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6. Dezember 2022
„Die eigene Immobilie bleibt eine hochattraktive Investition“
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„Die eigene Immobilie bleibt eine hochattraktive Investition“

Der Immobilienmarkt im Spannungsfeld zwischen Zinsanstieg, Inflation und hohen Bau- und Energiepreisen: Dies sorgt nicht nur bei Kaufinteressenten für Zurückhaltung, sondern geht auch am Finanzierungsmarkt nicht spurlos vorüber. Zur aktuellen Entwicklung nachgefragt bei Stefan Münter, Co-CEO und Vorstand von Europace.

Herr Münter, Zinsanstieg, stark gestiegene Bau- und Energiepreise, die Inflation: Der Immobilienmarkt befindet sich in einer herausfordernden Gemengelage. Was hat den größten Einfluss auf die veränderte Lage?

Es ist die Kombination aus vielen Faktoren, die zum jetzigen Zeitpunkt aufeinandertreffen. Aus der Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher ist der rasante Anstieg der Kapitalkosten mit weiterhin hoher Preisstabilität im Neubau und der deutlich langsamere Rückgang der Angebotspreise im Bestand sicher eine der sehr relevanten Einflussgrößen. Dazu kommt die Unsicherheit bei langfristigen Investitionen.

Erstmals seit Jahren sinken mancherorts die Preise für Häuser und Wohnungen. Wie ist denn die Preisentwicklung bei Neubauten sowie Bestandsimmobilien und Ihre Prognose für die nächsten Monate?

Das ist richtig. Wir sehen gerade bei den realen Transaktionspreisen einen Rückgang. Bei den Angebotspreisen gilt für den Neubau eine hohe Preisstabilität, im Bestand sind die Angebote je nach Lage leicht fallend. Wir sehen, dass aktuell deutlich zu wenig neu gebaut wird. Der Druck auf den Mietmarkt bestätigt die angespannte Lage. Das wirkt kurzfristig preisdämpfend und bestätigt uns in unserer langfristigen Prognose. Die eigene Immobilie bleibt eine hochattraktive Investition.

Rücken die Verkäufer denn zunehmend von ihren bisherigen Preisvorstellungen ab oder zögern die meisten noch?

Mit Blick auf die Liegezeiten sehen wir einen klaren Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Fernab der A-Lagen geraten die Preise sicherlich stärker unter Druck. Gerade auch bei Immobilien, die eine schlechtere energetische Klassifizierung aufweisen.

Die komplexe Marktsituation setzt auch die Finanzierungsbranche unter Druck. Zinsen scheinen nicht durchgehend nach oben zu gehen, Darlehenssummen sind zwischenzeitlich wieder gestiegen. Bleibt es so volatil?

Wir gehen aktuell nicht von einer kurzfristigen Erholung des Marktes aus. Die Phase des Zinsanstiegs scheint etwas gedämpft zu sein und zugleich noch nicht vorbei. Und sicherlich gilt, dass nach der schnellen Entwicklung auf Zinsseite inzwischen auch die Verkäuferseite gelernt hat und jetzt schneller reagiert.

Wurden Sie eigentlich von der schnellen Entwicklung überrascht?

Das Tempo der Entwicklung war für den Finanzierungsmarkt so sicher nicht zu antizipieren. Wir haben in den Sommermonaten mit weniger Käufen gerechnet. Dass nach der Ferienzeit keine Erholung erfolgt, sondern eine weitere Abschwächung des Marktes stattfindet, hat uns, wie augenscheinlich die gesamte Finanzierungs- und Immobilienbranche, überrascht.

Auch Ihre Gruppe ist von den Auswirkungen der aktuellen Lage anscheinend getroffen. Gibt es hier schon eine Erholung?

Wir gehen aktuell davon aus, dass die Märkte sich nicht kurzfristig wieder auf das alte Niveau bewegen. Viel wird von der gesamtwirtschaftlichen Lage abhängen und wir nehmen positiv einen weiterhin hohen Beschäftigungsgrad sowie eine spürbare Nachfrage nach Immobilien wahr – dies auch durch die zunehmende Anspannung des Mietmarkts.

Zurück zum Kundenverhalten: Spüren Sie, dass Anschlussfinanzierungen verstärkt in den Fokus rücken?

Vor allem zu Jahresbeginn, als sich der erste Zinsanstieg abzeichnete, haben wir eine enorm starke Nachfrage nach Anschlussfinanzierungen gesehen. Im Kontext der Stabilität des Finanzierungsmarktes ist das auch gut. Verbraucher haben die Chance umfassend genutzt, ihre Darlehen zu noch günstigen Konditionen zu verlängern. Von Juli bis September 2022 sehen wir wieder einen Rückgang der Forwarddarlehen von 9,9% auf 7,9% bei insgesamt geringerem Marktvolumen.

