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22. April 2022
„Man muss sich entscheiden, ob man die Statusspiele mitmacht“
Legs and pants of many business people from behind

„Man muss sich entscheiden, ob man die Statusspiele mitmacht“

Als langjährige Unternehmerinnen wissen Alexandra Kallmeier und Adelheid Marscheider, wie der Vertrieb läuft. Zudem machen sie sich Gedanken über Personal, New Work und nicht zuletzt die wenigen Frauen im Vertrieb. Trotz alldem sind sie Maklerinnen mit Leidenschaft.

Interview mit Alexandra Kallmeier, Geschäftsführerin der VersCare Versicherungsmakler GmbH, und Adelheid Marscheider, Geschäftsführerin der Marscheider Versicherungsmakler GmbH & Co. KG
Vor einigen Jahren gab es in der Branche diverse Anstrengungen, mehr Frauen für den Vertrieb zu gewinnen. Hat sich hier was bewegt?

Adelheid Marscheider Die Bemühungen, Frauen für den Vertrieb zu motivieren, stagnieren. Nach wie vor sind Frauen in der Versicherungsbranche leider kaum an einer Vertriebstätigkeit interessiert.

Alexandra Kallmeier Weiterhin müssen wir raus aus dem Schubladendenken. Aktuell wird mehr Vielfalt angestrebt. Dadurch bekommen Diversität und auch Inklusion neuen Fokus.

Aber es braucht noch mehr Bewusstsein, weniger Geschlechterdenken. Wir brauchen konkrete Schritte, jeden Tag aufs Neue. Ein Mix aus männlichen und weiblichen Beratern bedeutet mehr Erfolg und mehr Umsätze. Vertrieb ist eine hochstrategische Funktion in jeder Organisation.

Sie beide hatten sich stark engagiert und das BDVM-Frauennetzwerk gegründet. Um dieses und auch um andere Initiativen ist es ruhig geworden. Gibt es Gründe dafür?

AM Wir mussten die Erfahrung machen, dass zu wenig Interesse besteht für einen Erfahrungsaustausch bzw. Kontakt.

AK Wir versuchen über Kooperationen, zum Beispiel mit dem VGA, dem BWV und weiteren Organisationen, einen höheren Wirkungsgrad zu generieren. Allein mit dem internen, eigenen Netzwerk erhielten wir mit großen Anstrengungen nicht die Wirkung, die wir uns erhofft hatten. Aus diesem Grund setzen wir nun auf gemeinsame Projekte mit anderen Netzwerken. Neben den bereits existierenden Aktionen steht obendrein ein neues Projekt – powered by VEMA e. G. – in den Startlöchern. Hierzu möchte ich noch nicht zu viel verraten, kann Ihnen aber bereits den packenden Titel bekannt geben: „Sheroes of Insurance“. Weiterhin ist das Ziel aller, auch junge Frauen für die Versicherungsbranche zu begeistern.

Sind die Anforderungen von Frauen an eine Tätigkeit vielleicht einfach so unterschiedlich, dass man diese gar nicht unter einen Hut bekommen kann? Oder ist es gar keine Frage, die sich als Frau stellt, sondern eher als eine Frage der Lebens­situation?

AM Wir haben verstärkt den Eindruck, dass sich gerade bei der jüngeren Generation von Frauen die Interessenlage auf Familienplanung etc. verlagert und daher der Fokus eher auf einer Tätigkeit liegt, die kompatibel mit der privaten Situation ist. Die Erwartung an die Tätigkeit bzw. einen Arbeitsplatz beziehen sich daher eher auf einen festen und sicheren Arbeitsplatz, kalkulierbare Arbeitszeiten und strukturierte Tätigkeiten.

AK Frauen wollen sich mit den Aufgabenstellungen identifizieren. Es findet sehr oft eine Abwägung für jeden Zeiteinsatz statt. Das Vorleben ist enorm wichtig, um Veränderungen anzustoßen. Unternehmen sollten jungen Frauen schon frühzeitig klar sagen: „Wir wollen mit dir die nächsten Schritte machen.“

Viele Effekte führen schon dazu, dass Frauen in den höheren Positionen Fuß fassen. Weiterhin bleibt aber oft insgeheim der Wunsch von vielen Verantwortlichen, sich in dem Bewerber selbst erkennen zu wollen. Dies ist menschlich, fördert aber kein Umdenken.

Sie beide sind Gründerinnen und Unternehmerinnen. Sie verhandeln mit Ihren Kunden und mit den Versicherern. Gibt es an diesen Stellen noch Akzeptanzprobleme? Eigentlich kann man sich das heute doch gar nicht mehr vorstellen, oder?

AM Akzeptanzprobleme sehen wir hier nicht. Fachkompetenz, eine gewisse Durchsetzungskraft, Kreativität und Erfahrung sind die Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit als Versicherungsmaklerin, dann ist die Akzeptanz kein Problem.

