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8. März 2024
„Wir müssen zeigen, was Versicherungsschutz wert ist“

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„Wir müssen zeigen, was Versicherungsschutz wert ist“

Dabei gibt der GDV so viel Geld für Lobbyarbeit aus …

Ich sage, dieses Geld ist wirklich nötig. Man sieht ja den dringenden Bedarf. Ich will noch mal eine andere Zahl nennen. Wir haben über den dicken Daumen gerechnet rund 65 Mio. Euro Personalaufwendungen, Gehälter und Sozialleistungen, das heißt, 11 Mio. Euro, ein Sechstel, geht rein für Regulatorik an Personalkosten drauf.

Und jetzt kommt der Punkt, der mich umtreibt: Wir hören immer wieder, wenn ich mir zum Beispiel die Kleinanleger-Verordnung anschaue, den Begriff des „Value for Money“. Also, was ist der Wert einer Beratung? Die Beratungsleistung unserer Vertriebspartner wird dabei nur auf Kosten reduziert, der Nutzen wird nicht gesehen. Und an dem Punkt sage ich: Was glaubt ihr eigentlich, wovon wir die Regulatorik bezahlen? Das zahlen die Kunden. Regulatorik ist mittlerweile ein tariferhebliches Element. Wir müssen deshalb fragen: Was ist eigentlich der Wert der Regulatorik? Also, der Value for Money?

Und noch ein Punkt: Wir haben einen War for Talents. Es gibt einen scharfen Wettbewerb um Fachkräfte. Das heißt, wir müssen überhaupt die Menschen finden, die diese Arbeit leisten.

Lassen Sie uns auf die Zinswende sehen. Positiv oder negativ für die Versicherer?

Im Saldo ist die Entwicklung positiv. Wir haben ca. 1,6 Mrd. Euro Beitragseinnahmen beim VOLKSWOHL BUND und der Dortmunder Leben. Dem stehen knapp 100 Mio. Euro in der Sachversicherung dagegen. Mit dem Schwerpunkt Leben sind wir natürlich froh, dass die Zinsen wieder höher sind und man wieder Alternativen in der Kapitalanlage hat. Es stimmt, Anlagen, die wir in letzter Zeit getätigt haben, laufen teilweise in den Bereich der stillen Lasten rein. Das ist aber weiter nicht schlimm, denn wir machen keine Kapitalanlagen, um zu traden. Wir machen dies in der Regel in einer Buy-and-Hold-Strategie und am Ende der Laufzeit lösen sich die stillen Lasten wieder auf.

Spüren Sie nicht, dass andere Sparformen bevorzugt werden?

Also, im Neugeschäft gar nicht, im Gegenteil. Wir haben das beste Neugeschäft unserer Unternehmensgeschichte verzeichnet. Wir haben 2023 etwa gute 20% mehr gehabt als im Vorjahr, und wir haben sogar 10% mehr gehabt als 2021. Warum betone ich das so?

Wir waren immer starker Riester-Anbieter. Rund 20% unseres Neu­geschäfts waren Riester-Verträge. Dieses Geschäft ist 2021 komplett eingebrochen wegen der Rechnungszinssenkung. Nachdem diese 20% an Neugeschäft weggefallen waren, hatten wir 2022 schon „nur“ ein Minus von 10%, also die Hälfte haben wir sozusagen aufgefangen, und 2023 konnten wir sogar aufbauen, also 10% Plus zu 2021 und 20% Plus zu 2022.

Wir haben uns sehr, sehr stark auf das bAV-Geschäft konzentriert. Mit einem neuen fondsgebundenen Tarif, der Garantie und trotzdem von Beginn an bis zu 100% Fondsquote bietet, haben wir einen echten Hin­gucker. Auch prozessual haben wir einiges getan. Wir haben unsere Leben-Vertriebseinheit aufgeteilt in Leben Privat­kunden und Leben Firmenkunden/bAV, um einfach eine prozessuale Exzellenz herzustellen. Das Ergebnis ist ein immenser und für mich zuerst fast nicht vorstellbarer Erfolg. Das war wirklich toll. Es war mein letztes volles Geschäftsjahr, daher bin ich natürlich besonders froh. Aber bevor Sie fragen: Auch der Jahresstart 2024 toppt die Vorjahre, insofern wird auch Stefanie van Holt einen guten Start haben.

Die Branche wartet nun auf die Reform der Altersvorsorge. Was halten Sie davon, dass es andere Auszahlungsformen geben und die lebenslange Rente fallen soll?

