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11. September 2022
„E-Mobilität steht bei uns schon lange auf der Agenda“

„E-Mobilität steht bei uns schon lange auf der Agenda“

Auf Deutschlands Straßen fahren immer mehr E-Autos. Die Gothaer hat ihr Kfz-Versicherungsangebot entsprechend ausgerichtet und erst kürzlich noch einmal nachgebessert. Der Versicherer beobachtet aber auch alle weiteren Innovationen und neuen Technologien und will sie begleiten.

Interview mit Thomas Bischof, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Allgemeine Versicherung AG
Herr Bischof, Elektromobilität ist ein elementarer Aspekt der Verkehrswende. Wie wichtig ist er?

Der Klimawandel und seine Folgen beherrschen die politische und gesellschaftliche Debatte. In vielen Bereichen wird nach Antworten gesucht, was jetzt getan werden kann und muss, um vorausschauend mit den Ressourcen umzugehen. Wie wir uns jetzt und in Zukunft fortbewegen wollen, ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Frage. Für eine zukunftssichere Mobilität sind nachhaltige Lösungen gefragt. Elektromobilität ist aktuell ein Ansatz zur Senkung des CO2-Ausstoßes.

So sollen nach dem Willen des EU-Parlaments ab 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen verkauft und zugelassen werden dürfen. Bis 2030 will die Bundes­regierung in Deutschland mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw auf die Straßen bringen, den Kauf solcher Fahrzeuge fördert sie mit einem Umweltbonus. Auch ein beschleunigter Ausbau der Ladeinfrastruktur ist geplant. Wir als Versicherer nehmen uns dieses Themas mit Leidenschaft an und fördern nachhaltige Lösungen.

Wie entwickelt sich der Markt für E-Mobilität?

Die Nachfrage nach E-Mobilität steigt. Allein im Verlauf des Jahres 2021 wurde nach Statista-Angaben mit rund 356.000 ein Rekordwert bei der Anzahl der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland verzeichnet und es wurden mehr Pkw mit reinem Elektroantrieb neu zugelassen als jemals zuvor. Die Nachfrage nach Autos mit alternativen Antriebsarten wird weiter zunehmen. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden bei ihrem Wunsch nach mehr E-Mobilität und setzen mit unserer Kfz-Versicherung ein klares Zeichen zur Förderung alternativer Antriebsarten, indem wir unsere Leistungen stetig erweitern, bedarfsgerecht optimieren und zusätzliche Beitragsvorteile einräumen.

Nun beschäftigt sich die Gothaer auch in anderen Bereichen mit Nachhaltigkeit. Wo liegt hier der Fokus?

Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist das Thema Nachhaltigkeit ein Teil unserer DNA. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen im Sinne der Gemeinschaft prägt schon seit mehr als zwei Jahrhunderten unser Denken und Handeln. Daher haben wir uns auch schon sehr frühzeitig mit dem Thema erneuerbare Energien auseinandergesetzt und waren 1995 einer der ersten Versicherer von Windkraftanlagen. In diesem Segment sind wir seit vielen Jahren Marktführer. Zugleich sind wir mit Investments von 1,4 Mrd. Euro relativ gesehen zum gesamtem Kapitalanlagevolumen auch einer der größten Investoren in diesem Bereich. Und auch als Unternehmen selbst sind wir seit 2020 klimaneutral und unterstützen über unsere Stiftung Forschungsprojekte und Initiativen rund um das Thema Nachhaltigkeit.

Und wie sieht es konkret mit dem Thema E-Mobilität bei der Gothaer aus?

Das Thema steht schon lange auf unserer Agenda. Als einer der ersten Versicherer haben wir schon 2019 die Möglichkeit geschaffen, Autofahrten klimaneutral zu gestalten: Kundinnen und Kunden der Gothaer Kfz-Versicherung können den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge über unseren Partner ClimatePartner kompensieren.

Parallel dazu haben wir 2019 die Förderung alternativer Antriebsarten in unser Kfz-Produkt aufge­nommen und einen erweiterten Leistungsumfang für den Akku in den beitragspflichtigen Kasko-Baustein Top-Schutz eingebaut sowie einen Beitragsnachlass für reine Stromer.

Mitte 2021 haben wir diese Features noch einmal deutlich verbessert und ausgebaut. Aktuell bieten wir ein umfassendes Leistungspaket insbesondere für die Risiken rund um den Akku bereits in der Grund­deckung. Außerdem profitieren davon jetzt nicht mehr nur reine Stromer, sondern auch Hybrid-Pkw. Reine Elektro-Pkw erhalten jetzt sogar 20% Nachlass, Hybrid-Pkw 5%. Und seit Mitte 2022 gilt das Leistungspaket auch für Elektro-Lieferwagen.

Der Markt der Elektromobilität ist umkämpft. Wie kann man sich da mit seinem Angebot absetzen?

