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22. Juni 2022
„MSCI World für Privatanleger kein passendes Investmentvehikel“

„MSCI World für Privatanleger kein passendes Investmentvehikel“

Für umweltbewusste Anleger, die sich eine nachhaltige ETF-basierte Vermögensverwaltung wünschen, hat die Grüne Welt GmbH etwas am Start. Was unterscheidet dieses Konzept von anderen nachhaltigen Ansätzen? Was hat es mit dem Schutzschirm gegen schlechtes Börsenwetter auf sich?

Ein Interview mit Dr. Stefan Klotz, Geschäftsführer der Grüne Welt GmbH
Herr Klotz, Sie bieten mit Grüne Welt eine ETF-basierte Vermögensverwaltung an. An wen richtet sich das Angebot konkret?

Unser Vertrieb findet aktuell ausschließlich über freie Vermittler statt, die ihren Kunden eine breit gestreute Anlage mit hohen Nachhaltigkeitsstandards anbieten möchten, und zudem einfach in der Handhabung ist – für Kunden und Berater.

Für Privatanleger gibt es keine Möglichkeit, direkt auf Ihrer Website oder per App Kunde zu werden?

Das, was häufig unter dem Begriff Robo-Advisor angeboten wird, gibt es bei uns aktuell nicht. Einfach über die Website Kunde zu werden – das bieten wir bis auf Weiteres nicht an.

Soll sich das bald ändern?

Momentan planen wir da nichts.

Sie bieten zwei Anlagestrategien an. Die Grüne Welt Strategie 50 und die Grüne Welt Strategie 100. Was steckt da jeweils drin und wie unterscheiden sich die Produkte?

Das mit den Zahlen ist leicht erklärt. Die bezeichnen immer die maximal mögliche Aktienquote. Die Grüne Welt 100 ist demnach eine Anlage in die etablierten globalen Aktienmärkte. Wir sind dann typischerweise auch wirklich zu 100 % investiert – und zwar über die Regionen hinweg. Das heißt, wir haben ETFs, mit denen wir Nordamerika abbilden, und solche, mit denen wir Europa abbilden. Dann noch Japan, Pazifik inklusive Australien und die Schwellenländer.

Die Grüne Welt 50 hingegen richtet sich an Kunden, die keine Aktienquote von 100% tragen können oder wollen. Das heißt, die eine Hälfte des Produkts entspricht der Grünen Welt 100. Die andere Hälfte besteht aus sicheren Euro-Anleihen von Staaten und Unternehmen – stets Anleihen von Emittenten mit höchster Bonität. Die Grüne Welt 50 muss eben ein spürbar reduziertes Risiko aufweisen.

Handelt es sich bei den Anleihen um Green Bonds?

Wir haben zwei Anleihen-ETFs in dem Produkt. Der eine folgt dem gleichen Nachhaltigkeitskonzept wie die Aktien-ETFs. Also sehr ambitionierte Ausschlusskriterien und ein ebenfalls ambitionierter Best-in-Class-Ansatz. Der andere Anleihen-ETF enthält tatsächlich Green Bonds von Unternehmen und Schwellenländern.

Sie greifen nicht einfach auf einen MSCI-World-ETF zurück. Warum werden die Regionen bei Ihnen einzeln abgebildet?

Wir finden: Der MSCI World ist für Privatanleger kein passendes Investmentvehikel. Hauptgrund dafür ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Dadurch erhalten Anleger im MSCI World aktuell einen Anteil von ungefähr 70% US-Aktien. Und auch im breiter anlegenden Index MSCI All Countries World (ACWI) stecken immer noch mindestens 60% US-Titel. Wir haben da einen eigenen Algorithmus, mit dem wir jährlich die Gewichte neu festlegen.

Was ist das für ein Algorithmus?

Er besteht aus drei Komponenten. Eine Komponente ist die bereits erwähnte Marktkapitalisierung – bis zu einem gewissen Punkt ist diese Gewichtung ja auch sinnvoll. Der zweite Faktor ist die Wirtschaftsleistung der jeweiligen Region. Dadurch ergibt sich eine Aufwertung der Schwellenländer und eine niedrigere Gewichtung der USA. Und drittens lassen wir eine Erkenntnis aus der Kapitalmarktforschung einfließen, nämlich dass es für Anleger eine gewisse Risikoreduzierung darstellt, wenn sie stärker in ihrer Heimatwährung investiert sind. Aus diesem Grund verdoppeln wir den Anteil des Investments in der Eurozone, der ansonsten aufgrund von Wirtschaftsleistung und Marktkapitalisierung herausgekommen wäre.

Dann dürfte die Region Europa am höchsten gewichtet sein, nehme ich an?

Die Region Europa, die neben der Eurozone ja noch weitere Länder umfasst, liegt in der Tat auf Platz 1, aber nur relativ knapp vor den USA.

Sie sagten, die ETFs haben harte Ausschlusskriterien und einen Best-in-Class-Ansatz. Klingt nach ETFs aus der SRI-Produktfamilie. Welche Produkte von welchen Anbietern nutzen Sie denn konkret?

Innerhalb der SRI-Familie gibt es Unterschiede. Wir entscheiden uns grundsätzlich für den jeweils nachhaltigsten Ansatz, wobei auch ein paar technische Anforderungen erfüllt sein müssen.

Zum Beispiel?

