarten, aber wenn sich ein Großteil des Marktes dieses Instrumentes bedient, werden wir eine noch bessere Qualität in der Beratung bekommen. Das wäre für die gesamte Branche ein sehr erstrebenswertes Ziel – und für die Kunden sowieso.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2021 und in unserem ePaper.

Bild oben: © Frank F. Haub – stock.adobe.com; Porträtfoto: © Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler

 
Interview mit
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 25. August 2021 - 21:27

Meines Wissens gibt es schon seit ewigen Zeiten einen Verhaltenskodex. Jemand der 20 Jahre korrekt war, wird jetzt Überkorrekt, oder Ü-Qualifiziert. Sowas können sich nur WELTFREMDE ausdenken.

Mehr und BESSER als für das Beste Produkt des Marktes, als Makler, unbegrenzt zu Haften geht nicht. Natürlich für Beamte und Politiker NICHT vorstellbar, aber auch wenn man keine Ahnung davon hat, PURE REALITÄT.

Das Protokoll, des Protokolls und immer noch einen Qualitätsnachweis, DEUTSCHE BEAMTENDENKE in Reinkultur. Oder wie war es beim letzten U.-Ausschuss? Viele Fehler gemacht, aber kein einziger Beamter hat Schuld. Solche Scherzchen gibt es bei Maklern nicht. Anstatt eine Digitale Vernetzung aller Organe herbeizuführen, was auch wesentlich weniger Beamte bedeutet, werden mehr Beamte gefordert, also mehr die auch NICHT SCHULDIG sind. Kost nix, zahlt die Jugend die beim bestehenden Beamtenpensionsdefizit von 3 Billionen EURO, nach Ansicht der Beamten NICHT ausgelastet ist. Existiert noch ein klitzekleines bisschen Menschenverstand???