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17. Januar 2024
„Viele nehmen an, dass GUV immer zahlt – der größte Irrtum“

„Viele nehmen an, dass GUV immer zahlt – der größte Irrtum“

Sollten Eltern für ihre Kinder eigentlich eine Unfallversicherung abschließen? Und auf welche Leistungen kann man aus Maklersicht gegebenenfalls auch verzichten? Versicherungsmakler Stefan Bierl spricht im Interview u. a. über Vorurteile gegenüber der Unfallversicherung und die größten Verbraucherirrtümer.

Interview mit Stefan Bierl, Gesellschafter der Finanzberatung Bierl GmbH
Herr Bierl, beim Thema Unfallschutz haben Verbraucher ja teils große Wissenslücken, was über die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt ist und was nicht. Was sind denn die größten Irrtümer?

Da gibt es natürlich viele, ich würde auf drei konkreter eingehen:

Erstens: „Wenn es darauf ankommt, zahlt doch die gesetzliche Unfallversicherung (GUV).“

Viele nehmen an, dass die GUV immer zahlt, dies ist vielleicht der größte Irrtum. Sie zahlt aber nur bei Unfällen am Arbeitsplatz, in der Schule, im Kindergarten sowie auf den direkten Wegen hin und zurück. Für Rentner, Hausfrauen bzw. Hausmänner und Selbstständige besteht hier überhaupt kein Versicherungsschutz.

Übrigens: Zwei Drittel aller Unfälle passieren nicht in der Arbeit, sondern zu Hause oder in der Freizeit. Zudem zahlt die GUV im Gegensatz zur privaten Unfallversicherung in der Regel keinen einmaligen Kapitalbetrag.

Zweitens: „Ich habe doch eine Berufsunfähigkeitsversicherung.“

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) leistet zwar auch bei Unfällen, aber nur, wenn daraus eine Berufsunfähigkeit entsteht. Zudem gibt es nur eine Rentenzahlung. Die private Unfallversicherung zahlt auch schon beim kleinsten Invaliditätsgrad eine Kapitalleistung. Auch bei schweren Unfällen hilft die Summe, um einen behindertengerechten Umbau von Auto, Wohnung oder Haus zu ermöglichen. Die Unfallversicherung ist kein Ersatz für eine BU, aber in unseren Augen ergänzen sich beide Produkte sehr gut.

Drittens: „Unfallversicherungen benötigen nur Sportler.“

Dies ist natürlich nicht so, allein wenn man betrachtet, wie viele schwere Unfälle im Straßenverkehr oder auch im Haushalt passieren.

Zu teuer, überflüssig – die private Unfallversicherung muss seit jeher mit Vorurteilen kämpfen. Für wen ist denn eine Police sinnvoll?

Eine private Unfallversicherung ist durchaus bezahlbar, mit 10 bis 20 Euro im Monat ist hier schon eine angemessene Absicherung möglich. Wie oben schon erwähnt ist eine private Unfallversicherung vor allem für Selbstständige, Hausfrauen bzw. Hausmänner, Rentner, Personen ohne Beruf, aber auch für Erwerbstätige mit Vorerkrankungen, wo keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr möglich ist, sinnvoll. Dies gilt ebenso für Personen mit hohem Unfallrisiko.

Und wie sieht es aus bei Kindern?

Da Kinder Verletzungsrisiken meist falsch einschätzen und leichtsinniger agieren, sind Unfälle keine Seltenheit, daher sollten Eltern für ihre Babys und Kinder eine private Unfallversicherung abschließen. Die Beiträge sind im Kindesalter auch noch sehr gering.

Was sollte eine Unfallversicherung alles beinhalten? Und reicht hierfür in der Regel ein Basisschutz?

