AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
20. September 2021
Herüberwachsende Baumwurzeln vom Nachbargrundstück
Big tree with trunk and roots spreading out beautiful on grass green in nature forest background with sunshine in the morning.

Herüberwachsende Baumwurzeln vom Nachbargrundstück

Dürfen auf das Grundstück eines Nachbarn wachsende Baumwurzeln zurückgeschnitten werden, auch wenn der Baum dadurch abzusterben droht? Das musste das LG Frankenthal in einem Nachbarschaftsstreit entscheiden. Das Gericht orientierte sich bei der Urteilsfindung an der Rechtsprechung des BGH.

Für zahlreiche Nachbarschaftsstreitigkeiten ist Pflanzenwerk verantwortlich, das sich partout nicht an die Grundstücksgrenzen halten möchte. Am häufigsten handelt es sich in derartigen Fällen um überhängende Äste, aber auch Baumwurzeln können dem Nachbarn das Leben schwer machen. Das beweist ein Fall, in dem schließlich nur noch eine Klärung vor Gericht möglich war.

Baumwurzeln zurückschneiden?

Zwischen zwei Nachbarn kam es 2019 wegen einer unmittelbar an der Grundstücksgrenze stehenden Fichte zu einem Nachbarschaftsstreit vor dem Amtsgericht Grünstadt. Ein Mann aus Grünstadt wollte dabei unter anderem die gerichtliche Erlaubnis erhalten, Baumwurzeln beseitigen zu dürfen, die vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück herüberwuchsen.

Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung

Er argumentierte, dass seine Nachbarn, ein Ehepaar, das Abschneiden dulden müssten. Schließlich sei die Nutzbarkeit seines Gartens durch die aus der Erde herausragenden Wurzeln beeinträchtigt. Er könne beispielsweise nicht mehr uneingeschränkt seinen Rasen mähen.

Fichte würde womöglich absterben

Das Ehepaar wiederum wehrte sich gegen die Duldungspflicht. Das Zurückschneiden der Wurzeln würde ihrer Ansicht nach den biologischen Tod der Fichte nach sich ziehen. Vor dem Amtsgericht bekam der Mann in erster Instanz Recht.

Nachbar darf Selbsthilfe anwenden

Im Berufungsverfahren wurde das Urteil bestätigt. Die Nachbarn haben den Rückschnitt der Baumwurzeln nach Überzeugung des Gerichts zu dulden. In erster Linie müssten die Baumeigentümer dafür Sorge tragen, dass es nicht zu herüberwachsenden Wurzeln komme. Kämen sie ihrer Verpflichtung zum Rückschnitt jedoch nicht nach, könne der Nachbar unter Beachtung naturschutzrechtlicher Vorgaben selbst zur Tat schreiten und die Wurzeln im Wege der Selbsthilfe beseitigen, die sich auf seinem Grundstück befänden.

BGH-Rechtsprechung auf Wurzelwerk übertragbar

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des BGH sei es dabei unerheblich, ob der Baum durch den Rückschnitt absterben könne (AssCompact berichtete). Denn das in § 910 BGB geregelte Selbsthilferecht solle eine einfache Hilfe bieten und nicht auf Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit geprüft werden. Die Rechtsprechung des BGH habe sich zwar auf den Rückschnitt von Ästen bezogen, könne aber nach Überzeugung des Gerichts auch auf Wurzelwerk angewendet werden.

Tatsächliche Beeinträchtigung entscheidend

Die Baumeigentümer müssen jedoch nur die Beseitigung der Wurzeln akzeptieren, die den Nachbarn tatsächlich bei der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigen. Von einer Beeinträchtigung könne ausgegangen werden, wenn die Wurzeln den Nachbarn beim Rasenmähen behindern und unter Umständen sogar zu Beschädigungen am Rasenmäher führen könnten.

Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

LG Frankenthal, Urteil vom 11.08.2021 – 2 S 132/20

Bild: © nicemyphoto – stock.adobe.com