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2. April 2021
„Wenn es brennt, ist es in der Regel zu spät für eine Absicherung“

„Wenn es brennt, ist es in der Regel zu spät für eine Absicherung“

2020 war für Fondsmanager eine besondere Herausforderung. Einem historischen Crash folgte eine ähnlich historische Aufholjagd. Das hat viele Experten auf dem falschen Fuß erwischt. Robert Beer hat mit dem Mischfonds LuxTopic Flex das Jahr ein Plus von 50% erzielt – und das noch dazu mit einer eher konservativen Strategie.

Herr Beer, mit dem Mischfonds LuxTopic Flex haben Sie das Jahr 2020 mit einem Plus von 50% abgeschlossen. Wie war eine solche Performance möglich?

Wir haben ein sehr breites internationales Portfolio mit ca. 80 Werten internationaler Großkonzerne. Small und Mid Caps sind zwar spannend, aber das ist nicht mein Metier. Wir setzen daher lieber auf ein breites Spektrum großer und namhafter Werte. Ein Algorithmus filtert aus einem Auswahlpool aus rund 200 Unternehmen die tendenziell stärkeren heraus – also die Unternehmen mit einer guten Substanz, starken Zukunftsaussichten, und die im Idealfall Marktführer in ihrem Bereich sind und ordentlich Cash generieren. Das Kapital streuen wir sehr breit über diese Werte, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Mit dieser Basis sind wir in das Jahr gestartet. Dieses Portfolio könnte man auch zehn Jahre liegen lassen und nicht beachten, da es sich um hervorragende Werte handelt, die langfristig überdurchschnittliche Renditen liefern dürften.

Dennoch werden auch solche Aktien in Crash-Phasen wie dem letzten Frühjahr abgestraft. Allein die Aktienauswahl kann ein Plus von 50% im vergangenen Jahr also nicht erklären …

Das ist richtig. Im LuxTopic Flex fahren wir darüber hinaus eine permanente Absicherung.

Wie sieht diese aus?

Wir verwenden eine sogenannte Optionsstrategie. Auch dabei nutzen wir einen Algorithmus. Er steuert, wie intensiv wir die Ab­sicherung fahren. Sie besteht zu jeder Zeit, aber nicht immer gleich stark. Wenn etwas an den Märkten passiert und die Volatilität steigt, dann steigt auch das Sicherungs­level. Das alles läuft ganz automatisch. Dadurch, dass wir die Absicherung immer fahren, hatten wir sie bereits vor dem Crash im Frühjahr 2020 drin. Das ist ganz wichtig, denn wenn etwas an den Märkten schon brennt, ist es schließlich in der Regel schon zu spät. Eine Brandversicherung für ein Haus schließt man schließlich auch nicht erst ab, wenn es schon brennt. Die braucht man vorher. Wenn die Sicherung rechtzeitig drin ist, ist sie zudem auch günstiger.

Wie wichtig ist eine Systematik bei der Absicherung?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Niemand weiß, wann der richtige Zeitpunkt für eine Absicherung ist. Speziell bei Corona wusste man zu Beginn überhaupt nicht, inwieweit die Krise auf die Kurse durchschlagen wird. Das war schließlich etwas ganz Neues. Nach einer ersten Korrektur ist der Markt so richtig abgetaucht und dann hat unsere Sicherung so richtig gegriffen. Während der Markt 35% ver­loren hat, haben unsere Aktien zwar auch verloren, unsere Sicherung hat im Gegenzug aber gewonnen. So waren wir selbst in der Spitze des Crashs im Frühjahr 2020 gerade einmal um die 2% im Minus.

Für solche Phasen haben wir auch ein System, wann wir bei der Sicherung auch mal Gewinne mitnehmen und diese Gewinne direkt in Aktien reinvestieren, die zu diesem Zeitpunkt relativ günstig sind. Ganz geben wir die Sicherung aber auch in diesen Phasen nicht auf. Irgendwann dreht der Markt aber wieder und dann wollen wir dabei sein. Das war auch 2020 der Fall, als es nach dem Crash ein Dreivierteljahr nach oben ging. Weil die Aktien danach so gut nach oben gegangen sind, kamen am Schluss über 50% heraus. Die Basis dafür hat die Absicherung gelegt. Sie hat in der Crashphase das Minus drastisch reduziert und in der Erholungsphase fiel sie angesichts der massiven Kursgewinne nicht stark ins Gewicht.