Wie sieht es mit dem Thema Sanierung aus? Viele Immobilienbesitzer wollen die Energieeffizienz des Gebäudes steigern, um Kosten zu sparen. Aber dazu sind ja zunächst Ausgaben erforderlich. Was macht an der Stelle jetzt Sinn?

Autarkie ist neben Nachhaltigkeit das Stichwort der Stunde. Viele Immobilienbesitzerinnen und -besitzer wollen die Energieeffizienz ihres Gebäudes steigern, um Kosten zu sparen. Dieser Trend ist definitiv da, wenngleich wir noch deutliches Steigerungspotenzial sehen und vieles davon abhängen wird, wie sich die Verfügbarkeit von neuen Heizungsanlagen, PV-Zellen und Monteuren entwickelt. Einen enormen Schub erwarten wir durch die angekündigten Förderprogramme des Bundes. Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der Energiewende hier das richtige Signal gesetzt wird.

Sie haben die Zurückhaltung der Immobilienkäufer angesprochen. Wie (un-)realistisch ist es denn, darauf zu warten, dass die Finanzierungszinsen irgendwann wieder sinken? Vor dem Hintergrund der Notenbanken-Ankündigungen ist das ja eher unwahrscheinlich.

Wir erwarten kurzfristig keine nachhaltig sinkenden Zinsen. Gibt es Anzeichen, aus Sicht der Immobilieninteressenten optimistisch nach vorne zu blicken? Wir meinen ja. Noch mal: Die Investition in die eigenen vier Wände bleibt sinnvoll. Modernisierung und Energieeffizienz sind wichtiger denn je. Und auch wenn die Energiepreise seit Langem wieder sinken, so bleibt in den Köpfen der Verbraucherinnen und Verbraucher, wie wichtig das Thema ist.

Europace ist eine Plattform für Vermittler. Lassen Sie uns noch auf die Vermittlerinnen und Vermittler eingehen. Worin sehen Sie denn für Berater in der momentanen Situation die größten Herausforderungen?

Der schnelle Rückgang des Marktvolumens trifft natürlich auch die Beraterinnen und Berater. Für viele geht es um die schlichte Frage, wie es während und nach dem Geschäftsrückgang weitergeht. Wir sehen verstärkt eine Konzentration auf Nischen im Immobilienmarkt, auf Aktionen im Bestand, die in Richtung Modernisierung und Energieeffizienz gehen, sowie – und das ist durchaus positiv – dass die Nachfrage nach Immobilien in der Bevölkerung nach wie vor vorhanden ist.

Wie spüren Sie dies denn auf Ihrer Plattform?

Auf der Plattform sehen wir einerseits, dass das Immobilienangebot im Vergleich zum ersten und zweiten Quartal gestiegen ist, auf der anderen Seite erkennen wir aber, dass die Machbarkeiten in der aktuellen Zinssituation zurückgehen. Der Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt ist deutlich.

Was sind denn die neuesten Entwicklungen der Plattform? Und welche weiteren Möglichkeiten der Digitalisierung im Baufinanzierungsgeschäft sehen Sie?

Kürzlich haben wir eine Kooperation mit Immowelt gestartet, bei der mit der #passt-Technologie von Europace reelle Finanzierungsvorschläge mit Echt-­Konditionen direkt neben dem jeweiligen Immobilienangebot angezeigt werden können. Verbraucherinnen und Verbraucher sehen eine monatliche Finanzierungsrate mit Machbarkeitssignal und können auf Basis dessen in die konkrete Planung gehen. Damit verfügen Kundinnen und Kunden bereits erstmals am Point of Interest über verlässliche Daten und sparen Zeit bei der Vorplanung einer Finanzierung.

Gleichzeitig bieten wir mit OneClick die Sofortkreditentscheidung am Point of Sale. Beides sind Aspekte, die Verbraucherinnen und Verbrauchern ein optimales Finanzierungserlebnis ermöglichen können. Werden Verbraucher:innen das in Zukunft ohne Berater umsetzen? Das sehen wir weder im heutigen noch im prognostizierten Verbraucherverhalten in den nächsten Jahren. Vielmehr zahlen beide Europace-Produkte auf eine stabilere Konvertierung und weniger Leerberatungen ein. Beide Entwicklungen sind ein erster Schritt Richtung Kauf-Button an der Immobilie.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2022 und in unserem epaper.

Bild: © kunakorn – stock.adobe.com; Porträt: © Europace

 
Interview mit
Stefan Münter