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30. Juni 2021
„Wir kaufen gerne das hässlichste Haus in der Straße“

„Wir kaufen gerne das hässlichste Haus in der Straße“

Die Digitalisierung macht auch vor der Immobilienwirtschaft nicht mehr halt. Thomas Knedel, Inhaber der Triamis Gruppe und Betreiber des Netzwerks Immopreneur.de, sieht sogar enorme Dynamik. Diese herrscht seit Jahren auch bei Immobilieninvestments. Mit der richtigen Strategie bieten sie aber weiter spannende Möglichkeiten.

Herr Knedel, die Immobilienwirtschaft hinkte in Sachen Digitalisierung lange hinterher. Hat sich das geändert?

Ja, da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Gerade in der klassischen Hausverwaltung liegen zwar oft noch immer die Papierberge herum, weil es nicht so leicht aus den Köpfen zu bekommen ist, dass vieles heute auch digital geht. In Summe sind aber unheimlich viele Start-ups entstanden. Heute gibt es für fast jedes Thema ein PropTech.

Was bedeutet die Digitalisierung in der Praxis?

Wir stellen eine Vermietungsanzeige heute zum Beispiel nur noch in ein einziges Tool ein. Dann geht sie automatisch in mehrere Plattformen. Und auch der ganze Vermietungsprozess, der danach beginnt, kann darin abgebildet werden. Mietinteressenten werden automatisiert gefiltert und automatisch vorqualifiziert. Das ist eine enorme Erleichterung. Es funktioniert natürlich noch nicht perfekt. Der Mensch wird dann für eine finale Einschätzung und Entscheidung immer noch gebraucht. Das ist auch gut so und das wird vermutlich auch so bleiben. Digitale Services und Produkte erleichtern aber die gesamten Prozesse erheblich – vor allem wenn das gleiche Objekt später neu vermietet werden muss und die Daten dann schon eingepflegt sind. Das spart unwahrscheinlich viel Zeit. Solche Tools gibt es in allen Bereichen der Immobilienwirtschaft. Die Prozesse sind dadurch zwar nicht komplett automatisiert, aber auf jeden Fall deutlich vereinfacht worden.

Hat Corona den Digitalisierungstrend auch in der Immobilienwirtschaft beschleunigt?

Absolut. Das ist vermutlich der einzig positive Aspekt an der Krise. Es gab einen großen Handlungsdruck. Dadurch haben sich viele bewegt, die sich sonst nie bewegt hätten. Heute gehört es zur Normalität, aus der Entfernung zu arbeiten und zum Beispiel Videokonferenzen mit Kollegen, Kunden und Partnern zu führen und dezentral auf Daten zuzugreifen. Das war bei vielen Unternehmen vorher nicht der Fall. Die Skeptiker haben zudem gelernt, dass es der Produktivität nicht schadet, wenn man viel digital macht – und zwar egal ob im Büro oder im Home-Office. Oft ist es sogar effizienter. Nicht für jedes Meeting muss man mehrere Stunden unterwegs sein.

Was macht Immobilien so attraktiv und spannend?

Viele meinen, dass Immobilieninvestments ein sehr trockenes Thema sind. Steine und Beton eben. Das greift aber viel zu kurz, zumal wir keine fertigen Vorzeigeimmobilien kaufen. Im Gegenteil. Wir kaufen gerne das hässlichste Haus in der Straße. Die Häuser, die auf den ersten Blick keiner haben will. In solche Häuser muss man sich reinfühlen. Man muss Lust haben, aus einem solchen Entlein einen kleinen Schwan zu machen. Am Ende leben schließlich Menschen darin und entsprechend soll die Immobilien schön und liebenswert sein und eine vernünftige Umgebung zum Leben werden. Aus einem Schandfleck in zwei, drei Jahren ein schönes Haus zu machen, macht Spaß. Parallel entwickelt man auch noch Werte und damit Rendite. Noch schöner ist es, anderen Leuten dabei zu helfen, auch solche Investments umzusetzen, wie zum Beispiel auf unserem Immopreneur Kongress, der im Herbst 2021, wenngleich noch unter etwas erschwerten Bedingungen, stattfinden wird.

Gibt es klassische Fehler, vor denen Sie andere bewahren?

Einer der größten Fehler ist, irgendeine Immobilie auf einem Immobilienportal zu kaufen, ohne sich ernsthaft mit ihr auseinanderzusetzen. Eine solide Wissensbasis lässt sich bereits in einem halben Jahr aufbauen. Ohne eine genaue Immobilienprüfung sollte keine Immobilie gekauft werden. Ein weiterer Fehler ist, gar nicht erst damit anzufangen. Oft wollen Neueinsteiger auch viel zu groß anfangen. Man sollte sich schrittweise rantasten. Denn am Anfang macht man zwangsläufig auch Fehler. Wenn diese im kleinen Rahmen geschehen, ist das aber weniger tragisch, als wenn man direkt groß auffährt. Deswegen am besten mal mit einer leicht reno­vierungs­bedürftigen Einliegerwohnung anfangen. Wenn das gelingt, kann man die nächsten Schritte gehen.

