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3. Januar 2022
„ETFs haben auch die Kosten für aktive Anleger drastisch gesenkt“
ETF - Exchange Traded Fund concept with hand pressing a button on blurred abstract background

„ETFs haben auch die Kosten für aktive Anleger drastisch gesenkt“

Der ETF-Experte und Vermögensverwalter Dr. Gerd Kommer ist überzeugt, dass das Geschäftsmodell Honorarberater selten funktioniert. Im Interview spricht der Bestseller-Autor, der selbst als Honorarberater tätig ist, über informationseffiziente Märkte und darüber, welche Faktorprämien Anleger abschöpfen können.

Interview mit Dr. Gerd Kommer, Geschäftsführer und Gründer von GKI und GKC
Herr Kommer, Sie haben zwei verschiedene Unternehmen. Um welche handelt es sich dabei?

Die Gerd Kommer Invest (GKI) ist ein Honorarberater und Vermögensverwalter für vermögende Privathaushalte, Stiftungen und kleinere mittelständische Unternehmen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Unternehmen mit Face-to-Face-Interaktion für die Mandanten. Unsere rund 200 Kunden erwarten das. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Millionäre, da wir als Vermögensverwalter ein liquides Vermögen von 1 Mio. Euro voraussetzen.

Und dann gibt es noch die Gerd Kommer Capital (GKC). Das ist ein Robo-Advisor. Konkret handelt es sich um ein Joint Venture zwischen uns und Scalable Capital, die die Technologie zur Verfügung stellen. Hinzu kommt als Partner noch die Baader Bank, die als Depotbank fungiert. Mit dem Robo machen wir auch den Personen ein Angebot, die weniger als 1 Mio. Euro zur Verfügung haben. Beim Robo beträgt das Minimum-Investment nämlich nur 10.000 Euro.

Wie unterscheiden sich die Leistungen im Einzelnen?

Das Gesamtangebot ist natürlich nicht das Gleiche, aber der Investmentansatz ist sehr ähnlich. Bei GKI bieten wir eine ganzheitliche Beratung, die auch die Verwaltung von Vermögenswerten mit einschließt, die nicht mit uns angelegt werden – beispielsweise Immobilien.

Apropos Investmentansatz: Sie sind ja ein Verfechter des passiven Investierens, auch deshalb, weil Sie von effizienten Märkten ausgehen.

Ich bevorzuge das Wort „informationseffizient“ – da bin ich ein bisschen pedantisch. Wenn Sie nämlich Privatanlegern die Frage stellen, was sie unter „effizienten Märkten“ verstehen, dann bekommen Sie selten eine wirklich richtige Antwort. Da hören Sie dann etwas von „gut funktionierenden Märkten“ oder „fairen Preisen“ – lauter normative Begrifflichkeiten.

Der ursprünglich in der Wissenschaft verwendete Ausdruck lautete ja auch „informationseffiziente Märkte“. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das auf „effiziente Märkte“ verkürzt. Wahrscheinlich, weil die Leute eine Zehntelsekunde beim Sprechen sparen wollten. Kurz gesagt geht es darum, dass Informationen so schnell eingepreist werden, dass Sie und ich in der Regel zu spät kämen, wenn wir daraus eine Investmententscheidung ableiten würden.

Wie sieht es auf weniger informationseffizienten Märkten aus?
Ist es denkbar, dass ein aktiver Anleger hier eine Outperformance erzielen könnte?

Das ist eine gute Frage. Die wurde auch schon oft gestellt und ebenfalls untersucht – also insbesondere in Bezug auf Schwellenländer, Small Caps oder Micro Caps. Die Ergebnisse sind nicht ermutigend, wenn ich es mal so sagen darf. Auch auf diesen weniger liquiden Märkten liegt die Mehrzahl der Investoren – ganz gleich ob Privat- oder Profi-Investoren – nach Kosten und Risiken hinter einer angemessenen Benchmark.

Warum ist das so?

Zum einen haben Sie als aktiver Investor in illiquiden Märkten einen Nachteil, den Sie so in liquiden Märkten nicht haben: nämlich die viel höheren Transaktionskosten. Wenn Sie beispielsweise eine peruanische Aktie kaufen und wieder verkaufen wollen, dann zahlen Sie da wahrscheinlich 3 bis 4% Roundtrip. Wenn Sie jetzt eine BMW-Aktie oder eine Tesla-Aktie kaufen, dann sind das nur 0,1%. Da hat der aktive Anleger sozusagen ein Bleigewicht am Fuß, wenn er häufig tradet. Die illiquiden Märkte sind vielleicht wirklich weniger informationseffizient, was zunächst einen Vorteil für aktive Anleger verspricht, aber gleichzeitig weisen sie durch die höheren Kosten einen noch größeren Nachteil auf.