Also, ich halte das für eine Katastrophe und ich empfinde das Menschenbild, das dahintersteht, schlimm. Also, das, was man aus der Fokusgruppe Altersvorsorge gehört hat: Bis 85 oder 87 kriegt man die Rente, und wer dann noch lebt, bekommt halt Bürgergeld. Aber das Leben hat doch auch bis 95 noch seinen Wert.

Die Kampagne des GDV „Du lebst sieben Jahre länger“ zeigt doch, wie falsch die Menschen ihre Lebenserwartung einschätzen. Wenn sich Menschen einen Auszahlplan selbst schneidern sollen, muss man damit rechnen, dass in 50% der Fälle am Ende des Geldes noch Leben über ist. Das ist der falsche Weg für eine geförderte Rente.

Was halten Sie von den anderen Plänen?

Ich finde erst mal gut, dass die Bürgerrente vom Tisch zu sein scheint. Ein zusätzliches Obligato­rium ist nicht gut und ich denke, Altersvorsorge sollte auf freiwilliger Basis passieren, mithilfe von Anreizen. Zudem bin ich dafür, eine Ver­sicherungspflicht für Selbstständige einzuführen.

Und ich finde eine gewisse Form von Garantien nicht verkehrt. 100% braucht es aber nicht mehr, das ist klar. Also, ich könnte mir gut vorstellen, dass man sagt, eine lebenslange Rente sollte sein und wir würden eine Garantie von 60, 70 oder 80% für die geförderte Rente empfehlen.

Gehen wir noch mal in Richtung Unternehmen zurück. Wie ist es, für einen Versicherungsverein zu arbeiten?

Toll. Du hast ganz andere Möglichkeiten, bei einem mittelständischen Unternehmen Einfluss zu nehmen. Mein Werdegang vom Azubi über die ganze Strecke wäre vielleicht woanders gar nicht so möglich gewesen.

Als ich hier 1983 angefangen habe, waren wir ein reiner Ausschließlichkeitsversicherer. Der VOLKSWOHL BUND hatte 500 im Wesentlichen angestellte Ausschließlichkeitsmitarbeiter. Die Aufgabe war es, diese Organisation effizient zu machen. Das hat irgendwie nicht geklappt.

Ich war damals mit der Ausbildung fertig und bin in die Verkaufsförderung gekommen, dann später ins Marketing. Zu dem Zeitpunkt waren die Kostensätze immens und die Situation war existenzgefährdend. Deshalb hat man sich den freien Vertriebspartnern zugewandt. Doch wir mussten diese erst mal überzeugen. Zusammen mit Dr. Ulf-Gerhard Gude, Versicherungsmathematiker und damals gerade von der Uni, sollten wir nun Produkte machen. Das war eine geile Aufgabe, einfach irre, und wir hatten viele gute Ideen. Unsere IT war damals ziemlich modern und das alles fand Widerhall bei den Maklern. Wir haben erstmals Ver­sicherungsverträge grafisch dargestellt, mit Rückkaufswerten und Todesfallverläufen bis hin zur Ablaufleistung. Wir hatten anfangs auch so was wie Welpenschutz, das hat dann irgendwann nachgelassen. Ende der 90er etwa fanden auch viele den Namen VOLKSWOHL BUND sehr antiquiert. Das hat sich dann 2001 mit Platzen der Dotcom-Blase komplett geändert, als die damaligen Highflyer kaputtgingen und Tradition wieder gefragt war.

So kam für mich die Chance, Leiter in der Verkaufsförderung zu werden, dann Hauptabteilungsleiter im Marketing. 1997 wurde ich in den Vorstand berufen, dort, wo ich praktisch 13, 14 Jahre vorher noch die Ausbildung gemacht habe, das ist schon einzigartig, und jetzt komme ich zu der Frage: Ich glaube, das geht nur in so einem familiären Umfeld eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Deshalb bin ich dem Hause extrem dankbar und hatte auch nie irgendwelche Wechselabsichten.

 
Ein Interview mit
Dietmar Bläsing

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Gabriele Fenne… am 11. März 2024 - 13:30

Auf einer Veranstaltung im Januar in Köln hatte ich das große Vergnügen, diesen nach 40 Jahren Branchentätigkeit immer noch so hoch motivierten und leidenschaftlichen Manager kennen zu lernen.

Sein Wissen, seine Erfahrung, seine Liebe zur Branche sowie seinen Mitarbeitenden und zur Maklerschaft wird dem VolkswohlBund mit Sicherheit fehlen. 

Bleibt zu hoffen, dass er uns allen durch aktives Einbringen in Fachgremien erhalten bleibt und damit das Image unser Branche  merklich verbessert.