Also waren die 50% nicht das Ergebnis einer sehr spekulativen Strategie?

Nein, dafür waren keineswegs riskante Spekulationen verantwortlich. Im Gegenteil. Der Clou war, dass wir den Rückschlag abgefangen haben. Bei der Aufwärtsbewegung haben wir nur mehr oder weniger das mitgemacht, was die Märkte gewonnen haben. Nur dass wir die Gewinne von einem deutlich höheren Ausgangsniveau mitgenommen haben.

Viele Aktien haben im vergangenen Jahr von ihren Tiefständen aus 50% oder teilweise gar 70% zugelegt. Die Absicherung hat uns etwas gekostet, aber das, was man nicht verliert, muss man danach nicht wieder aufholen. Wer 50% verliert, muss danach 100% gewinnen, um die Verluste wieder auszugleichen. Entscheidend ist langfristig also vor allem, die Verlustphasen abzufedern.

Wie wichtig sind gerade in solchen Marktphasen neben klaren Regeln auch Freiheiten im Management?

Man braucht ein System, an das man sich diszipliniert hält. Ohne diese Leitplanken hängt man zu sehr am Tagesgeschehen und lässt sich beeinflussen. Bei all den Systemen für die Aktienauswahl wie auch für die Sicherungssysteme entscheiden wir am Ende aber schon noch selbst.

Der Computer gibt vor und wir wägen dann noch ab und haben einen gewissen Entscheidungsspielraum. Wir sind kein starrer Robo Advisor. Und das ist auch ganz gut so. Computer sind gut, aber es hilft auch, mit dem Blick einer über 30-jährigen Börsenerfahrung und gesundem Menschenverstand über das System zu schauen.

Wie herausfordernd war das Umfeld im Vergleich zu anderen Krisenjahren?

Man hat im Laufe der Jahre natürlich ein großes Vertrauen in sein System aufgebaut. Das hilft besonders in solchen Phasen. Die Corona-Krise war aber schon eine besondere Herausforderung. Sie kam so plötzlich und hat fast alle vor den Kopf gestoßen. Das war anders als bei der letzten großen Finanzkrise, die sich mit etwas Vorlauf abzeichnete. Auch die Folgen waren besser abzuschätzen. Die Folgen der Corona-Krise sind dagegen noch immer nicht konkret vorhersehbar. Zudem hat sie menschlich eine ganz andere Dimension, weil jeder in seinem alltäglichen Leben davon betroffen ist. Maßnahmen wie Quarantäne oder Ausgangsbeschränkungen haben die meisten Menschen vorher vermutlich als Sciene Fiction eingestuft. Jetzt sind sie Realität.

Wie sind Sie persönlich mit dieser emotional aufwühlenden Phase umgegangen?

Gerade in solchen Phasen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Drumherum aus­zublenden. Und gerade in solchen Phasen hilft es auch, dass man sich in der Oberpfalz und nicht an den hektischen Finanzzentren bewegt. Ich habe zu der Zeit auch nicht in den Fernseher geschaut, um mich nicht von den emotionalen Berichten verleiten zu lassen. Stattdessen bin ich spazieren gegangen, um den Kopf frei zu bekommen. In diesen Phasen ist es das A und O, die Situation ganz nüchtern zu analysieren und alles andere auszublenden.

Und wie blicken Sie mit diesem ruhigen Blick auf 2021?

Es wird sicher auch in diesem Jahr wieder hin- und hergehen. Ich hoffe aber, dass sich auch diese Krise zügig, sprich in einem halben Jahr, legt. Irgendwann wird es mit dem Impfen klappen und dann wird es sich legen. Und dann wird Normalität einkehren. Ich bin daher vorsichtig optimistisch für das laufende Jahr. Allerdings dürfte es auch in diesem Jahr wieder Störfeuer geben. Wenn die Wirtschaft zum Beispiel wieder zu gut anläuft, wird die Diskussion losgehen, ob steigende Zinsen notwendig sind, denn auf Dauer kann die massive Staatsverschuldung mit geschenktem Geld in Form von Staatsanleihen nicht gesund sein. Die damit verbundene Zinsdiskus­sion wird dann wieder die Märkte ausbremsen. Und das wäre für uns nicht einmal schlecht. Denn dann können wir mit unserem System wieder Outperformance erzielen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2021, Seite 56 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Sergey Nivens – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Robert Beer