Wenn wir davon ausgehen, dass selbst unter diesen Umständen keine systematische Outperformance erzielt werden kann, dann bleiben noch die Faktorprämien.

Faktorprämien gibt es sehr viele. Ein amerikanischer Finanzmarktforscher sprach mal von einem „Faktor Zoo“. Also, andere haben mal geschrieben, dass es 500 bis 600 verschiedene Faktoren gibt. Dabei geht es darum, dass Sie statistisch leicht identifizierbare Merkmale dahingehend prüfen, ob sie mit Aktien­rendite unter Berücksichtigung des Risikos ursächlich korrelieren. Das sind im Prinzip Faktorprämien. Wenn etwas positiv oder auch negativ mit Rendite korreliert, dann können Sie im Prinzip eine Strategie daraus machen.

Die berühmteste Faktorprämie ist der Small-Cap-­Effekt: Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung haben statistisch gesehen höhere Renditen als große Unternehmen. Insgesamt sind von diesen Hunderten Faktoren nur fünf bis sechs Faktorprämien sehr gut in der Literatur bestätigt. Zu diesen gibt es bestimmt mehr als tausend sehr anspruchsvolle Studien von renommierten Universitäten, die ihre Wirksamkeit bestätigen. Auf diese gut belegten Faktorprämien beschränken wir uns auch mit unserem Investmentansatz. Und es muss natürlich auch die Produkte dafür geben.

Das ist ein Unterschied zwischen uns und dem norwegischen Ölfonds als größtem Investor der Welt. Der braucht natürlich keine ETFs, wenn er Faktor-Investing machen will. Der kann sich das selber strukturieren und muss sich nicht auf Faktor-Produkte aus dem Regal verlassen – maßgeschneidert, wenn man so will.

Gehen Sie davon aus, dass der norwegische Staatsfonds aufgrund seiner Größe
noch zusätzliche Faktorprämien abschöpfen kann, für die keine Fondsprodukte existieren?

Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Generell gibt es gerade für den norwegischen Staatsfonds schon mehrere Untersuchungen, die der Fonds teilweise sogar selbst in Auftrag gegeben hat, zu seiner Investmentstrategie und zu Fragen der Performance. Der norwegische Staatsfonds weist zwar eine stark passive Ausrichtung auf, aber ganz passiv kann er nicht investieren. Für einen Fonds dieser Größe geht das nicht. Mit einem derartigen Anlagevolumen bewegen Sie den Markt durch ihre Investments.

Was wäre, wenn alle Anleger Ihrem Ansatz vom passiven Investieren folgen würden? Kämen dann überhaupt noch informationseffiziente Märkte zustande?

Da machen sich unglaublich viele Menschen unglaublich viele überflüssige Sorgen. Wenn ich von diesen Leuten diejenigen abziehe, die beruflich in der Investmentbranche arbeiten und ihr Geld mit aktiven Fonds verdienen, dann bleiben allerdings nicht mehr allzu viele übrig. Insbesondere bleiben so gut wie keine Wissenschaftler übrig.

Das passive Investieren übt einen starken Margendruck auf die Finanzbranche aus. Die Verwaltungsgebühren in den USA für aktiv gemanagte Investmentfonds sind in den letzten 15 Jahren um fast 50% gesunken. Der Grund dafür ist die Konkurrenz durch Indexfonds. Und dann ist es ja klar, dass Asset-Manager sauer sind, wenn ihnen die Hälfte ihrer Gewinn­marge genommen wird. Vonseiten der Aufsichtsbehörden und aus der Wissenschaft heißt es dazu eher, dass sich derzeit keine eindeutige Evidenz dafür finden lässt, dass es zu viel passives Investieren gibt. Tatsächlich haben ETFs dazu beigetragen, dass die Kosten auch für aktive Anleger drastisch gesunken sind.

Und was wäre, wenn passives Investieren den Großteil des Marktgeschehens ausmachen würde?

Wenn es wirklich so wäre, dass der Marktanteil des passiven Investierens 80 bis 90% betragen würde, dann würde man das merken. Bestimmte Akteure würden dann zuverlässig den Markt schlagen. Und diesen Leuten würde man dann sein Geld geben oder so investieren wie sie. Wo ist also das Problem?

Herr Kommer, Sie sind mit Ihrem Unternehmen einer der wenigen Honoraranlageberater in Deutschland. Weshalb gibt es davon so wenige?

Weil das Geschäftsmodell der Honorarberatung kaum funktioniert. Als Honorarberater genug zu verdienen, um eine Familie ernähren können, funktioniert leider schlecht. Bei uns ist das deswegen anders, weil ich 15 Jahre quasi in Vorleistung gegangen bin und Ratgeberbücher geschrieben habe. Deshalb lässt sich unser Geschäftsmodell, das auf den Büchern basiert, nicht unbedingt auf den Normalfall übertragen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 54 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Tierney – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Dr. Gerd Kommer