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8. Mai 2023
Provisionsverbot: EU gewährt drei Jahre Aufschub
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Provisionsverbot: EU gewährt drei Jahre Aufschub

Atempause beim Thema Provisionsverbot. Denn die Abkehr von einem EU-weit geltenden Verbot soll erst in drei Jahren wieder überprüft werden. Das hat der AfW unter Berufung auf Details zur EU-Kleinanlegerstrategie mitgeteilt. Für reine Ausführungsprodukte sollen Anreize hingegen verboten werden.

Nur wenige Tage nach der Kehrtwende beim EU-weit geltenden Provisionsverbot (AssCompact berichtete) sind nun auch erste Details der EU-Kleinanlegerstrategie (sogenannte Retail Investment Strategy) durchgesickert. Wie der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. (AfW) in einer Pressemitteilung meldete, ist demnach ein vollständiges Provisionsverbot weiterhin nicht Teil des Vorschlags. Allerdings werde es drei Jahre nach Inkrafttreten der Rechtsvorschriften laut AfW eine Überprüfung geben. In dem Dokument begründete die EU-Kommission ihre Entscheidung, kein vollständiges Verbot der provisionsbasierten Vergütung ab sofort vorzuschlagen, damit, dass dies erhebliche und plötzliche Auswirkungen auf die bestehenden Vertriebssysteme hätte, deren Folgen schwer abzuschätzen seien.

Teilweises Verbot von Anreizen für reine Ausführungsprodukte

Allerdings, so heißt es nun vom AfW, soll ein teilweises Verbot von Anreizen für reine Ausführungsprodukte, bei denen keine Beratung stattfindet, kommen. Diese sogenannten „Execution-Only“-Geschäfte werden in erster Linie von den im deutschen Onlinebroker-Markt führenden Direktbanken sowie den erfolgreich gewachsenen Neobrokern durchgeführt. Je nachdem, wie umfassend die EU-Kommission ein „Provisionsverbot“ für diese Geschäfte auslegt, wären jeweils beim Kauf eines Fonds anfallende Ausgabeprovisionen, jährlich wiederkehrende Bestandsprovisionen für das Halten von Fonds im Bestand, aber ggf. auch die bei Neobrokern besonders umsatzrelevanten und jeweils beim Kauf von ETFs anfallenden Kickbacks betroffen, heißt es etwa von der globalen Strategieberatung Simon-Kucher (AssCompact berichtete).

"Best Interest"-Test für Finanzberater

Und laut AfW-Pressemitteilung wird es auch einen überarbeiteten „Best Interest“-Test für Finanzberater geben. Damit sollen Finanzberater dazu gebracht werden, ihren Kunden alternative und billigere Produkte anzubieten. Parallel dazu sollen die beruflichen Anforderungen an die Berater verschärft werden. Dazu sollen die EU-Aufsichtsbehörden das Mandat erhalten, „Preis-Leistungs-Benchmarks“ als Maßstäbe für Kosten und Leistung zu schaffen. „Eine Abweichung von der jeweiligen Benchmark sollte die Vermutung aufkommen lassen, dass die Kosten und Gebühren zu hoch sind und das Produkt kein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet“, heißt es in dem Dokument laut AfW-Angaben.

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, sagt dazu: „Wir möchten darauf hinweisen, dass es sich um einen Entwurf handelt, was bedeutet, dass das Dokument vor seiner offiziellen Vorlage noch geändert werden könnte. Grundsätzlich begrüßen wir im Interesse der von uns vertretenen unabhängigen Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsmaklerinnen und -makler und ihrer Kunden selbstverständlich die Entscheidung der Kommission, auf ein vollständiges Provisionsverbot zu verzichten.“

VOTUM-Kritik: Europäische Aufsicht soll zur Produkt-Polizei werden

Herbe Kritik an den Plänen kommt unterdessen auch vom VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa e. V. (VOTUM). Der Vermittlerverband warnt eindringlich davor, die europäischen Aufsichtsbehörden zu einer Art „Produkt-Polizei“ zu machen, die insbesondere europaweite Kosten-Benchmarks für Kapital- und Versicherungsanlageprodukte vorgeben. Dies könnte einen europäischen Provisionsdeckel bedeuten und damit erneut einen Markteingriff, der – wie der deutsche Gesetzgeber bereits festgestellt hat – nur berechtigt ist, wenn ein umfassendes Marktversagen zu beobachten wäre, was tatsächlich aber nicht der Fall sei, heißt es von VOTUM.

„Die Vorgaben der Retail Investment Strategy für die Ausgestaltung von Beratungen sind in sich widersprüchlich: Zum einen sollen die Berater verpflichtet werden, weitere umfassende Produktanalysen sowohl im Leistungsbereich als auch im Kostensegment vorzunehmen, ohne dass zu erkennen ist, wie ihnen dieser Zusatzaufwand vergütet werden könnte. Zum anderen sollen Berater für ihre Kunden eine Art Zwei-Klassen-Beratungsangebot vorhalten. [...] Das Alles mit dem Ziel, Beratung vermeintlich „billiger“ zu machen. Aus unserer Sicht ein weiterer Irrweg“, kommentiert dazu VOTUM-Vorstand Martin Klein.

Der finale Vorschlag der EU-Kleinanlegerstrategie wird laut der vorläufigen Tagesordnung der EU-Kommission für den 24.05.2023 erwartet. (as)

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