Ein Basisschutz ist zwar sicherlich besser als gar keine Absicherung für einen Unfall, aber wir gehen lieber nach dem Motto „Lieber haben und nicht brauchen als brauchen und nicht haben“ vor. Auf unserer Homepage haben wir die für uns wichtigsten zwölf Punkte beschrieben, die eine gute Unfallversicherung beinhalten sollte:

  • Eigenbewegung
  • Mitwirkungsanteil
  • Leistungsverbesserungen/Update-Garantie
  • Übermüdung/Erschrecken
  • faire und saubere Gesundheitsfragen
  • erhöhte Kraftanstrengung
  • Geistes- und Bewusst­seinsstörung
  • Insektenstiche
  • Ertrinken/Ersticken
  • kosmetische Operationen
  • Bergungskosten
  • Gliedertaxe

Die verbesserten Leistungen gegenüber einem Basistarif sind gar nicht mal so viel preisintensiver, lohnen sich im Zweifel aber definitiv.

Welche Leistungen in hochwertigen Tarifvarianten braucht es Ihrer Meinung nach nicht unbedingt?

Welche Tarifvarianten bzw. Tarifbausteine man nicht braucht, darüber kann man streiten. Wir legen keinen großen Wert auf folgende Bereiche:

  • Leistungen im Todesfall – dann lieber gleich mit einer richtigen Risikolebensversicherung absichern
  • Krankenhaustagegeld, da nicht essenziell
  • Sofortleistung bei nicht dauerhaften Schäden – kostet zusätzlich und lohnt sich fast nicht
  • Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr. Hier ist die Versicherung kombiniert mit einem Sparvertrag. Davon raten wir ab, da unnötig, unflexibel und teuer.
Viele Makler haben die private Unfallversicherung im Portfolio, manche aber auch nicht (mehr). Was spricht denn dafür, das Thema bei Kunden anzusprechen.

Wie bereits erwähnt ist eine Unfallversicherung eine gute Ergänzung oder Alternative zu den vorhandenen Absicherungen im Bereich Biometrie. Für uns gehört sie als Baustein ins Versicherungsportfolio.

Und lohnt sich die Vermittlung?

Ja – im Prinzip schon. Unsere Prozesse sind auf eine schlanke, aber dann doch fundierte Unfallberatung ausgerichtet mit einer Vorauswahl an bestimmten Tarifen und Gesellschaften. Für den Vermittler ist die Unfallversicherung zudem eine Sparte, die tendenziell eher wenig Aufwand erfordert.

Lassen Sie uns noch auf das Thema Bestand eingehen: Wo lauern die größten Tücken in älteren Verträgen?

Im Bestand selbst lauern nach unserer Erfahrung eher weniger Lücken, da wir diese in der Regel schon aufgedeckt haben. Kommen aber neue Interessenten zu uns, gibt es oftmals erhebliche Leistungseinschränkungen in der Unfallversicherung. Dies fängt bei der erwähnten Eigenbewegung an und geht über eine extrem schlechte Gliedertaxe bis hin zu einem sehr geringen Mitwirkungsanteil. Diese Unterschiede können im Zweifel einen Unterschied von mehreren Hunderttausend Euro machen, die zur Auszahlung kommen oder auch nicht.

Auch sind zu niedrig angesetzte Grundsummen oftmals ein Problem, die durch eine sehr hohe Progression vom Kunden gar nicht so richtig bemerkt werden.

Neue Produkte setzen zunehmend auf Flexibilität. Wann und in welchen Fällen lohnt sich denn in der Regel ein Wechsel bzw. Neuabschluss?

Hier ist natürlich auf das Bedingungswerk und auf die Leistungen der bestehenden Police zu achten. Aber in der Regel würden wir sagen, dass in fast allen Fällen eine aktuelle Police die bessere Wahl ist. Ich spreche hier aber von guten Komplett- oder Premiumtarifen – etwas anderes bieten wir in der Regel nicht an.

Was eine gute Police enthalten sollte, habe ich bereits erläutert. Diese Bereiche sind oft in alten Tarifen nicht sauber geregelt, wie etwa der Ausschluss Eigenbewegung, oder die Summen sind zu gering, zum Beispiel zu niedrige Pauschalen bei Bergungskosten, kosmetischen Operationen usw.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Stefan Bierl, Finanzberatung Bierl GmbH

 
Ein Interview mit
Stefan Bierl