Wir möchten keine unnötig hohen Transaktionskosten haben. Das Produkt muss also gut handelbar sein. Außerdem benötigen wir stets eine thesaurierende Variante. Ausschüttende ETFs wären für unsere Kunden nachteilig. Unter den Produkten, die diese technischen Anforderungen erfüllen, entscheiden wir uns schließlich für den nachhaltigsten ETF. Dementsprechend haben wir Produkte verschiedener Anbieter in unserem Portfolio – aktuell sind das ETFs von UBS, Amundi und iShares.

Welche Vorteile bietet ihr Ansatz gegenüber einem simplen Portfolio aus 70% MSCI World und 30% MSCI Emerging Markets, wie es üblicherweise von Verbraucherschützern empfohlen wird?

Zum einen wird die bereits zuvor angesprochene Übergewichtung der USA vermieden. Zum anderen bleiben wir mit unserem Research in puncto Nachhaltigkeit immer am Ball und entlasten dadurch den Anleger. Wenn nachhaltigere Ansätze auf den Markt kommen, tauschen wir die ETFs aus. Und der dritte Vorteil ist der Schutzschirm, den wir in bestimmten Marktphasen für unsere Kunden aufspannen.

Worum handelt es sich dabei?

Ich sage immer: Wenn im Sommer dunkle Wolken aufziehen, sollte man für die Grillparty lieber noch einen Plan B haben. Und genau das haben wir für unsere Anleger. Wenn wir dunkle Wolken am Börsenhimmel aufziehen sehen, verkaufen wir die Aktien-ETFs und kaufen stattdessen Anleihen-ETFs. Gerade in den letzten Monaten hat sich das als ein Segen für unsere Kunden herausgestellt.

Wie stark haben Sie die Aktienquote gesenkt?

Das ist auch wieder von der Region abhängig. Wir haben uns in puncto Aktien-ETFs im November komplett aus den USA und Europa zurückgezogen. Seit Anfang März sind wir in den USA wieder investiert. In Europa greift der Schutzschirm aktuell jedoch noch. Da stehen wir an der Seitenlinie [Stand: 17.05.2022]. Unsere Kunden mussten deshalb weniger Wertschwankungen in ihren Depots in Kauf nehmen. Und auch die Rendite kann sich sehen lassen. Wir hatten am Ende des ersten Quartals nur Verluste von maximal –2% zu verbuchen. Je nach Marktvergleich entspricht das einem Alpha von vier bis sieben Prozentpunkten.

Trauen Sie sich zu, derart verlässlich kritische Börsenphasen aus­zumachen? Falls Sie eines Tages durch das Stehen an der Seitenlinie ein paar Aufschwünge verpassen, ist Ihre Performance doch im Nu wieder ruiniert.

Wenn ich das Gefühl nicht aushalten könnte, mich unter Umständen zu irren, dürfte ich den Job nicht machen. Meine Erfahrung aus über 20 Jahren Portfoliomanagement ist: Eigentlich ist unsere Situation mit der von Odysseus vergleichbar, der an den Sirenen vorbeisegelt. Im Prinzip wissen wir, wie die Dinge liegen und wie wir uns verhalten sollten. In Echtzeit ist es aber schwierig, entsprechend zu handeln. Manchmal gibt mir der von mir konzipierte Algorithmus Verhaltensweisen vor, die meinem eigenen Bauchgefühl und den Sirenengesängen der anderen Marktteilnehmer zuwiderlaufen. Zum Beispiel kurz nach dem Corona-Crash, als der Algorithmus einen starken Aufschwung prognostiziert hatte. Es hat sich nicht gut angefühlt, aber es war die richtige Entscheidung. Dazu sei aber gesagt: Auch wir haben natürlich nicht den perfekten Mechanismus gefunden – denn den gibt es nicht – und es wird Rückschläge geben. Aber vor den ganz großen Einbußen wollen wir unsere Kunden bewahren.

Wenn Ihr Sicherungsmechanismus greift, könnte die Aktienquote also auch bei Grüne Welt 100 auf null fallen?

Theoretisch möglich. Aber das gab es selbst in der Rückrechnung noch nie. Die ein oder andere Region zeigt doch immer wieder eine positive Tendenz.

Wie sieht es eigentlich mit Small Caps aus? Den Titeln kleinerer Unternehmen wird die sogenannte Size-Prämie zugeschrieben, wodurch sich langfristig mehr Ertrag generieren lassen sollte. Bilden Sie auch derartige Nebenwerte ab?

Das ist in der Tat ein Bereich, den wir momentan noch nicht abdecken können. Wir haben aber ETFs im Auge, die vor Kurzem aufgelegt wurden. Sie bilden solche Small Caps zumindest global ab – also als MSCI World. Wir überlegen derzeit, wie wir das in unseren Ansatz integrieren können. Eine höhere Small-Cap-Quote wäre uns auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten willkommen, weil die kleineren Unternehmen mehr neue Ideen und öfter nachhaltige Produkte auf den Markt bringen als größere Anbieter. Insofern wäre es uns sehr recht, wenn wir diesen Mosaikstein in puncto Nachhaltigkeit ebenfalls berücksichtigen können. Vielleicht wird das im kommenden Jahr schon möglich sein.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2022, S. 56 f., und in unserem ePaper.

Bild: © panthesja – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Dr. Stefan Klotz