AK Aufgrund so manches Schubladendenkens kostet es in einer immer noch männerdominierten Branche mehr Ausdauer, gesehen und folglich auch akzeptiert zu werden. Es benötigt Selbstbewusstsein in Verhandlungen und auch bei Veranstaltungen, die einzige bzw. eine von wenigen zu sein. Aber diese Präsenz ist wichtig, um die Netzwerke zu nutzen.

Sie beide sind oder waren auch in Verbandsämtern aktiv. Hilft das?

AM Die Aktivität in Verbands­ämtern ist arbeitsintensiv, hat uns aber auch im Dialog mit den Versicherern unterstützt und es konnten an manchen Stellen positive Ergebnisse in der Zusammenarbeit Makler/Versicherungsgesellschaften erzielt werden.

Es war mal ein Thema, dassVersicherer ihre Betreuung, Vertriebsunterstützung und Veranstaltungen mehr oder weniger nur auf Makler ausgerichtet haben. Maklerinnen kamen da nicht vor. Gibt es das noch?

AM In der Zusammenarbeit Versicherer/Makler/Maklerinnen sind für mich keine Unterschiede hinsichtlich Betreuung oder Vertriebsunterstützung erkennbar.

Mit der Corona-Pandemie hat sich ja auch einiges geändert. Vieles läuft digital ab. Für Sie eine gute Entwicklung?

AM Die digitale Kommunikation schafft zeitliche Freiräume und bietet somit die Möglichkeit, Prozesse und Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten. Dies ist ein sehr positiver Aspekt in der Digitalisierung. Es ist jedoch meines Erachtens in der Kundenbindung nach wie vor wichtig, eine gewisse persönliche Gesprächskultur zu pflegen, um die zwischenmenschliche Kundenbeziehung weiterhin zu erhalten.

AK Auch ich sehe hier eine große Chance für Freiräume und Effizienz. Selbstständigkeit und Eigeninitiative rücken in den Fokus. Alle müssen mehr Verantwortung übernehmen. Ich wünsche mir hier vor allem, dabei sehr achtsam mit den sich aus der Pandemie ergebenden Veränderungen umzugehen. Denn auch hier ist es für einige Menschen eine große Herausforderung – Thema New Work.

Sie beide haben unterschiedliche Werdegänge. Schildern Sie uns doch diese mal kurz.

AM Aufgrund meiner ursprünglichen Ausbildung als Industriekauffrau war ich in den ersten Berufsjahren als Sachbearbeiterin in der Industrie tätig. Bedingt durch lange Auslandstätigkeiten meines Ehemanns spielte dann die Familienplanung bei mir eine größere Rolle. Nach Beendigung dieser Phase habe ich nochmals eine Ausbildung als Versicherungskauffrau berufsbegleitend absolviert und mich dann nach einer gewissen Angestelltentätigkeit als Sachbearbeiterin und spätere Gesellschafterin-Geschäftsführerin (GGF) in Versicherungsmaklerunternehmen selbstständig gemacht und mein eigenes Unternehmen gegründet. Dieses Unternehmen besteht jetzt seit über 30 Jahren und hat im Bereich Ober-, Mittel- und Unterfranken eine gewisse Marktposition eingenommen.

AK Nach vier Jahren bei einer Privatbank wechselte ich 2001 zu einer Versicherungsgesellschaft und war dort fünf Jahre im Bereich der Außendienstausbildung tätig. Ausbildung zur Versicherungsfachfrau und Personalreferentin. Seit 2006 Maklertätigkeit unter anderem als GGF. Seit 2018 Ausbau der Geschäftstätigkeit als Inhaberin und Geschäftsführerin eines weiteren Versicherungsmaklers, der Vers­Care Versicherungsmakler GmbH. Begleitend zu meiner Maklertätigkeit ist mir die Ausbildung in der Versicherungsbranche sehr wichtig. Aus diesem Grund bin ich seit 2002 Prüferin bei der IHK in mehreren Ausbildungen. Außerdem übe ich seit 2002 für das BWV diverse Referententätigkeiten aus. Ehrenamtlich führe ich seit 2014 das Amt der Regionalkreissprecherin und Verbandsratsvorsitzenden für den BDVM in der Region Bayern aus. In dieser Position unterstütze ich auch das Projekt „Frauen im Vertrieb“.

Sind das Werdegänge, die Sie heute auch jungen Menschen, insbesondere Frauen, empfehlen würden?

AM Der Versicherungsmarkt hat sich stark verändert. Der Markt ist dabei, sich zu konsolidieren. Kleinere Versicherungsmaklerunternehmen werden aufgekauft bzw. fusionieren. Einen Werdegang auf Basis einer Neugründung würden wir daher heute nicht mehr empfehlen.