Vor allem wollen wir unseren Kundinnen und Kunden die Sorgen bei der Absicherung des Risikos rund um den Akku nehmen. Neben einer Allgefahrendeckung für den Akku bis 25.000 Euro im Rahmen der Vollkasko bieten wir diese hohe Entschädigungssumme auch für Folgeschäden am Akku nach Kurzschluss, Tierbiss oder Überspannung. Aber auch Brandschäden an der Wallbox oder Akku-Entsorgungskosten nach einem Totalschaden sind in bestimmtem Umfang im Leistungspaket enthalten. Und natürlich hilft unser Schutzbrief, wenn der Akku doch einmal leer gefahren wurde und das E-Auto zur nächsten Ladesäule geschleppt werden muss.

Nun hören wir immer wieder, dass die Schadenerfahrungen noch gering sind und das Risiko schwer zu kalkulieren ist. Teurer wird es aber, oder?

Mit dem stetigen Zuwachs an Kundinnen und Kunden und der damit einhergehenden Zahl an Schäden wächst auch das Know-how bezüglich der Risikoeinschätzung und die statistische Sicherheit zum Beispiel bei den Typenein­stufungen.

Grundsätzlich unterscheiden sich E-Fahrzeuge und Verbrenner bei einem Karosserieschaden nicht. Ist allerdings der Akku betroffen, gibt es besondere Herausforderungen. So werden zum Teil vor Ort spezielle Vorgaben und Sicherheitsvorkehrungen gefordert, die bei Elektrofahrzeugen nach einem Unfall einzuhalten sind. Elektroautos sollen dann in eine geeignete Werkstatt gebracht werden, die über einen sogenannten Quarantäneplatz verfügt und auf dem das Fahrzeug ein paar Tage verbleiben kann. Diese Umgebung muss mit brandsicheren Wänden und mit ausreichend Abstand zu anderen Fahrzeugen, der Werkstatt und anderen Gebäuden ausgestattet sein. So soll das Risiko aufgefangen werden, dass sich nach einem Unfall der beschädigte Akku erst später oder erneut entzündet.

Solche Besonderheiten verteuern Schäden natürlich. Auch müssen die Werkstätten eine entsprechende zusätzliche Qualifizierung für die Reparatur vorweisen können, was wiederum die Steuerung und Auswahl der Werkstätten beeinflusst.

Sollte 2035 das Aus für Neuzulassungen von Verbrennermotoren kommen, welche Auswirkungen wird das haben?

Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass 2035 das Aus für die Neuzulassung von Verbrennern kommen wird. Das allein wird wohl nicht zu weniger Fahrzeugen führen. Viel stärker werden sich der allgemeine Trend zu Carsharing sowie entsprechende Maßnahmen in der Stadtplanung auswirken, wenn Autos aus den Innenstädten verbannt werden. Sollten ab 2035 keine klassisch betriebenen Fahrzeuge mehr zugelassen werden, könnte der Markt für Gebrauchtfahrzeuge ebenfalls angekurbelt werden. Wichtige Voraussetzung für mehr E-Mobilität ist natürlich auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Ist Wasserstoff für Sie eine sinnvolle Alternative?

Mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Kundinnen und Kunden ist die wasserstoffbetriebene Mobilität durchaus eine attraktive Alternative, insbesondere wegen der kürzeren Ladezeiten und der großen Reichweite. Wenn man den Faktor der staatlichen Förderung sowie den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Entwicklung weiterer Modelle betrachtet, sind Preissenkungen zu erwarten. Wenn die weiteren Herausforderungen bei dieser Antriebsart gelöst sind – beispielsweise sollte der benötigte Wasserstoff mit Ökostrom und nicht mit fossilen Brennstoffen gewonnen werden –, kann er einen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität der Zukunft leisten, insbesondere bei Schwerlast oder Schiffen. Ich sehe ihn aber weniger als Alternative zu den batteriebetriebenen Fahrzeugen, sondern eher als Ergänzung.

Darüber hinaus, was glauben Sie, wo die Reise beim Thema Mobilität noch hingehen kann?

Die spannende Frage ist, welche weiteren Technologien kommen und welche sich durchsetzen werden. Ich gehe davon aus, dass Elektro-Antriebe die Verbrennungsmotoren zunehmend ergänzen oder gar ganz ersetzen werden. Elektro- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge nehmen auf dem Weg in eine nachhaltige Mobilität eine Schlüsselposition ein, sodass der Weg zu Weiterentwicklung und Optimierung geebnet ist.

Der aktuell noch relativ geringe Anteil von Carsharing-Fahrzeugen wird vermutlich deutlich zunehmen. Wichtig ist, dass dies nicht nur im städtischen, sondern auch im ländlichen Raum geschieht.

Auf lange Sicht steuern wir auf eine durch mobile Datenverbindungen mögliche Vernetzung der Fahrzeugsysteme und Fahrzeuge an sich sowie mit ihrer Umwelt zu. Dazu gehören dann smarte Technologien – zum Beispiel, um den Verkehrsfluss zu beeinflussen. Dies wird vermutlich die Basis für die automatisierten und später auch autonomen Fahrfunktionen der Zukunft. Wir als Versicherer behalten diese Entwicklungen im Blick und gestalten bedarfsgerechte Versicherungslösungen, die auf die innovativen Mobilitätskonzepte einzahlen und sie mitgestalten.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 40 f.

Bild: Thomas Bischof, Gothaer Allgemeine Versicherung AG

 
Ein Interview mit
Thomas Bischof