Viele fangen vermutlich aber auch nicht an, weil die Preise seit Jahren bereits rasant gestiegen sind. Wie groß ist denn die Gefahr einer Immobilienblase?

Ich finde es lustig, wenn von einer Immobilienblase gesprochen wird. Eine Blasentendenz in ganz, ganz engen Bereichen ist sicher vorhanden, wenn in Wohntürmen 14.000 Euro pro m2 verlangt werden. Das steht nicht mehr in Relation zu den Einkommen. Natürlich ist auch fernab solcher Spitzen das Preisniveau teils hoch, speziell in den A- oder B-Lagen. Preis ist aber immer relativ. Im internationalen Vergleich sind wir zum Beispiel immer noch nicht zu teuer. Zudem ist der Immobilienmarkt sehr intransparent und bei Weitem nicht immer effizient. Tod, Scheidung oder Krankheit führen immer wieder dazu, dass Immobilien schnell verkauft werden müssen. Die sehen dann oft auch nicht schön aus, weil noch Omas Mobiliar drinsteht. Diesen Menschen kann man helfen und dabei auch noch spannende Immobilien zu einem attraktiven Preis erhalten. Viele denken, Immobilien machen keine Arbeit. Das ist ein großer Trugschluss. Es gibt immer Probleme. Mal größere, aber meist mehrere kleinere. Mit der Zeit hat man die nötige Erfahrung, wie man diese effizient löst, weil es oft ähnliche Probleme sind.

Man könnte auch eine schlüsselfertige Immobilie kaufen …

Klar kann man eine Immobilie auch komplett fertig kaufen. Diese Bequemlichkeit muss aber bezahlt werden. Und solche Immobilien werden die Banken nur in sehr begrenztem Rahmen als Investments mitfinanzieren. Und mit Mietern kann es auch bei schlüsselfertigen Wohnungen Probleme geben.

Wie ist Ihr Ansatz bei Immobilieninvestments?

Wir machen sehr viel Marketing und schauen vom Kunden aus auf eine Immobilie. Welche Böden sind gefragt? Welche Wohnungsgrößen? Welche Raumgrößen und -aufteilungen? Wenn aus einer Zwei- eine Dreizimmerwohnung wird, kann das die Mietaussichten zum Beispiel deutlich verbessern, da aus einer teuren Zweizimmerwohnung durch eine zusätzliche Wand eine günstige Dreizimmerwohnung wird. Es kauft und mietet nicht jeder in erster Linie nach m2.

Böse Zungen würden das als Immobilienhai bezeichnen, der Geld reinsteckt, um noch mehr Geld rauszuholen und der mit Mietendeckel und Co. an die Kandare genommen werden muss …

Die Vorwürfe kennen wir auch und selbst bei den Bauämtern sind wir immer wieder damit konfrontiert. Da ist die Aufteilung eines Mehr­familienhauses in Eigentumswohnungen zum Teil schon ein rotes Tuch und es werden Dinge untersagt, die nebenan der städtischen Wohnungsbaugesellschaft erlaubt werden – obwohl wir uns dafür sogar die Zustimmung der Mieter eingeholt haben. Und das nur, weil wir in die Schublade der bösen Leute geschoben werden, die Mieter verdrängen. Das ist reine Willkür. Wir haben noch nie einen Mieter rausgeschmissen. Es sei denn, er bezahlt monatelang trotz mehr­facher Aufforderungen überhaupt nicht.

Stellen sie sich weiterhin auf Gegenwind ein oder haben Sie Hoffnung auf Besserung?

Nein. Menschen, die Risiken eingehen und investieren, um Dinge nach vorne zu bringen, sind eine Minderheit. Auf die vermeintlichen Reichen zu kloppen, kommt bei der Mehrheit an und entsprechend setzt die Politik lieber auf diese Karte, statt sich mit den damit verbundenen Chancen auseinanderzusetzen.

Warum kurbelt man nicht den Wohnungsbau an? Investoren bauen doch gerne Wohnraum – auch sozialen Wohnraum. Das würde den Wohnungsmarkt entspannen und nicht Diskussionen um Mietendeckel, Enteignungen und Verbote von Einfamilienhäusern. Und wie viel besser staatliche als unternehmerische Lösungen funktionieren, zeigen ja nicht zuletzt Projekte wie der Berliner Flughafen oder die Impfkampagne.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2021, Seite 60 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Ralf Geithe – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Thomas Knedel