AK Es ist wichtig zu verstehen, dass es Spiele um Status und Macht gibt. Wir sollten die Erwartungen und Wünsche im Berufsleben kennen und einsortieren können. Man muss sich entscheiden, ob man die Statusspiele mitmacht, welche Rollen auch nützlich sein können und wie man sich Grenzen setzt. Wichtig ist hier vor allem, ernsthaft und humorvoll zugleich heranzugehen, ganz ohne Drama.

Frau Marscheider, bei Ihnen ist Ihr Sohn mit in der Geschäftsführung. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit?

AM Nach über 14-jähriger Tätigkeit im Unternehmen ist mein Sohn auch Mitgesellschafter. Wir sind ein eingespieltes Team und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.

Die junge Generation hat heute neue Anforderungen an die Arbeit. New Work und Work-Life-Balance sind hier die Stichwörter. Spüren Sie dies auch in Ihren Betrieben?

AM Wir arbeiten in unserem Unternehmen mit einem sehr jungen Team zusammen und beobachten diese Strömungen bei der jungen Generation sicherlich auch.

Wir sehen es als unsere Aufgabe, auf diese neuen Anforderungen zu reagieren. Nur ein eingespieltes Team, wo auch ein gewisser Konsens vorherrscht, arbeitet auf Dauer erfolgreich zusammen. Für uns ist es sehr wichtig, dass in unserem kleinen Team jeder auf seinem Platz Freude an der Arbeit hat und sich im Unternehmen gut auf­gehoben fühlt.

AK Oft wird ein großer Vorteil durch New Work – die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – beschrieben. Aber vor allem die Verschmelzung von Privatleben und Arbeit ist ein möglicher Kritikpunkt. Und es ist und wird weiterhin eine Herausforderung für jeden Unternehmer und jede Unternehmerin, das Team im Fokus und den Blick auf die Marktsituation und den Kunden zu halten.

Ist die Personalsuche für Sie im Allgemeinen denn ein großes Problem?

AM Die Personalsuche ist aktuell in allen Branchen ein großes Problem. Unsere Kunden spiegeln uns dies täglich mit der gleichen Intensität, die auch wir spüren.

AK Die erfolgreichen Unternehmen der Zukunft werden den richtigen Mix aus Talenten und Stärken beider Geschlechter nutzen (müssen).

Wo sehen Sie dann sonst Ihre größten Herausforderungen?

AK Unsere größte Herausforderung sehen wir beide darin, mit einem eingespielten und motivierten Team unsere Aufgabe zu erfüllen, unseren Kunden optimalen Versicherungsschutz zu adäquaten Prämien zu bieten und sie fachkompetent zu betreuen.

Warum sind Sie heute trotzdem immer noch gerne Maklerin?

AM Es bereitet mir heute immer noch sehr viel Freude, unabhängig und bedarfsorientiert den Kunden zu beraten und zu betreuen. Die persönliche Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch ist eine sehr schöne Aufgabe und erfüllt mich nach über 30 Jahren Tätigkeit im Vertrieb immer noch wie am ersten Tag.

AK Zusammen mit meinen Kunden will ich aus den nahezu unüberschaubaren Versicherungssparten und Tarifen der Versicherer solche her­ausfiltern, die für meine Kunden sinnvoll sind und zu ihrem Bedarf passen. Mein Lebensweg hat mich zu diesem Beruf in dieser Branche geführt – ich bin überzeugt, das hatte einen Grund. In der Branche gibt es tolle Männer und Frauen, die was draufhaben, die Impulse setzen. Ich wünsche mir an dieser Stelle für alle noch mehr Sichtbarkeit für unser Berufsbild.

Über Marscheider Versicherungsmakler

Die Marscheider Versicherungsmakler GmbH & Co. KG mit Sitz in Hausen besteht seit 2000 in dieser Form. Die Geschäftsführung haben Adelheid Marscheider und ihr Sohn Michael Marscheider inne. Zunächst machte Adelheid Marscheider eine Ausbildung zur Industriekauffrau, später dann zur Versicherungskauffrau. Außerdem ist sie Mitglied im Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V. (BDVM) und Genossenschaftsmitglied in der VEMA e. G.

Über VersCare Versicherungsmakler

Die VersCare Versicherungsmakler GmbH hat ihren Sitz in Sulzbach-Rosenberg und wurde 2013 gegründet. Geschäftsführerin ist Alexandra Kallmeier. Kallmeier begann ihre berufliche Karriere in einer Privatbank, wechselte dann in die Außendienstausbildung einer Versicherungsgesellschaft. Sie hat eine Ausbildung zur Versicherungsfachfrau und Personalreferentin und ist seit 2006 als Maklerin tätig. Kallmeier ist darüber hinaus Verbandsratsvorsitzende und Sprecherin beim BDVM für den Regionalkreis Bayern, wo sie auch das Projekt „Frauen im Vertrieb“ unterstützt.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 76 ff., und in unserem ePaper.

Bild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Adelheid Marscheider
Alexandra Kallmeier